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Leerer Geldbeutel
Digitaler PoS 06.07.2022
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Bargeldauszahlung Wie der Handel die Bevölkerung mit Bargeld versorgt - und dafür zahlen muss

Shutterstock / Fongbeerredhot
Shutterstock / Fongbeerredhot

Bargeldloses Zahlen boomt, dennoch sind wir von einer Welt ohne Scheine und Münzen noch weit entfernt. Der POS wird aber immer mehr zum Ort, an dem die Kunden nicht nur Geld lassen, sondern auch welches einstecken. Das hat zu einer skurrilen Entwicklung geführt.

2003 führte die Supermarktkette REWE einen praktischen Service ein: Kunden konnten ihre Einkäufe an der Kasse nicht nur mit einer EC-Karte bezahlen, sie konnten sich auch zusätzlich noch Bargeld auszahlen lassen, wie an einem Geldautomaten. Was damals ungewöhnlich war, ist heute Alltag: "In 2003 haben nur Rewe-Supermärkte diesen Service angeboten. Inzwischen sind es 4 von 5 Lebensmittel- oder Drogeriehändler", erklärt Horst Rüter, Zahlungsexperte beim EHI und Autor der EHI-Studie "Zahlungssysteme im Einzelhandel 2022", die soeben erschienen ist.

Fast zehn Prozent der Bar-Einnahmen werden wieder ausgezahlt

Knapp 90 Prozent aller vom EHI befragten Unternehmen bieten Kunden Bargeldauszahlungen an. Dabei ist die Auszahlung von Guthaben auf einer Debit-Karte die Regel, manche Händler akzeptieren auch eine Kreditkarte. Nach Erkenntnissen des EHI liegt der durchschnittliche Auszahlungsbetrag bei 95,25 Euro (Vorjahr: 94,67 Euro). Insgesamt zahlen die Unternehmen 9,96 Prozent ihres gesamten "vereinnahmten" Bargeldumsatzes wieder an ihre Kundschaft aus.

Dieser Anteil sei im Verlauf der Corona-Pandemie deutlich gestiegen. 2019 habe er noch bei 2,8 Prozent gelegen, sei aber in 2020 auf 6,24 Prozent gestiegen. Der momentane Anteil entspricht damit gut 4 Prozent des Gesamtumsatzes (bar und unbar) dieser Unternehmen. In einer Pressemitteilung schreibt der EHI: "Insbesondere in ländlichen Regionen, in denen die Bargeldversorgung über Geldausgabeautomaten der Kreditwirtschaft oder alternativer Anbieter schwierig ist, haben Kunden den Bezug von Bargeld über den Handel schätzen gelernt."

Warum Gebühren?

Daraus leitet das Institut Forderungen ab. In den Augen des Instituts übernimmt der Handel eine zunehmend wichtigere Rolle bei der Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld - und muss dafür auch noch Gebühren zahlen, im Mittel 0,13 Prozent. In der Pressemitteilung heißt es dazu: "Der Handel hält diese Kompensation allerdings für nicht gerechtfertigt, weil der Cashback-Service eine Entlastung der Kreditwirtschaft bedeutet. Diese hat dadurch nämlich die Möglichkeit, vermehrt Geldausgabeautomaten abzubauen und Kosten zu reduzieren."

Eine Untersuchung des Research-Teams des Statistik-Portals Statista kommt allerdings zu einer anderen Einschätzung: "Gemäß einer Umfrage der Deutschen Bundesbank lassen sich die Deutschen über 80 Prozent der Geldbeträge, die sie jährlich abheben, am Geldautomaten auszahlen. Lediglich 2 Prozent der Auszahlungen erfolgt demnach an Point of Sale-Terminals."

Zahl der Automaten sinkt nicht

Auch das vom EHI vermutete Einsparpotenzial bei der Zahl der Geldautomaten scheint die Kreditwirtschaft nicht zu nutzen: Laut Statista stieg die Zahl der Geldautomaten in Deutschland von 2001 bis 2020 langsam und kontinuierlich an, von 49.620 auf 61.126. Bemerkenswert in der sehr gleichmäßigen Kurve ist lediglich ein Ausreißer in den Jahren 2016 bis 2018, in denen der ausgewiesene Bestand schlagartig erst um rund 8.000 Geräte anstieg und dann wieder um denselben Betrag zurückging. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich dabei um eine statistischen Anomalie handelt.

Dass die deutsche Kreditwirtschaft ihr Netz von Bargeldautomaten auf Kosten des Handels kurzfristig signifikant ausdünnen wird, ist aus einem anderen Grund eher unwahrscheinlich. Ende 2021 lag der Anteil der Deutschen, die Onlinebanking betreiben, erst bei rund 50 Prozent. Und in einer Zeit, in der Kreditinstitute ihr Filialnetz immer weiter ausdünnen bleibt denen, die ihre finanziellen Dinge nicht online regeln, oft nur eins: Der Gang zum Self-Service-Automaten, der Kontoauszüge ausspuckt - und bei Bedarf auch Bargeld.  



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