
Pieter Haas Was der Ceconomy-Boss von Robotern hält
Seit 2016 ist der gebürtige Niederländer Pieter Haas CEO der MediaMarktSaturn Retail Group.
Seit 2016 ist der gebürtige Niederländer Pieter Haas CEO der MediaMarktSaturn Retail Group.
Verkaufsroboter, Virtual Reality - aber auch echte Menschen, die nach Hause kommen, und den Smart-TV einrichten: Wie MediaMarktSaturn in der digitalen Zukunft bestehen will, verrät CEO Pieter Haas.
Die MediaMarktSaturn-Gruppe hatte lange ein sprödes Verhältnis zum Internet. Doch seit einigen Jahren geben die Ingolstädter auf allen Online-Kanälen Vollgas. Dabei setzt man - auch um das Geschäft der stationären Märkte nicht zu gefährden - auf Multichannel-Commerce. Auf der dmexco spricht MediaMarktSaturn-Chef Pieter Haas über den Handel in einer digitalen Welt. Welche Herausforderungen sich dabei für ihn stellen, hat er vorab in einem Interview verraten.
Im Rahmen der dmexco Conference diskutieren Sie mit Ron Johnson, der fast schon das Gegenteil von E-Commerce macht: Er schickt Leute zu den Kunden, die ihnen ihr Smartphone einrichten. Wie passt das zur Digitalisierung?
Pieter Haas: Es passt nicht nur, es ist "Digitalisierung". Ron Johnson zeigt mit Enjoy, wie man mit Menschen für Menschen das digitale Leben vereinfacht. Und dieses Leben ist ein permanentes "Verbinden" von Digital und Analog, von Online und Offline. Und genau das hat Enjoy in den USA gemacht: online bestellen und sich das Gerät dann im Café oder am Arbeitsplatz einrichten oder erklären lassen. Wir bieten das mit Media Markt, Saturn und der Deutschen Technikberatung in Europa - in unseren Märkten, Online, Mobile oder beim Kunden zu Hause.
Media Markt Saturn hat ja eine wechselvolle Geschichte im digitalen Handel. Ihre ersten Ansätze wirkten eher getrieben vom Versuch, das Geschäft Ihrer stationären Märkte bloß nicht zu stören. Wo steht die Gruppe heute?
Haas: Wir haben uns tatsächlich sehr schwergetan, nach mehr als 30 Jahren Erfolg zu akzeptieren und zu verstehen, dass sich unsere "heile" Welt geändert hatte. Wir mussten nicht nur die Strategie, sondern auch die Kultur im Unternehmen ändern. Wir waren spät, aber nicht zu spät. Heute sehe ich uns ziemlich weit vorne, wenn es darum geht, die Chance der Digitalisierung im Handel umzusetzen. Wir testen Innovationen wie Augmented Reality, kassenlose Stores und Voice Commerce sehr frühzeitig, damit wir bereit sind, wenn sie in Zukunft massentauglich werden. Und wir vergessen auch das Hier und Jetzt nicht. Mit knapp drei Milliarden Euro Online- und Mobile-Umsatz gehören wir zu den größten Online-Händlern in Europa.
Showrooming ist kein wirkliches Problem
Seitdem es E-Commerce gibt, geht die Angst vorm Showrooming um: Kunden nutzen die Beratung im stationären Handel und bestellen dann doch bei Amazon. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Haas: Im Grunde ist es uns egal, auf welchem Kanal der Kunde kauft. Hauptsache, er kauft bei Media Markt oder Saturn. Showrooming ist eine Angstvorstellung aus der Vergangenheit - aus der Zeit als Kunden nach Hause gehen mussten, um Preise zu vergleichen und dann tatsächlich oft online bestellt haben. Heute macht Showrooming gar keinen Sinn mehr - wenn der Händler seine Arbeit richtig macht. Die Preise sind vergleichbar mit Online, und dank elektronischer Preisschilder genauso aktuell. Deshalb kombinieren Kunden heute ganz selbstverständlich die Kanäle miteinander. Genauso normal wie früher Showrooming ist heute "Webrooming": Kunden informieren sich online und nutzen Beratung, Service und sofortige Verfügbarkeit im stationären Handel. Und sie kaufen natürlich auch weiterhin ganz klassisch im stationären Handel. Man sieht zwar Verschiebungen, aber keine komplette Umkehr.
Stichwort Multichannel: Welchen Stellenwert hat dieses Konzept für Media Markt Saturn? Wo sehen Sie noch Potenziale?
Haas: Multichannel ist ein Wort der Branche, nicht der Kunden. Kunden denken nicht in Kanälen, sondern in Marken oder Produkten - ein Kunde kauft bei Media Markt, nicht bei Kanal A oder B. Trotzdem: Im Handel mit Consumer Electronics ist "Multichannel" das "Winning Model". Fast jeder zweite Online-Kunde holt bei uns seine Bestellung in einem Markt ab. Es geht aber nicht nur um Online und Stationär. Jeder neue Kanal macht das Konzept noch spannender: neben Online natürlich Mobile. Und all die Kanäle, die folgen: Vielleicht setzen sich als Nächstes Sprachassistenten wie Google Home durch. Vielleicht auch Virtual und Augmented Reality. Und last but not least: Auch das Zuhause der Kunden wird immer mehr zum Kanal. Der Kunde bestellt von zu Hause, und wir gehen zum Kunden, um Technikprobleme dort zu lösen, wo sie auftauchen. Wir sind da, wo der Kunde uns braucht.
