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Moonova 2023 Roundtable: So kann Internationalisierung über Online-Marktplätze funktionieren

Shutterstock/Pla2na
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Es gibt kein Patentrezept für den Cross Border Commerce. Klar ist nur: International verkaufen heißt nicht, sich mit Komfortländern wie Österreich zufriedenzugeben. Wie es auch mit dem Angstgegner USA funktionieren kann, zeigen Snocks und Reima.

Hin und wieder mal ein Paket nach Österreich verschicken - dass das nicht die Definition von Cross Border Commerce ist, ist eigentlich allen klar. Trotzdem ist das Thema bei deutschen Händlern und Brands noch nicht da, wo es sein sollte - nämlich ganz oben auf der Agenda. Gerade Online-Marktplätze eignen sich für die Internationalisierung bestens. Was dabei die passende Strategie ist, diskutierten unter Moderation von Ingrid Lommer, Redakteurin und Marktplatz-Spezialistin bei INTERNET WORLD, die Plattform-Expertinnnen und -Experten Giuliana Prinz, E-Commerce Coordinator Marketplaces bei Reima Europe OY, Melanie Bondza, Teamlead Marktplätze bei der Snocks GmbH, sowie Thomas Natkowski, Partner eStrategy Consulting GmbH, auf der Moonova 2023.

Die Herausforderungen

Dass Cross Border gerade ein Trend ist, der nicht mehr wegzudenken ist, bestätigt Thomas Natkowski. Fast 60 Prozent Anteil am Cross Border-Volumen haben Marktplätze; gerade in der Pandemie erfuhr der internationale Verkauf über Plattformen überproportionales Wachstum; große Plattformen wie Amazon und eBay bieten entsprechende "interne Lösung" längst mit an.

Planen Händler oder Brands die Expansion ins Ausland, empfiehlt Natkowski, rechtzeitig Faktoren wie die Markenbekanntheit, die Bezahlvorlieben der Kunden, die Logistik und die Infrastruktur des Landes, die Sprachvielfalt und den Sprachzugang zu evaluieren. In Sachen Plattformen müsse genau analysiert werden, welche Marktplätze im jeweiligen Land dominieren, in Frankreich etwa neben Amazon auch Cdiscount. Genau solche lokalen Player müsse man ins Auge zu fassen. Es könne gar eine Strategie sein, in Länder zu gehen, in denen Amazon nicht so stark ist; in Polen ist das etwa der lokale Champion Allegro. Das sei am Ende natürlich ein anderer Aufwand, aber man könne in seiner Nische wertvolle Marktanteile holen, meint der Experte von eStrategy. "Es gilt, erst den Marktplatz und dann das Land zu verstehen. In jedem Fall kann es sich lohnen, Support aus dem Zielland zu holen."

Snocks: Aller guten Dinge sind drei

Für Snocks ist Deutschland der wichtigste Markt, gefolgt von Amazon Pan-EU mit 7 Prozent des Umsatzes sowie UK und Zalando ZFS (Zalando Fulfilment Solutions). Vor wenigen Wochen nun startet Snocks in den USA via Amazon: "Irgendwann ist größeres Wachstum in Deutschland nicht mehr möglich. Wir mussten also internationaler werden", erklärt Melanie Bondza. "Die Wahl fiel auf die USA, weil es schlicht der größte Markt ist."

Die Expansion in die USA ist bereits der 3. Anlauf, muss Bondza eingestehen. Bislang sei man zufrieden. Es gebe viel mehr Möglichkeiten im Amazon-Ads-Bereich etwa. "Es ist aber wichtig zu sagen, dass man auf jeden Fall step-by-step vorgehen muss und nicht alles auf einmal schaffen kann. Was in Deutschland funktioniert, funktioniert nicht unbedingt in den USA. Vorbereitung ist das A und O." Das sei laut Bondza auch der Fehler der Vergangenheit gewesen: "Wir haben damals den klassischen Copy-Paste-Fehler gemacht. Wir wollten Produkte, die in Deutschland gut liefen, 1:1 in die USA kopieren. Das geht aber gerade im Größen- oder Farbbereich nicht." Aus den Fehlern gelernt, ist Snocks daher aktuell auch nur mit 3 Produkten in den USA vertreten, zudem werden nicht mehr EU-Größen, sondern US-Größen angegeben. Zudem gibt es jetzt auch ein eigenes Team, das sich in Vollzeit um das USA-Projekt kümmert. Für die drei Produkte wurden bereits über 300 PPC-Kampagnen angelegt.

