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Kolumne Die Rückkehr der Pizza-Ritter: Formt sich eine Rebellenallianz auf Lieferando?

Shutterstock/Tricky_Shark
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Eine Heerschar Pizzaboten fordert unseren Redakteur Jochen G. Fuchs vehement dazu auf, nicht mehr bei Lieferando zu bestellen. Kämpfen Lieferdienste jetzt um den Kundenzugang? Das könnte ein Menetekel für die ganze Plattformökonomie werden.

"Eigentlich sind wir überhaupt nicht mehr bei Lieferando! Keine Ahnung, wieso sie da noch bestellen können", sagt der freundlich-genervt klingende Pizzabote vor meiner Haustür und überreicht mir einen Flyer und einen Rabattgutschein mit den Worten: "Bitte bestellen Sie zukünftig ausschließlich über unsere Website, da gibt's auch 10 Prozent Rabatt". Es folgt wildes Gestikulieren: "Da können Sie auch mit Paypal zahlen, wie bei Lieferando". Zack! Weg war er, der Pizza-Rebell.

Die gleiche Nummer hat er übrigens schon vor einer Woche vor meiner Tür vorgeführt, mittlerweile gelingt ihm der freundlich-genervte Ton und die Klage über den angeblichen technischen Fehler ziemlich gut. 

Restaurants und Lieferdienste wollen vehement Kunden von Plattformen locken

Die Anekdote wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn der Pizzaservice aus der Erzählung der einzige in seiner Zunft wäre, der offensiv bei Lieferandobestellungen seine eigene Website beim Kunden platziert. Nein: Jeder, der in den letzten Wochen bei mir oder bei meinen Bekannten Essen auslieferte, vollzog ein ähnliches Schauspiel, nur mit anderem Text.

Mittlerweile hat auch fast jeder Anbieter in meinem PLZ-Gebiet eine eigene Bestelllösung im Einsatz. Mal ist es ein hemdsärmelig angepasstes Shopsystem, mal ein speziell auf Lieferdienste ausgelegtes E-Commerce-System oder im schlimmsten Fall eine PayPal-Adresse auf dem Flyer als digitale Minimallösung. 

Es führt dazu, dass ich bei meinen Stammlieferanten schon seit einiger Zeit immer direkt bestelle und auf Lieferando nur noch nach neuen Lieferdiensten Ausschau halte. Die SEO-Kenntnisse sind bei den Lieferdiensten dünn gesät und deshalb entdecke ich neue Lieferanten auf Lieferando schlicht und einfach schneller und bequemer.  

Welche Mehrwerte liefern die Plattformen den Lieferdiensten überhaupt noch? 

Es stellen sich mir zwei Fragen: Werden die Plattformen irgendwann in der Zukunft auf den Aspekt Discovery reduziert und welchen Mehrwert liefern die Plattformen aktuell noch den Restaurants?  

Die Essenslieferanten haben sich diese Frage wohl auch gestellt, den Kampf um den Kundenzugang aufgenommen und sind dabei den Mehrwert der Plattformen auf den reinen Kundenzugang zu reduzieren. Die Bestellungen kann mittlerweile jeder Lieferant technisch selbst abwickeln. Es gibt viele professionelle Software-Lösungen für Lieferservices, die in der Pandemie sichtbarer geworden sind und viele kleine Agenturen haben den Pizzadienst als Kunden für Open-Source-Shoplösungen entdeckt. Der Markt für Gastro-Abwicklungssysteme scheint deutlich gewachsen zu sein, ich warte auf die erste Studie, die Marktanteile beziffert und mein Bauchgefühl mit harten Fakten bestätigt.

Was bleibt den Plattformen, falls die Lieferdienste wegbrechen?

Fällt der Mehrwert Transaktionsabwicklung weg und die Lieferdienste gewinnen den Kampf um den Kundenzugang, dann bleibt nur noch die zusätzlich aufgebaute Lieferinfrastruktur in den Großstädten.

Also genau die Infrastruktur, für die mittlerweile alle Plattformen alternative Verwendungsmöglichkeiten suchen und mit Lebensmittellieferangeboten experimentieren. Einerseits könnte es schlicht der Versuch sein, weitere Erlösströme zu generieren - oder andererseits ein weiteres Anzeichen, dass die Plattformen einen Trend zur Abwanderung wahrnehmen.

Eine große Abwanderung von Lieferdiensten weg von den Plattformen, hin zu eigenen Systemen, könnte ein Menetekel für die gesamte Plattformökonomie sein. Verlangen Plattformen ihren HändlerInnen zu viel ab und generieren zu wenig Mehrwert, nehmen sie den Kampf um den Kundenzugang wieder auf. Oder um in der Eingangsmetapher zu bleiben: Auch eine kleine Rebellenallianz, kann einen großen Todesstern zu Fall bringen.

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