Ein großer Vorteil des stationären Handels ist ja die persönliche Beratung, der Verkäufer, der auch mal ein Produkt präsentieren und erklären kann. Wie kann man diese Experience ins Internet holen?
Haas: Das gelingt zum Glück nur teilweise und muss auch gar nicht das Ziel sein. Natürlich bieten wir auch digitale Service-Angebote und testen Videorezensionen oder Online-Beratungsmöglichkeiten. Aber Fakt ist: Kanäle haben spezifische Vor- und Nachteile. Und Kunden wissen genau, was auf welchem Kanal am besten geht. Was das bedeutet, kennt jeder von uns aus seinem Privatleben: Niemand möchte ein Bundesliga-Spiel auf dem Smartphone anschauen, wenn er es auch auf einem Fernseher tun kann. Gleichzeitig gilt: Niemand navigiert sich auf dem Smart TV bis zur Live-Tabelle, wenn er ein Smartphone zur Hand hat. Und reden mit echten Menschen geht noch immer am besten in der echten Welt, in echten Läden.
Sie machen heute mehr als 30 Prozent des Umsatzes in Deutschland mit Mitgliedern des Media Markt Clubs. Was bringt Ihnen das? Wie können Sie diese Kunden ansprechen?
Haas: Der Media Markt Club und die Saturn Card helfen uns, den Kunden besser zu verstehen, über alle Kanäle hinweg. Wir können ihm dadurch maßgeschneiderte Angebote machen und unser Marketing zielgenauer ausrichten. Dem Kunden hilft das, weil er relevantere Angebote bekommt. Zudem können wir Kunden spezielle Vorteile bieten. Bei Media Markt sind das Überraschungen oder spezielle Events, getreu dem Media-Markt-Motto "Hauptsache ihr habt Spaß". So haben wir beispielsweise im vergangenen Jahr einen Tag lang das komplette Phantasialand für Club-Kunden gebucht. Bei Saturn sind es eher Technikvorteile, weil Saturn als Marke für Technikerlebnis steht.
Roboter können "echte" Mitarbeiter entlasten
Der Verkaufsroboter "Paul" hat es zu einiger Medienberühmtheit gebracht. 2017 allerdings ließ er auf der dmexco-Pressekonferenz die Prominenz im Stich - und schwieg beharrlich. Jetzt mal Hand aufs Herz? Sind Verkaufsroboter im Einzelhandel wirklich die Zukunft, oder ist das eher ein PR-Gag?
Haas: Paul hatte auf der dmexco 2017 noch einen zweiten Auftritt in einem Panel, der ganz hervorragend lief. Aber auf der Pressekonferenz ging tatsächlich nichts. Jetzt wissen wir, dass das Problem die mobile Verbindung zum Internet war. Das passiert im Markt natürlich nicht. Kunden lieben Roboter wie Paul - aber eher als Gag und nicht als Ersatz für einen Menschen. Er gibt den Kunden aber ein Gefühl dafür, was in der Zukunft alles möglich sein wird und genau das erwarten Kunden von Media Markt und Saturn. Wir sehen es als Teil unserer Mission, gemeinsam mit Kunden neue Technologien zu entdecken. Roboter werden sicher eine größere Rolle in vielen Bereichen übernehmen können, sodass unsere "echten" Mitarbeiter Zeit für die komplexeren Beratungsfälle und den "menschlichen Kontakt" haben.
Stichwort Virtual Reality und Augmented Reality: Wie weit sind wir noch davon entfernt, dass diese Technologien tatsächlich den Handel unterstützen?
Haas: Das Team unseres Chief Innovation Officers Martin Wild hat bereits einige Szenarien getestet: Den Virtual Saturn, bei dem man per Virtual Reality einkaufen kann oder die Holotour, bei der einem in der Microsoft-Hololens-Brille die virtuelle Verkaufsberaterin Paula zur Seite stand. Beide sind mit großem Erfolg durch unsere Märkte getourt. Generell liegt das Augenmerk solcher Tests aber darauf auszuprobieren, wie sich das Einkaufen in drei oder vier Jahren verändert. Das mag heute alles noch weit weg klingen, aber bedenken Sie: Die Innovationsgeschwindigkeit war noch nie so hoch wie heute, gleichzeitig wird sie aber nie wieder so niedrig sein!
Das Online Marketing von heute basiert überwiegend auf optischen Inhalten. Wie wird es sich verändern, wenn Voice einen immer stärkeren Impact hat?
Haas: Jedes Medium hat seine eigenen Charakteristika. Das gilt für Einkaufen genauso wie für Werbung und Marketing. Der Kunde wird bestimmen, wie und wofür welches Medium genutzt wird, und wir werden Inhalte daran anpassen. Im Moment sieht es so aus, dass es bei Sprachassistenten vorerst weniger um Kaufen und mehr um Informieren geht. Wenn sich das bestätigt, dann müsste man den Wetterbericht sponsern oder eine Antwort auf die Frage haben: "O.K. Google. Was gibt's Neues bei Media Markt?" Genau das funktioniert übrigens schon!