
Als Seller über Amazon direkt verkaufen oder als Vendor Amazon den Verkauf der eigenen Artikel überlassen - die Plattform bietet beides an. Berater Peter Höschl und E-Commerce-Experte Frank Holzweissig erklärten auf der AmazonWorld Convention beide Modelle.
"Wir wollen den unmöglichen Vergleich zwischen Seller- und Vendor-Programm versuchen." Mit diesen Worten eröffnete Peter Höschl (im Bild oben rechts) den Vortrag, den er gemeinsam mit Frank Holzweissig (links) auf der AmazonWorld Convention am heutigen Dienstag hielt. Höschl ist E-Commerce-Berater und betreibt das Portal shopanbieter.de, Holzweissig ist Leiter E-Commerce bei der Rotho Kunstststoff AG, die auf Amazon sowohl als Vendor als auch als Seller vertreten ist.
Amazon bietet Herstellern (Vendor) und Händlern (Seller) zwei unterschiedliche Accounts mit dahinterliegenden, unterschiedlichen Programmen an. Derzeit, so beobachten Höschl und Holzweissig, erwägen viele Vendoren einen Einstieg als Seller, doch die Unterschiede sind größer als gedacht.
So sind bei einem Seller-Account die meisten Konditionen von Amazon klar vorgegeben. Es gibt für die Händler keinen großen Verhandlungsspielraum, damit aber auch nicht die Notwendigkeit, mit Amazon Konditionen aushandeln zu müssen.
Allerdings, so hat Hozweissig festgestellt, ist es für Vendoren schwieriger, bei der Vielzahl von Backend- und Frontend-Konditionen den Überblick zu wahren und am Ende zu sehen, ob man überhaupt noch profitabel ist. Als Beispiel nennt er Straf- und Ausgleichszahlungen, die im Schnitt ein bis drei Prozent des Umsatzes ausmachen, aber kaum auf einzelne Artikelnummern zurückzuführen sind. Es bedeutet für den Vendor einen erheblichen Aufwand, den Grund für bestimmte Strafzahlungen nachzuvollziehen und gegebenenfalls Einspruch einzulegen. Auch gibt man als Vendor die Kontrolle über die im Verkauf erzielbaren Preise auf. Sie werden von Amazon festgelegt und können im Einzelfall unter den Einkaufspreis fallen.
Zusätzliches Marketing ist unerlässlich
Als Vorteil des Vendoren-Programms ist zu sehen, dass Amazon den Endkundensupport zumindest rudimentär übernimmt und auch für Produkte im Vendor-Programm wirbt. Dennoch hält Höschl zusätzliche Marketingmaßnahmen des Vendors für unerlässlich, "sonst gehen Sie bei 350 bis 450 Millionen Produkten einfach unter".
So verlockend, wie das Seller-Programm für viele Vendoren zunächst klingt, ist es am Ende nicht, denn mit dem direkten Kundenkontakt kommen auf Hersteller Pflichten zu, die sie bislang auf den Handel abwälzen konnten - ein Kundensupport zum Beispiel, der auch am Wochenende erreichbar ist. Vergleicht man die Zahlen zwischen beiden Modellen in einer Deckungsbeitragsrechnung, sieht es zwar etwas besser für das Seller-Modell aus, aber nicht so viel besser, dass ein Schritt in diese Richtung unausweichlich sei.
Statt harter Zahlen würden oft die "weichen Faktoren" den Ausschlag geben, weiß Berater Höschl. So würden Produkte im Vendoren-Programm, die von Amazon selbst vertrieben werden, von den Kunden mit einem Vertrauensvorschuss bedacht, außerdem trügen sie immer den Prime-Button. Dafür kann der Anbieter im Seller-Programm seine Preise selbst festlegen. Was ihm - so ergänzt Holzweissig - aber auch nichts nützt, wenn der Marktpreis für das Produkt am Boden ist. Zu hohe Preisvorstellungen des Händlers straft Amazon dann mit dem Entzug der Buy Box.
Viele Hersteller, so meint Höschl, würden derzeit auch gezielt Erfahrungen sammeln wollen im direkten Umgang mit dem Endkunden. Hier sei eine Hybrid-Strategie zu empfehlen, in der Vendoren einen Seller-Account zusätzlich eröffnen.
"Die Strukturen müssen laufen, bevor man umsteigt"
E-Commerce-Mann Holzweissig warnt jedoch davor, den Einstieg ins Amazon-Seller-Programm zu unterschätzen: "Das Verständnis im Unternehmen für die gestellten Anforderungen und die Bedürfnisse der Endkonden muss vorhanden sein. Sie Strukturen müssen laufen, bevor Sie starten." Denn Amazon erwarte von Tag eins an volle Performance.
Ob die Trennung zwischen Vendor und Seller auf Amazon dauerhaft Bestand haben wird, stellten beide Referenten in Frage. Denkbar sei auch, dass beide Programme zusammengeführt würden, entsprechende Anzeichen dafür gebe es bereits.
Die AmazonWorld Convention läuft noch bis zum 14. Oktober. Wenn Sie an der Veranstaltung nicht teilnehmen konnten und sich die Vorträge dennoch online ansehen möchen: Hier geht's zum On-Demand-Ticket.