
Kaufrecht Verschuldensunabhängige Haftung aus einem Werbeversprechen
Wird ein Produkt mit einem Kompatibilitätsversprechen zu einem anderen Produkt beworben, kann dies leicht als Garantieerklärung verstanden werden. Der Händler haftet in diesem Fall bei Mangelfolgeschäden.
Es ist kein Geheimnis, dass Tintenstrahldrucker relativ preisgünstig verkauft werden, Tintenpatronen aber teuer sind. Diese Preisstrategie machen sich die Anbieter kompatibler Tintenpatronen zunutze, die ihre Tintenpatronen zu einem deutlich niedrigeren Preis verkaufen als dem der Originalpatronen. Deren Hersteller wiederum versuchen, den lukrativen Markt der Austauschpatronen vehement zu verteidigen. In vielen Tintenstrahldruckern ist daher ein Sensor eingebaut. Einfache nicht-originale Tintenpatronen, die keinen speziellen Chip enthalten, lassen sich mit einem solchen Drucker nicht verwenden.
Ein Online-Shop vertrieb Fremdpatronen für verschiedene Druckermodelle. Ein Set aus vier Patronen bewarb der Online-Shop mit der Aussage: "4 Druckerpatronen kompatibel für HP 950XL 951XL SET mit Chip und Füllstandsanzeige funktioniert!!!". Ein Kunde kaufte ein solches Set und musste nach dem Einsetzen der Patronen in seinem Drucker feststellen, dass der beworbene Chip in wenigstens einer der vier Patronen fehlte. Dadurch hatte sich eine Kontaktfeder im Inneren des Druckers verbogen.
Der Kunde verlangte vom Verkäufer der Tintenpatronen den Ersatz der Kosten für einen neuen Druckkopf. Dies lehnte der Verkäufer ab und bot an, die verbogene Kontaktfeder selbst wieder nachzubiegen. Darauf ließ sich der Käufer nicht ein, und der Fall landete vor dem Amtsgericht (AG) Bretten.
Der Händler haftet verschuldensunabhängig
Das AG Bretten gab dem Kläger recht (Urteil vom 21.01.2016, Az. 1 C 362/15). Der Händler habe mit seiner Werbeaussage zur Kompatibilität der Druckerpatronen eine Garantieerklärung abgegeben, für die er verschuldensunabhängig hafte. Wegen des fehlenden Chips sei nicht allein eine der gelieferten Tintenpatronen mangelhaft, zusätzlich habe die Patrone die Kontaktfeder des Druckers verbogen und hierbei einen Mangelfolgeschaden verursacht, für den der Verkäufer der Tintenpatronen Schadensersatz zu leisten habe.
Der Kunde müsse es sich auch nicht gefallen lassen, dass der Händler die Kontaktfeder selbst wieder zurechtbiegen wollte. Dies sei schon gar keine geeignete Reparaturmaßnahme, da sich die Kontaktfeder mit der Zeit wieder zurückbiegen könnte. Vor allem aber sei bei einem Mangelfolgeschaden die Vorschrift des § 439 BGB nicht anwendbar. Das dort geregelte "Recht zur zweiten Andienung" gilt eben nur für einen Mangelschaden (einem Schaden an der mangelhaften Kaufsache selbst), nicht aber für einen Mangelfolgeschaden (einem Schaden an anderen Rechtsgütern des Käufers). Verursacht die Kaufsache einen solchen Mangelfolgeschaden wie hier den Schaden am Druckkopf, ist der Verkäufer nicht berechtigt, zunächst selbst zu versuchen, den eingetretenen Schaden zu beheben.
Unser Tipp:
Der Sachverhalt erscheint alltäglich, doch gerade deshalb ist diese Entscheidung für viele Online-Händler von Bedeutung. Wird ein Produkt mit einem Kompatibilitätsversprechen zu einem anderen Produkt beworben, kann dies - wie im Fall des AG Bretten geschehen - leicht als Garantieerklärung verstanden werden. Ist das Produkt dann doch nicht kompatibel, haftet der Verkäufer verschuldensunabhängig, wobei sich diese Haftung auch auf Mangelfolgeschäden erstreckt. Der vor dem AG Bretten verklagte Händler hatte insofern noch Glück, als der Streitwert nur € 193,99 betrug.
Andreas Brommer
KLEINER RECHTSANWÄLTE