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Thomas Duhr, BVDW "Der EU-Werbemarkt sollte nicht von den USA aus gesteuert werden"

Thomas Duhr, Vizepräsident des BVDW

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Thomas Duhr, Vizepräsident des BVDW

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Der BVDW und die OWM halten das vorgeschlagene zentrale Steuerungsgremium (Better Ads Experience Program) dreier US-Werbeverbände für hochproblematisch. BVDW-Mann Thomas Duhr erklärt uns die Hintergründe.

Aufruhr in der digitalen Werbewelt: Die drei US-Werbeverbände IAB, 4A's und ANA kämpfen wie die europäischen Kollegen gegen "schlechte" und nutzerunfreundliche Online-Werbeformate. Sie schlagen nun vor, dafür ein "Better Ads Experience Program" aufzusetzen. Es soll Anzeigenformate definieren, die Internetnutzer für inakzeptabel halten und diese Formate quasi auf eine "schwarze Liste" setzen. Branchenteilnehmer wie Agenturen oder Publisher könnten an dem Programm teilnehmen und sich kostenpflichtig zertifizieren lassen. Die Zertifizierung besagt, dass das teilnehmende Unternehmen sich an die Vorgaben des Better Ads Experience Programms hält.

Die US-Verbände haben ihr Anliegen an die Coalition for better ads gerichtet. Das internationale Bündnis formierte sich im Herbst 2016. Zum Verbund gehören Vermarkter wie Google und Facebook, AdTech-Dienstleister wie Appnexus, Branchenverbände wie der BVDW und die World Federation of Advertisers, Werbungtreibende wie Procter & Gamble und Unilever sowie Mediaagenturen wie GroupM oder die Omnicom Media Group. Ihr gemeinsames Ziel: Mit besseren Werbeformaten das digitale Nutzererlebnis verbessern. Das wiederum soll in erster Linie durch das Erarbeiten neuer globaler Standards möglich werden. Dazu haben sie im März dieses Jahres bereits untersucht, welche Desktop- und Mobile-Werbeformate beim Nutzer nicht gut ankommen.

Nun regt sich aber in Deutschland Widerstand gegen das von den US-Verbänden vorgeschlagene Programm. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) haben bereits eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht, in der sie sich besorgt über das US-Vorhaben zeigen.

Die Hauptargumente:

  • "Die deutschen Verbände halten das aktuell von den drei amerikanischen Verbänden vorgeschlagene zentrale Steuerungsgremium (Better Ads Experience Program) für hochproblematisch. Denn es soll indirekt als Gatekeeper für Online-Werbeformate weltweit agieren, indem es eine zentral gesteuerte Zertifizierung und Kontrolle als Schutz für browserbasiertes Filtern von Werbung einrichtet. Der europäische Werbemarkt sollte, genauso wenig wie jeder andere regionale Werbemarkt auf der Welt, von den USA aus gesteuert werden. Den Vorstoß in Form einer aus den USA gesteuerten kostenpflichtigen Zertifizierung lehnen die deutschen Partner ab."

  • "Darüber hinaus weisen OWM und BVDW sowohl die Coalition for Better Ads (CfBA), als auch die beteiligten amerikanischen Verbände ausdrücklich darauf hin, dass digitale Werbemärkte regionale und auch lokale Besonderheiten haben, die bei der Einführung von Zertifizierungen zwingend zu berücksichtigen sind. Dies betrifft sowohl die lokal durchzuführenden Marktforschungen, als auch die Adaption von Werbeformaten und browserbasierten Filterfunktionen für die jeweiligen regionalen Besonderheiten."

  • "Um die Performance und den Output, insbesondere aber die Akzeptanz und die Kommunikation der CfBA in Europa nachhaltig zu verbessern, schlagen BVDW und OWM die Einrichtung eines 'European Chapter' der CfBA vor. Diese Forderung impliziert die Bündelung regionaler Expertise, die Implementierung unabhängiger Entscheidungsprozesse und das Aufsetzen eines eigenständigen Budgets."

Wir sprachen mit Thomas Duhr, Vizepräsident des BVDW über die Hintergründe.

Der BVDW und die OWM lehnen den Vorstoß einer aus den USA gesteuerten kostenpflichtigen Zertifizierung ab. Wie haben Sie diese Ablehnung gegenüber der Coalition for Better Ads zum Ausdruck gebracht?
Thomas Duhr: Der Ablehnung wurde in einem gemeinsamen Gespräch Ausdruck verliehen. Zusätzlich wurde eine schriftliche Stellungnahme verschickt. Der BVDW repräsentiert das IAB in Deutschland und hat über die letzten Jahre gemeinsam mit Partnern und Mitgliedern bereits verschiedene Zertifikate entwickelt, die für Transparenz und Qualität der digitalen Werbung im deutschen Markt sorgen. Die Selbstverpflichtungen und Zertifikate werden permanent weiter entwickelt, derzeit entstehen sogar neue. Verpflichtende Zertifikate für den deutschen Markt, die in den USA entwickelt, ohne Mitsprache deutscher Unternehmen, nutzen hierzulande niemandem.

Warum haben Sie sich dazu nicht auch den IAB Europe als "Verbündeten" gesucht? Wenn der BVDW und die OWM ein "European Chapter" vorschlagen, ist es doch naheliegend, das auf europäischer Verbandsebene zu organisieren.
Duhr: Das IAB Europe ist in unsere Überlegungen intensiv und frühzeitig eingebunden. Das IAB Europe erhielt den Text, den Sie vorliegen haben, bereits eine Woche vorher.

Welche Chancen rechnen sich der BVDW und die OWM aus, dass es ein European Chapter der Coalition for Better Ads geben wird?
Duhr: Wir können keine Prognose äußern, wir hoffentlich natürlich sehr, dass unsere Stimmen gehört werden. Schließlich vereinen BVDW und OWM einen Großteil der deutschen Werbebranche in sich.

Haben Sie schon ein Konzept, wo dieses European Chapter angesiedelt sein soll? Oder andere Details dazu?
Duhr: Das besprechen wir zunächst intern, das heißt innerhalb der europäischen Verbände und der CfBA. Wir werden die Öffentlichkeit regelmäßig auf dem Laufenden halten. Uns ist sehr an einem transparenten Prozess gelegen.

In Großbritannien hat das IAB gerade den "IAB Gold Standard" vorgestellt: Warum übernimmt der BVDW die Idee nicht einfach und treibt damit den Kampf gegen Online-Werbebetrug und für bessere Werbung voran?
Duhr: Der Vorschlag aus dem IAB UK ist sehr lobenswert, aber Alleingänge helfen nicht. Wünschenswert ist eine gemeinsam erarbeitete Lösung, die auch regionale Unterschiede berücksichtigt. Wir verfügen in Deutschland über hervorragend entwickelte Unternehmen der digitalen Wirtschaft, die durchaus in der Lage sind, sich an der Entwicklung von Standards zu beteiligen. Eine simple Copy-Paste-Lösung wäre ein Armutszeugnis für den Standort Deutschland.

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