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Online-Marketing Regionale Werbung: Der Kampf ums Lokale

shutterstock.com/Gustavo Frazao
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Regionale Werbung aus Anzeigenblättern oder Tageszeitungen gerät zusehends in den digitalen Fokus. Hierbei ist sie hart umkämpft - vor allem seit Google mitmischt.

Es ist, als habe es die digitale Revolution nie gegeben, als werden wichtige Kapitel der Mediengeschichte immer noch auf der mechanischen Schreibmaschine getippt: Eine soeben veröffentlichte Studie hat ­herausgefunden, dass in deutschen Haushalten Telefon- und Branchenbücher nach wie vor die dominante Rolle spielen.

Wer nach Telefonnummern oder Adressen von Handwerkern suche, tue dies in der Regel in einer gedruckten Publikation, heißt es in der brandneuen Studie der beiden Verbände für Auskunftsmedien, VDAV und VFT. Das Internet mit all seinen Plattformen, digitalen Verzeichnissen, Suchmaschinen und Bewertungsportalen wird der Umfrage nach von deutlich weniger Menschen genutzt.

"Hierfür verantwortlich ist natürlich, dass nicht alle Menschen, insbesondere über 50 Jahre, mit digitalen Produkten vertraut sind, sie aber einen großen Anteil an der Gesamtbevölkerung haben", sagt Daniel Wurl, verantwortlich für Werbung bei dem Verzeichnismedium Das Örtliche.

Print verliert an Bedeutung

Natürlich zeichne sich ungeachtet dessen der Trend ab, dass Print an Bedeutung verliert und die Nutzer zunehmend digital nach örtlichen Unternehmen suchen. "In Ballungsräumen sieht das schon anders aus", sagt Heiko Hanslik, Chef des VFT. "In Berlin nutzen nur noch 25 Prozent die ­gedruckten Ausgaben."

Dennoch: Die nach wie vor hohe Nutzung gedruckter Medien ist für die ­Verlage immer noch lukrativ. Das Geschäft mit regionaler Werbung in Print verschafft ihnen einträgliche Renditen. Handwerksbetriebe, Friseurgeschäfte, Gaststätten bleiben den Telefon- und Brachenbüchern treu und bescheren ihnen Umsätze, die nach Expertenschätzungen rund eine Milliarde Euro pro Jahr betragen.

Menschen, wie Carsten Schmidt, Geschäftsführer der Agentur Winlocal, ­machen solche Zahlen fassungslos. "Es frustriert mich, dass deutsche Unternehmen immer noch viele Millionen ausgeben, um anschließend im Regen zu stehen und nicht abgeholt zu werden", seufzt er und berichtet von Kundengesprächen, in ­denen die Werbeausgaben für gedruckte Telefon- und Branchenbücher seit Jahren als gesetzt gelten.

Kampf um Werbeetats

Wenn Schmidt mit der Beharrlichkeit örtlicher Werbekunden hadert, tut er das nicht ohne Grund. Seine Agentur ist auf regionale Werbung, sogenanntes lokales Online-Marketing, spezialisiert. Sie buhlt damit ebenfalls um die Werbeetats ortsansässiger Kunden, greift allerdings von der digitalen Seite aus an.

Winlocal platziert seine Kunden auf Bewertungsportalen und Plattformen, in digitalen Branchenverzeichnissen, in Apps, auf Google und Facebook. Das Beispiel zeigt, wie intensiv regionale Werbung inzwischen bearbeitet wird. Anzeigenblätter, Tageszeitungen, Branchenverzeichnisse und Radiosender kämpfen, nicht ohne Schärfe, bereits seit Jahrzehnten um die Kunden vor Ort, doch die Budgets waren stets groß genug für ­alle. Die Digitalisierung hat jedoch eine Vielzahl neuer Player  hervorgebracht, die ebenfalls in dem Teich fischen: Portale wie Meinestadt.de oder Kennstdueinen, Plattformen wie Markt.de oder My Hammer, Yelp oder Quoka.

