
Kostenlose Markenanalyse Brand Analytics: Das steckt hinter Amazons Analysetool
Seit März 2019 werden Amazons "Brand Analytics für Seller" auch in Deutschland ausgerollt. Was genau dahinter steckt und wie das Analysetool funktioniert, erklärt Moritz Meyer von Movesell.
Von Moritz Meyer, CEO der Amazon-Agentur Movesell
Wie alt sind meine Amazon-Kunden und welches Einkommen haben sie? Womit werden meine Produkte verglichen? Welchen Umsatzanteil haben die wichtigsten Keywords? Antworten gibt das Analysetool Brand Analytics von Amazon.
Es wurde im Februar 2019 zunächst für Verkäufer aus den USA veröffentlicht. Seit März 2019 werden die Markenanalysen auch bei den europäischen Seller Accounts sukzessive ausgerollt. Seit dem Launch erweitert Amazon das Tool regelmäßig um neue Funktionen.
Die Vorteile der Brand Analytics: Amazon wird erheblich transparenter und präsentiert Verkäufern das erste Mal einen tieferen Einblick in das Such- und Kaufverhalten auf Amazon - und gibt Kunden damit ein Gesicht.
Richtig eingesetzt, kann der neue Zugang zu diesen Daten sehr wertvoll bei der Kategorie-Analyse, dem Targeted Advertising und der Produktoptimierung auf Amazon sein.
Drei Kernbereiche
Aktuell gibt es die drei Kernbereiche:
- Kategoriespezifische Umsatz- und Klickraten für die wichtigsten Amazon-Suchbegriffe,
- soziodemografische Kundendaten und
- Produktvergleiche
Die Keyword-Daten waren bisher nur Vendoren zugänglich, die den sogenannten ARA Premium Service von Amazon für zehntausende Euro jährlich abonniert haben. Amazon beschreibt die Markenanalyse im Seller Central "als eine Funktion, die wertvolle Einblicke enthält, mit denen Markeninhaber fundierte, strategische Entscheidungen über ihr Produktportfolio und Ihre Marketing-/Werbeaktivitäten treffen können."
Die Funktion ist nur für Markeninhaber verfügbar, die ihre Marke erfolgreich bei der Amazon-Markenregistrierung (Amazon Brand Registry) eingetragen haben. Navigieren Sie in der Seller Central über "Berichte" dann auf "Markenanalyse" (respektive Brand Analytics, Análisis de marcas). Die Seite wird bisher nur den primären Inhabern des Amazon-Accounts angezeigt.
Im Folgenden werden die drei oben genannten Kernbereiche ausführlich erklärt.
1. Kernbereich: Die wichtigsten Amazon-Suchbegriffe
Die Markenanalyse zeigt die relevantesten Suchbegriffe auf Kategorie-Ebene und versieht diese mit einem Suchfrequenz-Rang. Damit lassen sich die Top-Suchbegriffe auf Amazon das erste Mal für einen bestimmten Zeitraum nach Traffic-Volumen (Anzahl an Suchanfragen) sortieren und für die Produkt- und Kampagnenoptimierung vorab besser bewerten.
Bisher konnte eine allgemeine Relevanzbewertung von Keywords nur über die Amazon-Suchvorschläge (Search Suggests) vorgenommen werden, die absteigend nach Relevanz angezeigt werden. Dabei konnte man Keywords nur innerhalb eines Wortstamms vergleichen, zum Beispiel, dass "Wasserkocher Glas" relevanter als "Wasserkocher Edelstahl" ist. Nun lassen sich alle Top-Suchbegriffe untereinander in Relation setzen und wir wissen beispielsweise, dass "Gin" häufiger gesucht wird als "Whiskey".
Das exakte Suchvolumen gibt Amazon nach wie vor nicht bekannt und wir wissen auch nicht, wie groß jeweils die Sprünge zwischen einzelnen Suchfrequenz-Rankings sind. Das bedeutet, ein Keyword mit dem Rang fünf kann theoretisch doppelt so oft wie ein Keyword mit dem Rang sechs gesucht werden (ähnliche Logik wie beim Bestseller Rang) - die Relevanz-Einschätzung sollte daher bedacht vollzogen werden.
Natürlich ist der Keyword-Traffic nur einer von vielen Faktoren - berücksichtigen Sie auch externen Wettbewerb, interne Kannibalisierung, Suchintention des Kunden, Keyword-Fokus und Wording des Produktlistings. Wie vollständig ist die Keyword-Liste?
Für den Zeitraum vom 07. April bis zum 13. April 2019 zeigt Amazon kategorieübergreifend etwa 376.000 Suchbegriffe mit Ranking an. Auf den ersten Blick sieht das nach einer großen Anzahl an Daten aus. Auf den zweiten Blick stellt man allerdings schnell fest, dass etliche wichtige Keyword-Kombinationen fehlen - vor allem im wichtigen Longtail-Bereich. Kein Wunder, denn zur Abdeckung der relevanten Keywords müsste es sich um zig Millionen Zeilen handeln.
