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Content Recommendation Erfolgreich mit Empfehlungsmarketing

Fotolia.com/MK-Photo
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Längere Verweildauer, neue vermarktbare Reichweite: Kaum ein Publisher kommt heute ohne Content Recommendations aus. Jetzt dringt auch Gruner+Jahr in den Markt.

Der Satz gehört zu Amazon wie die Suchmaske zu Google: "Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch …" heißt es unter jedem ausgewählten Produkt, worauf eine Liste mit zahlreichen Kaufempfehlungen folgt. Wer also bei Amazon einen BBQ-Grillwagen sucht, erhält auch gleich Verweise auf Grillbesteck, Kohleanzünder, Reinigungsbürste oder Fleischthermometer.

Collaborative Filtering heißt dieses Empfehlungssystem. Dabei wird in der Datenbank nach Nutzern mit ähnlichen Vorlieben gefahndet und dann eruiert, welche Produkte diese Nutzer gekauft haben. Die am stärksten nachgefragten Artikel werden als Kaufempfehlung dargestellt.

Sämtliche Publisher arbeiten mit Empfehlungen

Längst ist diese Form des Empfehlungsmarketings nicht mehr nur ein Fall für den E-Commerce. Auch die Verlagshäuser haben erkannt, wie wertvoll es ist, den User mit dem Hinweis auf andere interessante Seiten bei Laune zu halten. So gut wie alle Publisher lassen im Hintergrund Algorithmen laufen, die in Sekundenbruchteilen analysieren, welchen Artikel, welches Bild oder welches Video der User gerade betrachtet, um ihm dann im direkten Umfeld Teaser anzubieten, deren Inhalte irgendwie dazu passen könnten.

Content Recommendation heißt diese spezielle Ausprägung des Empfehlungsmarketings die eine Menge Vorteile verspricht. "Der User bleibt länger auf der Seite, er liest nicht mehr nur einen Artikel, sondern zwei oder drei", sagt Jana Kusick, CEO bei Plista, einem Werbenetzwerk, das sich mit den verschiedenen Formen von Content Distribution auseinandersetzt. Diese internen Links steigern Pageviews und Verweildauer, womit wiederum eine Reichweite entsteht, die zusätzlich vermarktet werden kann. Wie gut dieses System aber tatsächlich funktioniert, hängt davon ab, wie klug der Algorithmus im Hintergrund arbeitet. Denn dass die Empfehlungen schnell danebenliegen können, hat jeder Amazon-Kunde schon erlebt, der sich mit völlig irrelevanten Tipps konfrontiert sah. Peter Sweeney, Gründer und Chef von Primal, einem Datenspezialisten aus Kanada, hat in seinem Blog einen fiktiven Dialog veröffentlicht, der deutlich macht, welche Hürden eine Recommendation-Software aufgrund der Tatsache, dass sie ihr Gegenüber nicht kennt, nehmen muss (siehe Grafik).

Semantische Analysenund Speech-to-Text

Der Wettkampf um eine professionell ausgerichtete Software ist deshalb voll entbrannt. Der IT-Konzern IBM vertreibt ein eigens entwickeltes System, das nicht nur auf ähnliche Inhalte verweist, sondern den User auch auf Seiten führt, von deren Existenz er vorher gar nichts wusste, die ihn aber dennoch interessieren: weitere Artikel, Posts, Sponsored Content, Videos oder White Paper. Mit solchen Empfehlungen könne man den User vergleichsweise einfach auf den unterschiedlichsten Kanälen einbinden, so IBM.

Bei Plista arbeiten 35 Entwickler, um das Content-Recommendation-System kontinuierlich zu verbessern. Berücksichtigt werden in der Analyse die aktuelle Uhrzeit, der Ort, an dem sich der User befindet, die Seiten, die er zuvor nutzte, sowie Themen, die generell gerade in seiner Gegend diskutiert werden. Verschiedene Tageszeitungen stellen im Netz dann noch eigene Regeln auf: Bei manchen darf nicht auf Inhalte verwiesen werden, die bereits länger als 48 Stunden im Netz sind.

Vor wenigen Tagen erst gab Gruner+Jahr bekannt, über seine Tochterunternehmen Ligatus den Anbieter Veeseo, einen der Marktführer im Bereich Content Recommendation, übernommen zu haben. Veeseo arbeitet mit semantischen Analysen und einer Speech-to-Text-Technologie, die Sprache in Videos auslesen kann und auf dieser Basis dann andere Inhalte empfiehlt.

Content Marketing profitiert von dem Trend

"Angesichts der zunehmenden Flut an digitalen Inhalten müssen sich Publisher durch die Relevanz ihrer Inhalte voneinander differenzieren", sagt Klaus Ludemann, Sprecher der Geschäftsführung bei Ligatus. "Und die Erfahrungen der Publisher, die auf unsere Technologie setzen, zeigen mit deutlich gesteigerten Artikel- und Video-Abrufen, dass diese Empfehlungen bei den Usern offenbar sehr gut ankommen."

Als "wichtigen Bestandteil der Video-Strategie" bezeichnet denn auch Andrew Luedders, Direktor Online Platforms Pro Sieben Sat1 Digital, die Veeseo-Technologie. Man habe damit die Klickrate auf die Videos um über 300 Prozent gesteigert, unterstreicht Stefan Lust, Senior Produkt Manager Video bei Axel Springer.

Als zukunftsträchtig gilt dieser Markt auch deshalb, weil er einer anderen aktuellen Entwicklung des Marketings in die Hände spielt: dem Content Marketing. Arne Wolter, stellvertretender Chief Digital Officer bei Gruner+Jahr, sieht hier ein "großes Potenzial" für neue Erlöse. "Immer mehr Werbungtreibende wollen nicht nur bestimmte Produkte bewerben, sondern haben auch eigene editorielle Inhalte, auf die sie gezielt Verbraucherströme lenken wollen", so Wolter. Genau hier lasse sich mithilfe der Content-Recommendation-Technologien ein noch völlig neues Feld der Kundenkommunikation erschließen.

Auch der Werbetrend Native Advertising fügt sich in diesen Kontext. Native Ads sehen aus wie redaktionelle Snippets, verweisen ebenfalls auf andere Artikel oder Videos, sind aber bezahlte Links. Plista hat daraus ein interessantes Geschäftsmodell gestrickt: Weil Verlage in der Regel knapp bei Kasse sind, wird dem Publisher das Content-Recommendation-System kostenlos eingerichtet. Dafür darf Plista einzelne Native Ads zwischen den redaktionellen Empfehlungsboxen vermarkten. Davon haben beide etwas: Die Publisher und Plista teilen sich die Erlöse.

Doch Content-Recommendation-Systeme sind sensible Gebilde. Sie funktionieren nur, wenn dem User auch Inhalte empfohlen werden, die ihm tatsächlich zusagen. Wird seine Geduld strapaziert, leidet das Ansehen der gesamten Website. Möglich, dass sich deutsche Publisher deshalb bald einem neuen Trend beugen müssen. "In den USA", sagt Plista-Chefin Kusick, "verlinken Publisher bereits untereinander - auch wenn sie zueinander in Konkurrenz stehen." Hierzulande ist dies derzeit allerdings noch undenkbar.

Mit Empfehlungen will künftig auch Airbnb punkten: Das Portal, das private Unterkünfte vermittelt, testet derzeit ein neues Tool, mit dem Snmartphone-Nutzern in deren Nähe befindliche Ausflugsziele mit passenden Übernachtungsmöglichkeiten angezeigt werden.

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