Sie konkurrieren im Netz mit den digitalen Ablegern von Branchen- und Telefonbüchern wie Gelbeseiten.de oder Dasoertliche.de und mit digitalen Portalen von Tageszeitungen und Anzeigenblättern wie Lokalkompass.de oder Meinanzeiger.de. Und neuerdings stürzt sich auch Google mit Verve auf regionale Werbung - gilt gerade dieser Bereich doch als unterentwickelt und ausbaufähig.

Regionale Werbung mittels Panoramaaufnahmen

Der große Konzern Google lässt sich dabei von kleinen lokalen Agenturen unterstützen. Fiebak Medien in Aachen zählt beispielsweise dazu. Die Werbeagentur hat jahrelang für örtliche Kunden Zeitungs­anzeigen entworfen, später Adwords bei Google gebucht und - soweit es die Etats hergaben - die Online-Auftritte regionaler Unternehmen für die Suchmaschine optimiert.

Seit Kurzem nun ist Fiebak ­Medien ganz offiziell Google-Partner und fertigt 360-Grad-Panoramaaufnahmen von Modegeschäften, Restaurants, Sportläden und Zahnarztpraxen an. Diese werden anschließend in Google My Business eingestellt. Früher nannte sich dieses Angebot Google+ Local, später Google Places, jetzt  eben Google My Business. Unter der Dachmarke bietet Google regionalen Werbekunden verschiedene Möglichkeiten, ihr Unternehmen im Web zu präsentieren.

Unterstützung durch Spezialisten

Hier können Geschäftszeiten, Anfahrtswege, Öffnungszeiten und eben auch ­beeindruckende Panoramabilder hinterlegt werden. Über die Verknüpfung mit Google+ fließen Kundenbewertungen in das Unternehmensprofil mit ein, sodass nach kurzer Zeit im Netz eine ansehnliche Visitenkarte existiert, die sofort zum Vorschein kommt, wenn über Google nach der Firma gesucht wird.

Theoretisch kann ein Geschäft vor Ort die Einträge selbst übernehmen, allerdings ist daraus inzwischen eine kleine Wissenschaft entstanden. "Ich kann auch versuchen, mir selbst die Haare zu schneiden und kann auch Google Adwords selber buchen", schmunzelt Schmidt, "aber es ist sicher sinnvoller, sich von einem Spezia­listen dabei unterstützen zu lassen."

Die Beträge, die beim lokalen Kunden für die Sichtbarkeit fällig werden, sind durchaus zu stemmen. Panoramaaufnahmen gibt es beispielsweise ab 300 Euro. "Das ist eine überschaubare Summe", sagt Agenturchef Sebastian Fiebak, "zumal keine weiteren monatlichen Kosten entstehen."

Regionaler Werbemarkt gerät preislich unter Druck

Und dennoch ist um solche Summen ein harter Wettkampf entbrannt. "Der Markt für regionale Werbung ist preislich enorm unter Druck", betont Georg Konjovic, Geschäftsführer des Portals Meinestadt.de.

Denn für die unterschiedlichen Portale und Plattformen geht es derzeit ­darum, ihre Position im Netz zu festigen, gegen Google zu bestehen und sich als Werbepartner zu empfehlen, wenn nach und nach die Kunden aus den ­gedruckten Telefonbüchern und Anzeigenblättern ins Netz abwandern.

Diese Entwicklung vollzieht sich zwar überraschend langsam, aber dennoch unaufhaltsam. "Die Entscheider werden immer jünger, sie sind immer on und ­gehen davon aus, dass das bei allen anderen auch so ist", sagt Heiko Hanslik. "Dieser Trend wird sich deutlich verschärfen."

Digitale Ableger

Theoretisch könnten nun die digitalen Ableger der Telefon- und Branchenbücher die lokale Kundschaft und somit auch regionale Werbung übernehmen, die ihre Etats aus den gedruckten Medien abzieht. Doch die Realität sieht anders aus. "Wir haben jede Menge Online-Produkte", sagt Hanslik. "Wir schaffen es aber nicht, die Verluste zu kompensieren."