Klickrate der Top-3 angeklickten Produkte
Zu jedem Suchbegriff zeigt Amazon für den ausgewählten Zeitraum die Klickrate der drei am häufigsten geklickten ASINs (Amazon Standard-Identifikationsnummern) an.
Klickrate = (Σ Klicks ASIN X für Keyword Y / Σ Gesamtklicks für Keyword Y) * 100
Ein sehr spannender Wert, der bisher nur im Bereich der Amazon PPC-Werbung ausgegeben wurde.
Wichtiger Unterschied: In Amazons PPC Werbung definiert sich die Klickrate als Verhältnis von erreichten Impressionen zu erhaltenen Klicks - wir wissen hierbei nicht, wie viele mögliche Gesamtimpressionen und Gesamtklicks es für eine Suchanfrage und damit für einen Ad-Slot gegeben hätte - in der Regel spiegeln die erhaltenen Impressionen nur einen Bruchteil der möglichen Impressionen wieder. Im Gegensatz dazu setzt die Klickrate der Brand Analytics die erhaltenen Produktklicks auf Keywordebene in Relation zu allen ausgeführten Produktklicks.
Der Wert gibt uns einen Einblick, wie viel relatives Traffic-Volumen jeweils die Top-3-geklickten ASINs direkt nach einer organischen Suche aufsaugen können. So scheinen sich die drei Produkte B01JIOGFD4, B00TTZU566, B015WGDX6E schon 39 Prozent der Gesamtklicks für das Keyword "Akkuschrauber" zu ziehen. Ganz anders sieht es für das Suchwort "Barbie" aus, für das die ASINs B0756LRPQ8 nur 4,97 Prozent, B00ILNEO96 4,36 Prozent und B00NEHP42K 3,77 Prozent Klickrate im gewählten Zeitraum erreicht haben. Offen bleibt, ob es sich um Klicks auf rein organisch platzierte Produkte auf den Suchergebnisseiten (SERPs) handelt, oder um einen Gesamtwert, der auch die Paid-Klicks auf die verschiedenen Werbeformate (zum Beispiel Sponsored Brands und Sponsored Products) auf Amazon berücksichtigt.
Umsatzrate der Top-3 angeklickten Produkte
Zu jedem Suchbegriff zeigt Amazon für den ausgewählten Zeitraum auch den Umsatzanteil der drei am häufigsten geklickten ASINs an.
Umsatzrate = (Σ Sales ASIN X für Keyword Y / Gesamtsales für Keyword Y) * 100
Die Umsatzrate gibt uns einen ersten Einblick in die Aufteilung des Umsatzkuchens auf Keywordebene und zeigt uns beispielsweise, dass der Bosch Akkuschrauber B00TTZU566 für das unspezifische Keyword "Akkuschrauber" einen beachtlichen Umsatzanteil von 21,93 Prozent in der Woche vom 24.02.19 bis zum 02.03.19 schafft.
Die Top-3-ASINs
Wir haben die Daten der rund 660.000 deutschen ASINs für die Top-Suchbegriffe aus dem Zeitraum März 2019 um die Kategorie Media (Filme, Serien etc.) bereinigt und als Basis für unsere Auswertung genommen. Dabei konnten wir mehrere Erkenntnisse hinsichtlich der Relevanz der einzelnen Platzierungen eins bis drei und dem Verhältnis des Klick- und Umsatzanteils bei sinkendem Suchvolumen feststellen.
Zur Interpretation der Daten ist es wichtig, dass man sich Folgendes verinnerlicht: Amazon berücksichtigt aktuell in den Brand Analytics nur einen Bruchteil an Keywords, obwohl es Millionen relevante Keywords gibt. Aus hoch frequentierten Kategorien finden wir dadurch sowohl Short-Tail- als auch Long-Tail-Keywords, in nischigeren Kategorien oft nur die Short-Tails und teilweise Mid-Tails. Dennoch zeigt uns ein kurzer Test, dass die angezeigten Suchbegriffe ausreichen, um alle Produktbereiche auf Amazon abzudecken und das schon sehr spezielle Keywords mit wenig Suchvolumen enthalten sind - unserer Meinung nach sind die Daten also für die meisten Markenhersteller hilfreich.
Verhalten von Umsatz- und Klickrate der jeweiligen Top-3-ASINs bei abnehmendem Keyword-Rank:

Movesell
Mögliche Interpretation bei abnehmendem Suchvolumen:
- Relevanz der Top-2-Rankings nimmt stetig zu (bis Suchanfragen recht speziell werden)
- Relevanz der Top-2-Rankings für Top-Suchbegriffe ist exorbitant geringer als für nischige Suchbegriffe (im Maximum ca. 27 Prozent vs. 67 Prozent Umsatzanteil)
- Relevanz von Position drei fast gleichbleibend
- Im Mittel beachtlicher Umsatzanteil der Top-3 von über 40 Prozent bis hin zu 77 Prozent im Maximum
Mögliche Erklärungen:
- Die Top-Suchbegriffe sind allgemeiner und stellen selten eine spezifische Suchintention dar, das heißt, der Besucher steigt damit zunächst in das Stöbern ein.
- Für Top-Suchbegriffe gibt es in der Regel auch deutlich mehr Angebote und somit Auswahl.
