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Bewegtbildwerbung Das sind die Trends in der Videowerbung

shutterstock.com/emojoez
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Eigene Kreationen, eigene Formate und der Wunsch nach Performance-orientierter Abrechnung: Video-Werbung boomt und entwickelt sich rasant weiter.

Bei manchen digitalen Werbeformen mag die Nachfrage zuletzt ein wenig nachgelassen haben. Video-Werbung ist von solch sinkendem Interesse jedoch nicht betroffen - im Gegenteil. Nach Hochrechnungen des internationalen Verbands IAB (Interactive Advertising Bureau) boomt die Gattung. Die Werbewirtschaft wird ihre Ausgaben für Video-Werbung weltweit in diesem Jahr um 25 Prozent steigern. In Deutschland dürften die Umsätze dann bei 430 Millionen Euro liegen. 

Vor diesem Hintergrund zeichnen sich einige Trends ab. Wir skizzieren die aktuell wichtigsten Entwicklungen.

Video-Werbung wird eigenständig

Die Gattung emanzipiert sich: Online-­Videos werden nicht länger als Abfallprodukt der Fernsehwerbung verstanden, sondern als eigenständige Form. "Es scheint, als ob die Zeiten, in denen der TV-Spot nahezu eins zu eins in den Online-­Video-Bereich übertragen wurde, der Vergangenheit angehören", sagt Sai-Man Tsui, Geschäftsführer der Mediaagentur JOM. "Stattdessen wird Online-Video kreativ als eigenständig betrachtet." Im Idealfall werden aus einer kreativen Leitidee verschiedene Formate für unterschiedliche ­Kanäle, Umfelder und Zielgruppen entwickelt - vom 25-Sekunden-Pre-Roll über das sechssekündige "Bumper Ad" bis zur Instagram Story. Tsui: "Dann sieht eine junge Frau ­Anfang zwanzig einen anderen Spot als der Familienvater mit Mitte fünfzig."

Fokus auf Smartphone

Dies führt auch dazu, dass sich die ­Video-Produktion zunehmend am Smartphone orientiert. Denn dort spielt künftig die Musik. "Besonders stark wird der ­Video-Konsum auf mobilen Endgeräten zunehmen und dazu führen, dass Mobile künftig die Video-Formate vorgeben wird", sagt Ralf Hammerath, CEO bei Adition Technologies. "Statt einem für Mobile Devices ungeeigneten 16:9-Format werden schon bald Mobile-spezifisch optimierte Formate wie Porträt-Mode oder Vertical Videos dominieren." Der Grund: Spots müssen auch im Hochformat funktionieren, wenn sie auf Kanälen wie Instagram und Tiktok funktionieren sollen.

Lautlose Werbevideos 

Sie müssen zudem ohne Ton auskommen können, denn die User hassen es, wenn ein Spot plötzlich lautstark losplärrt. "Eine ­aktuell wichtige kreative Entwicklung ist die Optimierung von Werbemitteln für Sound-off-Situationen", unterstreicht Björn Radau, Director Marketing & Communications bei Teads. "Nutzer wollen nicht ohne Vorwarnung laute Video-Werbung per Autoplay ausgespielt bekommen." Bei der Konzeption von Video-Werbung sollte also berücksichtigt ­werden, dass Textzeilen oder Headlines integriert werden, damit die Botschaft auch tonlos rüberkommt. "Dabei müssen Titel und Texte entsprechend groß in die Videos eingefügt werden, um auch auf kleineren ­Geräten lesbar zu sein", sagt Christoph Gaschler, CEO von Videobeat Networks.

Absage an lange Spots

Eine weitere Empfehlung: Kurz und knackig sollte ein Spot sein, so Björn Radau. Auch dies ist eine Absage an TV-Spots, die in der Regel 30 Sekunden in Anspruch nehmen. So viel Geduld bringt der User meist nicht auf, weshalb immer häufiger mit Videos unter 15 Sekunden experimentiert wird. 

Erst kürzlich hat YouTube ein Tool vorgestellt, mit dem längere Werbevideos automatisch auf Sechssekünder, die "Bumper Ads", gekürzt werden. So kurz muss es nicht in jedem Fall sein, aber, so die Meinung von Ralf Hammerath: "Längere Formate sollten unbedingt 'skippable' sein, also übersprungen werden können. Das muss bei der Krea­tion, ins­besondere dem Storytelling, entsprechend berücksichtigt werden."

