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Serie, Teil 2 Der Start in die Bewegtbild-Produktion für Social Media

Fotolia.com/Apinan
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Das Buchen und Aussteuern von Video-Kampagnen in verschiedenen Online-­Kanälen erfordert ein klares Bild von der Zielgruppe. So steigt ihr in die digitale Bewegtbildproduktion für Social-Media-Kanäle ein.

Von Kathrin Kaufmann, Senior Strategy und Communication Manager bei der Hamburger Kreativagentur Elbdudler

Facebook-360-Grad-Videos, Rundumsicht auch bei YouTube, dazu VR-Brillen, weltweites Live Video Streaming, Digital Out-of-Home: In immer kürzeren Abständen kommen Innovationen auf den Bewegtbildmarkt, die Aufmerksamkeit generieren sollen. Neue Apps und bessere Kameras übertrumpfen sich regelmäßig, genauso wie neue Tools, Features und ­Anzeigenformate für werbungtreibende Unternehmen. Das "goldene Videozeit­alter" bringt zwar einige Herausforderungen mit sich, aber auch Chancen für kleine und mittelständische Unternehmen. War es früher unmöglich, einen Spot im Fernsehen zu platzieren, gibt es heute eine Vielzahl von Bewegtbildkanälen, die auch mit kleinen Budgets bespielt werden können.

Dabei gilt es, jeweils spezifische Anforderungen zu erfüllen, denn je besser ein Format auf den Kanal zugeschnitten ist, desto erfolgreicher ist es. So erzielen eigens für Youtube produzierte Spots auf der Plattform laut Google eine um sieben Prozent höhere Anzeigenerinnerung als für TV konzipierte Werbevideos. Zudem sind vertikale Videoformate wie bei Snapchat im Kommen: Laut Scientia Mobile ­erfolgen 94 Prozent der weltweiten mobilen Website-Visits im querformatigen Porträtmodus.

Gerade für kleinere Unternehmen besteht die Herausforderung darin, Content für unterschiedliche Kanäle zu produzieren, ohne dass dabei gleichzeitig die Kosten explodieren. Wir haben vier Tipps, die zeigen, wie dies erreicht werden kann:

  • Poolproduktionen planen

Gerade für Always-on Content bieten sich Poolshootings an: Der benötigte Content für alle Kanäle wird beispielsweise für ein Quartal vorausgeplant und an einem Tag produziert. Das spart Set­up-Kosten.

  • Sinnabschnitte konzipieren

Unterschiedliche Kanäle benötigen ­unterschiedlich lange Versionen eines Clips. Daher sollte bereits bei der Konzeption darauf geachtet werden, ein­zelne Sinnabschnitte herauszuarbeiten, die später unabhängig voneinander funktionieren. Komplexe Tutorials können dann in Teilschritte zerlegt werden, die jeweils SEO-optimiert auf Youtube angeboten werden. Starke Momente können so konzipiert werden, dass sie auch für sich allein stehend als Teaser auf ­Instagram funktionieren.

  • Dreh-Setup ausnutzen

Steht das Set, sollte man so viel Bewegtbildmaterial wie möglich in dieser Kulisse produzieren. Warum nicht einen Boomerang für Instagram aufnehmen, Bilder für ein Animated GIF shooten und einen kleinen Teaser mit dem Hauptdarsteller für Snapchat drehen?

  • Material voll ausschöpfen

Das gedrehte Material lässt sich  dann durch verschiedene Schnittvarianten oder Kombination mit anderem Mate­rial für verschiedene Kanäle neu aufbereiten. Ein Beispiel: Porsche sammelte Kurvenfahrten aus unterschiedlichen - auch älteren - Spots und setzte sie zu ­einem spektakulären Instagram-Clip zusammen: ein maximales Ergebnis bei minimalen Produktionskosten.

Jeder Kanal hat seine eigenen Regeln

Die relevantesten Social-Media-Plattformen für Video-Vermarktung sind ­YouTube, Facebook, Instagram, Twitter und Snapchat. Für jeden Kanal sind eigene Logiken und Regeln zu befolgen. Vor allem gilt aber: In jedem Feed, dem jeweiligen Nachrichtenstrom, herrschen eigene Gesetze. Wer Aufmerksamkeit bekommen will, muss quasi im Vorbeiscrollen überzeugen. Das stellt altbekannte Storytelling-Regeln auf den Kopf.

Für den Feed gelten folgende Prinzipien:

  • In drei Sekunden punkten

Die Entscheidung, ob ein Clip weiter angesehen wird, fällt laut Facebook in den ersten drei Sekunden. Hier muss man den Zuschauer vor allem durch starke, visuelle Momente überzeugen.

  • Key Message in zehn Sekunden

Analysiert man das Sehverhalten im Feed, sieht man, dass die Kurve ziemlich steil abfällt. Wer möchte, dass seine Message und sein Branding ankommen, packt diese am besten schon in die ersten zehn Sekunden.

  • Additives Storytelling

Die 10-Sekunden-Regel bedeutet aber nicht, dass man danach aufhören muss. Additives Storytelling meint das Hinzufügen von Elementen zur Story, die für das Verstehen der Key Message zwar nicht unbedingt nötig sind, dieses aber vertiefen.

  • Überzeugen ohne Ton

Autoplay-Videos starten ohne Ton und müssen auch so funktionieren - zum Beispiel über integrierten Text oder über Untertitel. Laut Facebook erhöhen Untertitel die Verweildauer um durchschnittlich zwölf Prozent.