- Position drei auf mobilen Geräten in der Regel nicht "above the fold", das heißt, kann oft nicht direkt geklickt werden, deshalb kaum Relevanz-Zunahme.
Mögliche Erkenntnisse für das Amazon Marketing
- Longtails dominieren: Möglichst alle passenden Long-Tail-Keywords identifizieren, regelmäßig neue Amazon Suggests finden, Content-Relevanz erzeugen, Content-Relevanz regelmäßig prüfen.
- Vorsicht bei der Bewerbung von hochfrequentierten allgemeinen Keywords.
- Interpretation von Umsatzschwankungen: Umsatz auf ASIN-Ebene kann beispielsweise durch Abstieg von Ranking-Position eins auf Ranking-Position zwei bei einem wichtigen Keyword merkbar sinken - deshalb durchdachtes Monitoring für Ranking-Veränderungen aufsetzen.
- Direkt sichtbare Produkte auf Amazon (above the fold) ziehen einen Großteil des Klick- und Umsatzvolumens - folglich ist die Macht von Advertising für die Suche enorm.
2. Kernbereich: Soziodemografische Daten
Ähnlich wie man es von Facebook Analytics für Social Media oder Google Analytics für Online Shops kennt, lassen sich nun auch auf Amazon die Kunden der eigenen Marke über den Reiter "Demographics" analysieren (bisher nur in den USA auf Amazon.com verfügbar).
Diese fünf Gruppen werden grafisch aufbereitet und lassen sich grafisch filtern:
- Alter (Age): sechs verschiedene Altersgruppen
- Haushaltseinkommen (Household Income): von unter 50.000 US-Dollar bis über 250.000 US-Dollar
- Bildung (Education): von "weniger als weiterführende Schule" bis "Master-Abschluss"
- Geschlecht (Gender): Überzeugen Sie ohne Absicht durch die Aufmachung der Bilder und das Wording überwiegend nur ein Geschlecht?
- Familienstand (Marital Status): Wie viele Kunden sind alleinstehend oder verheiratet?
Verknüpfen Sie die neuen Daten und reflektieren Sie, ob Sie diese Kundenstruktur erwartet haben, diese mit Ihrem Amazon Advertising und Content ansprechen (wollen) und inwieweit sie sich mit der Struktur aus Social Media, Online Shop und stationärem Handel deckt.
Tipp: Jeder Vertriebskanal sollte im Marketing - unter Wahrung des Marken-Images - möglichst spezifisch behandelt werden. Leiten Sie aus den Daten Buyer-Personas für Ihre Marke auf Amazon ab und erstellen Sie Audiences für Ihr Performance Marketing auf Facebook, Instagram und YouTube.
3. Kernbereich: Produktvergleich
Amazon ist Experte darin, potenziellen Kunden passende Produkte vorzuschlagen. Bisher konnte man über die von Amazon automatisch generierten Bereiche wie "Kunden, die diesen Artikel angesehen haben, haben auch angesehen", "Mit ähnlichen Produkten vergleichen" und "Wird oft zusammengekauft" grob ableiten, wofür sich Besucher der eigenen Produktseiten interessieren.
Mit dem Artikelvergleich (Item Comparison) erhalten wir nun offizielle Daten über das Suchverhalten unserer potenziellen Kunden. Dabei werden die ASINs der eigenen Marke jeweils den fünf am häufigsten verglichenen ASINs gegenübergestellt.
Annahmen: Die ASIN-Vergleiche innerhalb eines 24-stündigen Zeitraumes (Definition bei Sessions) werden aggregiert. Herkunft und Reihenfolge der Sessions auf den einzelnen ASINs sind unerheblich, das heißt, User können über die SERPs, Kategorieseiten, andere Produktdetailseiten, über Google oder Direktlinks kommen.
Die Tabelle in der Amazon-Markenanalyse enthält jeweils drei Informationen: ASIN, Produkttitel und prozentualer Anteil der Sessions auf Vergleichsprodukten. Amazon definiert Letzteres wie folgt: "Wie häufig (in Prozent) dieses Produkt von Kunden angesehen wurde, die am gleichen Tag auch Ihr Produkt angesehen haben."
Erkenntnisse für Amazon SEO und Amazon PPC
- Relevante Produkte für Sponsored Products mit Produktausrichtung (PDA in AMS) finden.
- Schwächen von verglichenen Konkurrenzprodukten identifizieren (zum Beispiel über Rezensionen und Fragen) und die eigenen Stärken diesbezüglich auffällig herausstellen.
- Stärken von verglichenen Konkurrenzprodukten adaptieren (zum Beispiel bessere Präsentation der Eigenschaften in den Produktbildern).
- Cross-Selling der eigenen Marke verstehen und gegebenenfalls verbessern.
- Magnet-Produkte identifizieren, die den Traffic auf andere Produkte verteilen: Zum Beispiel zieht sich bei Variantenfamilien häufig die Top-Variante zunächst den meisten Traffic und leitet diesen teilweise an andere Varianten weiter (deshalb wird die Top-Variante im Artikelvergleich oft das Nr. 1 Vergleichsprodukt für alle anderen Varianten sein).