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Payment 16.06.2023
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Analyse OLG Hamburg erklärt indirekt Inkasso-Gebaren der ganzen Branche für rechtswidrig

Shutterstock/Andrey_Popov
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Das Inkasso-Gebaren der Otto-Tochter EOS Investment wurde vor dem OLG Hamburg als rechtswidrig eingestuft. Sollte das Urteil vom BGH bestätigt werden, wird das die gängige Vertragspraxis der ganzen Branche infrage stellen. Eine Analyse von IW-Redakteur Jochen G. Fuchs.

Das Inkasso-Gebaren des Otto-Group-Unternehmens EOS Investment GmbH ist laut einem Urteil zu einer Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale-Bundesverbands (vzbv) des Hanseatischen Oberlandesgerichts rechtswidrig, berichtet die SZ.

Brisant an dem Urteil: Die vom Gericht beanstandete Vertragspraxis ist die Basis für die überwiegende Mehrheit aller Inkassoverträge in Deutschland. Die Inkassounternehmen berechnen UnternehmerInnen in der Regel in keinem Fall Kosten für Inkassoaufträge, sondern reichen ihre Honorarrechnungen direkt an die VerbraucherInnen weiter. Im Falle des Misserfolgs fallen keine Kosten an, was EOS jetzt zum Verhängnis wurde.

Inkassokosten von EOS sind eine fiktive Schadensposition

Das Gericht erklärte in seinem Urteil die von EOS an Verbraucher berechneten Inkassokosten für rechtswidrig.

EOS Investment bündelt Forderungsabtretungen und lässt sie dann von EOS DID einziehen. Wie allgemein in der Inkassobranche üblich, ist die Vergütungsstruktur in den Verträgen so aufgebaut, dass die AuftraggeberInnen nicht für den Auftrag bezahlen, sondern im Erfolgsfall den VerbraucherInnen ein Honorar auf den eigentlichen Schuldbetrag aufgeschlagen wird. 

Die VerbraucherInnen seien zwar sämtlich mit ihren Zahlungen in Verzug und deshalb grundsätzlich zum Ersatz von Rechtsverfolgungskosten verpflichtet gewesen, erklärte das Gericht. Aber eben nur, wenn die Kosten auch wirklich anfallen. Das ist nach Auffassung des Gerichts aber wegen der Vergütungsstruktur von EOS nicht der Fall. Es handele sich lediglich um eine fiktive Schadensposition, für die kein Ersatz beansprucht werden könne.

VzbV: Unternehmen dürfen sich nicht auf dem Rücken von VerbraucherInnen bereichern

"Unternehmen dürfen sich nicht auf dem Rücken von Verbraucher/innen bereichern", teilte vzbv-Vorständin Ramona Pop der SZ mit. Viele der betroffenen VerbraucherInnen würden finanziell ohnehin schon stark unter Druck stehen. "Ihnen künstlich erhöhte Kosten durch Inkassobüros abzuknüpfen, darf nicht sein." Es sei daher gut, dass das Oberlandesgericht dem nun einen Riegel vorgeschoben habe, "Das Urteil ist ein Signal für die gesamte Branche: Auch andere Unternehmen müssen sich daran orientieren", sagte Pop in der Süddeutschen weiter.

EOS will Revision vor dem BGH: Eher aussichtslos 

EOS hat angekündigt vor dem Bundesgerichtshof gegen die Entscheidung des OLG Hamburg in Revision zu gehen gehen.

Die Aussichten für eine Revision sind für EOS, und damit für die ganze Branche, eher schlecht. Das BGH hat 2019 in einem anderen Fall mit ähnlicher Problemstellung deutlich gegen das Inkassounternehmen und die fiktive Schadensposition entschieden. (BGH, NJW 2019, 1759, Rn. 15, 23ff.)

Der Infodienst Schuldnerberatung hat 2020 das grundlegende Problem an der üblichen fiktiven Schadensposition in den Inkasso-Verträgen anhand eines juristischen Aufsatzes von Dr. Malte Hartmann (ZRP 2020, S. 12) erläutert:

"Weit verbreitet sei die Vereinbarung von Erfolgshonoraren sowie die Abtretung des Anspruchs auf Erstattung einer vereinbarten RVG-Vergütung an Erfüllung statt. Bei beiden Konstrukten sei von vorneherein klar, dass die Schadensersatzforderung rein fiktiv bleibt und „dem Gläubiger unter keinen Umständen in Rechnung gestellt werden wird“. Vertraglich ist gewährleistet, dass der Gläubiger die vereinbarten Rechtsverfolgungskosten „auch bei gescheiterter Einziehung in keinem einzelnen Fall tatsächlich zu tragen hat“.  Insoweit fehle es dann an einer realen Vermögenseinbuße, „da sich der Gläubiger der Belastung mit der Verbindlichkeit einer Inkassovergütung durch die Erfüllungsabrede in derselben Vereinbarung … zugleich wieder entledige.“ Die rein formal vereinbarte, aber sogleich an Erfüllung statt abgetretene Inkassovergütung stelle sich als rein fiktive Schadensposition dar."

Hartmann geht noch weiter und wird deutlich: "Selbst der Bundesgerichtshof hat in einer strafrechtlichen Entscheidung vom März 2019 ausgeführt, dass eine Geltendmachung von im Innenverhältnis nicht geschuldeten, aber im Außenverhältnis behaupteten Inkassovergütungen eine betrugsrelevante Täuschung darstellt".

Fazit: Die gängige Vertragspraxis der Inkasso-Branche könnte für rechtswidrig erklärt werden

Angesichts dieser rechtlichen Einordnung und der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist es sehr wahrscheinlich, dass der Bundesgerichtshof sich der Meinung des OLG anschließen wird und die fiktive Schadensposition und damit die komplette gängige Vertragspraxis der Inkasso-Branche für rechtswidrig erklärt.

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