Jeder Bewegtbildkanal funktioniert anders

Jeder Bewegtbildkanal hat darüber hinaus eigene Spezifika, aufgrund der sich bestimmte inhaltliche Anforderungen ergeben. Auf Facebook beispielsweise werden Videos meist automatisch abgespielt und funktionieren am besten im quadratischen Bildformat, da dies im Newsfeed am besten sichtbar ist und das Format auch vertikal genutzt werden kann. Darüber ­hinaus gibt es das Sonderformat 360-Grad-Videos. Die optimale Länge für Videos liegt bei unter einer Minute. Wichtig ist es, die Message in den ersten zehn Sekunden zu vermitteln, zudem müssen Videos auch ohne Ton funktionieren.

Auf YouTube können sogenannte Trueview In-Stream-Anzeigen vor, während und nach Videos geschaltet werden. Dabei handelt es sich um Videoanzeigen, die entweder vollständig wiedergegeben oder nach fünf Sekunden übersprungen werden können. Werbungtreibende zahlen erst nach 30 Sekunden, zusätzlich gibt es nicht überspringbare sechs-Sekunden-Ads. Als Sonderformate stehen 360-Grad-­Videos und 360-Grad-Live-Streaming zur Verfügung. Die empfohlene Länge für ­Anzeigenvideos beträgt zwölf Sekunden bis maximal drei Minuten. Bei YouTube-­Anzeigen ist es ähnlich wie bei Feeds wichtig, in den ersten fünf Sekunden zu überzeugen.

Als Kanalinhalte funktionieren auf YouTube vor allem Tutorials, Talk­formate, Comedy und Influencer-Kooperationen, die eine große Nähe zwischen den Protagonisten und den Zuschauern vermitteln.

Bei Snapchat werden die zehnsekündigen Snaps direkt nach der Aufnahme mit dem Smartphone gepostet und können nicht vorproduziert werden. Außerdem verschwinden sie nach einmaligem Ansehen. Sogenannte Stories, also chronologisch aneinandergereihte Snaps, die für ­alle Freunde sichtbar sind, bleiben 24 Stunden lang online. Bei Snapchat funk­tioniert nur das vertikale Videoformat.

Werbung zu schalten ist von Deutschland aus bisher schwierig, weil ein direkter ­Ansprechpartner bei Snapchat nötig ist. Das Unternehmen hat jedoch eine Schnittstelle für Werbung angekündigt, über die in Zukunft auch Drittanbieter ­Werbeplätze buchen können. Dann können Werbungtreibende über ein Drittanbieter-Tool vertikale Videoanzeigen in den kuratierten "Live"-Stories sowie zwischen zwei Stories von Freunden schalten. Sogenannte Expandable Snap Ads erlauben dann auch die Verknüpfung zu externen Inhalten wie Apps oder mobilen Websites.

Nicht vergessen werden sollten auch ­Instagram und Twitter, die ebenfalls spannende Möglichkeiten für Bewegtbild bieten. Und dann gibt es natürlich noch Live-Kanäle wie Periscope oder Facebook Live, die Werbungtreibenden neue Optionen bieten, sie aber auch vor neue Herausforderungen stellen.

Ausblick: Live wird das nächste große Ding

Das Thema Live-Video beinhaltet eine neue Dimension, mit der sich Unternehmen früher oder später auseinandersetzen müssen. Modemarken, die
ihre Werbeanzeigen mit Livebildern von Modeevents synchronisieren, werden heute schon mit traumhaften Interaktionsraten belohnt. Werbung, wie wir sie heute kennen, wird sich wieder einmal völlig verändern, wenn sich die Live-Video-Dienste auf dem Markt etabliert haben. Interaktives Social Streaming in Kombination mit Influencer Marketing wird die Werbungtreibenden in naher Zukunft intensiv beschäftigen.

Noch ist das klassische Fernsehen nicht tot, doch die Tage des analogen TV sind gezählt. Smartes, nicht lineares Fernsehen ist bereits in vielen Haushalten Standard. Digitale Screens im öffentlichen Raum werden Teil der automatisierten Customer Journey. Die Möglichkeiten, die sich hier den werbenden Unternehmen bieten, sind noch nicht einmal angedacht, geschweige denn umgesetzt.

Sicher ist aber: Markenbildung und ­Programmatic Advertising gehören zusammen. Um Kunden erfolgreich von Marken zu überzeugen, werden synchronisierte Cross-Screen-Kampagnen, also Kampagnen über mehrere Geräte, bald zur Norm werden. Neben der zahlenmäßigen Explosion neuer Kanäle wird das digitale Zeitalter immer neue Informationen über Zielgruppen zutage fördern. Die User-Ansprache wird dadurch ständig intelligenter und passgenauer. Im Hinblick auf individuelle und ortsunabhängige Werbung, die sich vor allem durch Effizienz auszeichnet, ist der Zenit noch längst nicht erreicht.

Wird Facebook-Chef Mark Zuckerberg uns im nächsten Jahr in neue Video-Sphären führen oder wird ein Newcomer den Markt komplett umkrempeln? Wir wissen es nicht. Fest steht allerdings: Digitale ­Bewegtbilder werden für die Markenkommunikation eine zentrale Rolle spielen. Wer sich heute nicht bewegt, wird morgen nicht mehr gesehen.
Wer sich heute bewegt, kann nur gewinnen.

Hier geht es zum ersten Teil der Serie.

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