"Am Ende hängt es an den Kleinigkeiten. Die USA sind ein riesiger Markt, quasi 50 einzelne Märkte, wenn man so möchte. Man kann dort sehr schnell viel Umsatz machen und wachsen. Das geht aber nicht mit Profitabilität einher. Man muss am Anfang investieren, auch ins Branding. Da ist man nicht gleich profitabel und braucht daher einen langen Atem. Jetzt haben wir aber ein komplett anderes Mindset", so die Learnings der Marktplatz-Expertin von Snocks. Für den aktuellen Versuch gebe man sich daher auf jeden Fall ein Jahr.

Grundsätzlich ist Melanie Bondza von Marktplätzen als Startpunkt für Internationalisierungsbestrebungen überzeugt. Gerade für kleinere Brands mit wenig Markenbekanntheit sei ein solches Vorgehen das gut geeignet. "Marktplätze first, danach Internationalisierung über Webshops", so ihr Fazit.

Reima: Nordic by Nature

Der Vorteil der finnischen Brand Reima ist, dass diese von Haus aus recht international aufgestellt ist. "Europa ist ein großer Marktplatz für uns", betont auch Guiliana Prinz. Von Polen aus würden beispielsweise alle E-Commerce-Shops und das Wholesale-Geschäft betreut werden. Der Verkauf nach Deutschland sei daher bereits ein Cross-Border-Thema. Aktuell sitzt Reima am Projekt Skandinavien. Dieses hänge in Sachen Marktplätze im Vergleich zu Deutschland tatsächlich noch hinterher, eine Challenge der anderen Art.

Grundsätzlich achte man bei der Expansion auf die Markenbekanntheit in anderen Ländern. Auch das Logistikthema spiele eine Rolle bei der Auswahl. Spannend in Skandinavien: Dort liefert man kaum mehr an die Haustüre, sondern nur noch in Pick-up-Boxen.

In Sachen Amazon komme man indes an den USA nicht vorbei, bestätigt auch Prinz: "Wenn wir das mit dem deutschen Amazon-Geschäft vergleichen, prallen da Welten aufeinander, etwa beim Thema Wettbewerber." Prinz ist des Weiteren aber auch von Zalando überzeugt. Internationalisierung werde einem hier sehr einfach gemacht, man müsse einfach das neue Land hinzuholen und schon könne man vergleichsweise gefahrlos testen. "Zalando hat eine hohe Markenbekanntheit, das kommt einem hier zugute". 

Herausfordernd für Prinz ist indes die Schweiz. "Die Schweiz ist ein fantastisches Land, was Marktplätze angeht. Aber in die Schweiz zu verschicken, ist schwierig; es gibt die Zoll-Problematik beispielsweise, andere Preise, andere Versandkosten etc. Das spielt am Ende auch in die Sortimentsgestaltung mit rein. Man benötigt in jedem Fall ein guten und starken Partner in der Logistik."

Ein fun fact hinsichtlich Sortimentsgestaltung: Skandinavische Länder kleiden ihre Kinder etwa gerne in schwarze Kleidung - was hierzulande eher unüblich ist. Das müsse man im Produktsortiment beachten.

Warum trauen sich so wenige?

Bei all den Erfolgs-Cases zeigt die Praxis dann doch: Es trauen sich zu wenig Händler in die USA; die Wenigsten kommen über Österreich hinaus. Thomas Natkowski: "Der Verkauf nach Österreich ist für die Meisten mit dem geringsten Aufwand verbunden. Das Thema Internationalisierung ist damit quasi abgehakt. Ich muss keine Produktdaten anpassen, kann meinen deutschen Kundenservice nutzen und hab keine steuerlichen Probleme. Österreich ist einfach schön leicht für den ersten Schritt, alles andere ist komplizierter. Man muss sich mit einem komplett neuen Set-up beschäftigen, mit Fulfillment-Fragen, Implementierungen etc; die Rüstkosten und die betrieblichen Anforderungen schrecken schnell ab, sodass sich viele fragen: Lohnt sich der Aufwand?"

Die Frage muss am Ende jeder Händler und jede Brand für sich beantworten. Ein Patentrezept für die Internationalisierung gibt es nicht. In einem waren sich dann alle einig. Das Thema Steuern kann zum Showstopper werden. Zwar würden sich die Marktplätze hilfsbereit zeigen und Seller unterstützen. Insofern es kein ausreichend großen Inhouse-Financing-Team gebe, empfehle sich aber dringend, externe Experten hinzuzuholen und regelmäßig alles gegenchecken zu lassen.

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