Interaktive Werbeformen 

Um den User bei Laune zu halten, testen Werbungtreibende derzeit auch verschiedene interaktive Werbeformen. Dazu zählt beispielsweise die Integration eines Chats in das Werbevideo, um mehr über die Vorlieben des Kunden zu erfahren. Die Modemarke Tommy Hilfiger spielte kürzlich ein Video aus, das den User dazu befragte, ob er ­einen neuen Look finden, einen Blick auf die neue Kollektion oder hinter die Kulissen werfen wolle. Und die ­Automarke Seat präsentierte eine sprachgesteuerte Werbeform. Der User konnte per Sprachbefehl Wünsche zu bestimmten Modell­variationen und Ausstattungsmerkmalen äußern und erhielt daraufhin ein individualisiertes Werbevideo. 

Solche neue Inszenierungen dürften bald häufiger auftauchen. Google hat sich soeben mit der Marke Douglas zusammengetan, um Werbemittel auf seinem Smarthome-Gerät "Nest Hub" zu testen. Das Gerät spielt auf Sprachbefehl verschiedene Beauty-Tutorials von Douglas ab.

Exaktere Abrechnung

Interaktive Video-Formate, darin sind sich Experten einig, sind im Kommen. Dafür sorgen auch technologische Innovationen im Bereich der Video-Ausspielung wie der Standard VAST, auf den sich die Branche geeinigt hat. Dies führt auch ­dazu, dass Impressions besser gemessen werden können und der ­Werbungtreibende genauere Angaben zur Sichtbarkeit und zum Umfeld des Werbe-Videos erhält. Das wiederum dürfte den Druck auf die Vermarkter erhöhen, künftig vermehrt Performance-orientiert abzurechnen. 

"Aufseiten der Advertiser wird immer stärker auf harte Unternehmensergebnisse wie Cost-per-View oder Cost-per-Order geschaut", erklärt Christoph Gaschler. "Entsprechend groß ist der Wunsch, auch solche Kennzahlen abzurechnen. Wir ­erwarten daher, dass sich die Publisher in diese Richtung bewegen - weg vom reinen Verkauf von Ad Spaces hin zu Media Performance KPIs."

Konsolidierung der Vermarkter

Diesem Wunsch dürfte durch die Konsolidierungstendenzen im Bereich der Vermarkter Rechnung getragen werden. "Wir sehen einen Trend zur ­Konzentration in der Vermarktung", sagt Sai-Man Tsui. "Ein Großteil der Video-Werbung wird über die großen amerikanischen Plattformen wie Google oder Facebook vermarktet. Daneben haben wir eine nationale ­Konzentration durch Zusammenschlüsse wie zum Beispiel die Ad Alliance." Von der Ad Alliance wird inzwischen das Portfolio von RTL, Gruner+Jahr, Smartclip und ab nächstem Jahr auch von Media Impact (Springer und Funke) vermarktet.

Automatisierung und Personalisierung 

Neben den steigenden Standards bei der Werbeausspielung ist der automatisierte Ein- und Verkauf von Video-Werbeplätzen der zweite große technologische Treiber der Video-Werbung. Dies könnte ­dazu führen, dass schon bald unterschiedlichen Zielgruppen unterschiedliche Spots gezeigt werden. Björn Radau: "Wir erwarten, dass zukünftig immer mehr kurze Video-Snippets produziert und bereitgestellt werden, an denen sich dann Algorithmen bedienen können, um selbstständig für den User in der jeweiligen Situation den passenden Video-Spot zu erstellen." Da in der programmatischen Ausspielung auch andere Bewegtbildkanäle bedient werden können, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Online-Video allmählich auch in andere Bereiche vordringt: den öffentlichen Raum, wo immer mehr digitale Werbeträger errichtet werden, und das Wohnzimmer, wo der lineare Fernsehapparat nach und nach durch den Internet-fähigen Smart-TV ersetzt wird. Vielleicht unterliegt sogar bald der klassische TV-Spot  den Gesetzen der Online-Werbung. 

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