Das ist in der Verlagslandschaft kein Einzelfall. Auch die Tageszeitungsverlage oder die Anzeigenblätter haben es bislang nicht geschafft, ihr analoges Geschäftsmodell erfolgreich in die digitale Welt zu übertragen. "Noch hat kein Verlag ein tragfähiges Modell gefunden, mit Online-Angeboten seine journalistischen Leistungen finanzieren zu können", sagt Andreas Müller, Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Anzeigenblätter.

Der Grund: Die Auftraggeber regionaler Werbung experimentieren mit den unterschiedlichsten Angeboten im Web, mit überregionalen und branchenübergreifenden Portalen wie Gelbeseiten.de oder Meinestadt.de, sie gehen in regionale Branchenverzeichnisse wie Diemuenchner.de, versuchen sich auf Plattformen, die sich auf bestimmte Bereiche spezialisiert haben wie Zahnarzt-empfehlung.de oder lassen Geld bei Google oder in sozialen Netzwerken wie Facebook. Der Kunde hat die Wahl, die Anbieter werden in diesem Konkurrenzkampf aufgerieben.

Dabei setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Erfolg auch darin liegen kann, mehrere Plattformen zu bespielen. Die Mitglieder des VFT, eines Zusammenschlusses von rund 20 von der Telekom unabhängigen Telefon- und Branchenbuchverlagen, positionieren sich für die regionalen Werbekunden als Fullservice-Dienstleister. Sie bieten nicht nur die Präsenz in den eigenen Online-Medien, sondern auch auf Google, Facebook oder anderen Portalen an. "Anders geht es nicht", sagt Hanslik.

"Der Informationsüberfluss im Netz führt zu einer hohen Verunsicherung", unterstreicht auch Stephan Theiß, Geschäftsführer der Gelbe Seiten Marketing Gesellschaft. "Deshalb brauchen die Kunde an dieser Stelle Unterstützung. Wir verstehen uns als ihre Begleiter und aktive Mediaberater" - und diese beziehen eben auch mal die Angebote der Konkurrenz mit ein.

Google als wichtiger Zubringer von Nutzern

Bei Winlocal spricht man in diesem Zusammenhang gern von Local Citations. Der Suchschlitz von Google, so heißt es in einem Whitepaper der Agentur, ist die ­erste Anlaufstelle für Fragen nach an ­einem Ort ansässigen Unternehmen, Geschäften und Dienstleistern.

Um mit regionaler Werbung bei der Suche nun oben gelistet zu werden, werden klassische SEO-Maßnahmen ­benötigt, aber eben auch gut gepflegte Firmeneinträge in den relevanten Branchenverzeichnissen. Diese werden von Google als positives Signal gesehen. Das Unternehmen landet dann weiter vorn - und das häufig im Schulterschluss mit digitalen Branchenverzeichnissen: Die Suche nach einem Friseur in Frankfurt kann im Ergebnis beispielsweise über das Verzeichnis Gelbeseiten.de erfolgen.

"Google ist für uns ein wichtiger Zubringer von Nutzern", sagt Stephan Theiß. "Letztendlich profitieren wir von dieser Entwicklung, denn die digitale Reichweite wird vielfach an uns als bekannten und spezialisierten Anbieter weitergegeben", sagt Daniel Wurl von Das Örtliche.

Die Zukunft ist Mobile

Die Position von Google könnte allerdings mit dem Trend zur mobilen Nutzung ein wenig schwächer werden. Denn die Suche könnte sich stärker auf Apps verlagern - eine Chance für Anbieter wie die Gelben Seiten. "Die Zukunft ist Mobile", betont Theiß. "Ich muss es nur schaffen, mit meiner App ins Mindset zu kommen."

Bei regionaler Werbung beginnt es also jetzt, turbulent zu werden. "Grundsätzlich ist es ein Bereich mit viel Potenzial, ­zumal viele lokale Händler und Gastronomen das Internet für sich gerade erst entdecken", so Konjovic. "Richtig interessant wird es, wenn Mobile ins Spiel kommt. Da wird es noch viel Bewegung geben."

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