
Zu Beginn eines Jahres lohnt sich auch immer ein Blick zurück. Was war 2013 wichtig? Welche Themen haben die Internetwirtschaft bewegt? Und welche Trends haben sich als Strohfeuer entpuppt? INTERNET WORLD Business hat Experten nach ihrer Einschätzung gefragt. Im ersten Teil des Rückblicks erzählen unter anderen Emanuel Stehle von Groupon, Ralf Baumann von T-Online und Thomas Port von Digital SevenOne Media, was sie in den vergangenen zwölf Monaten besonders beschäftigt hat

Daniel Hagemeier, Host Europe, Leiter des Geschäftsbereichs Cloud Hosting:
Der europäische Hostingmarkt entwickelt sich kontinuierlich weiter und in diesem Jahr sind sehr viele kleine und mittelständische Firmen erstmals auf den Online-Zug aufgesprungen. Immer mehr Kleinunternehmen erkennen mittlerweile das Potenzial des Internets - doch es gibt nach wie vor etliche, die diesen Schritt noch vor sich haben. Auch Mobile hat 2013 eine wichtige Rolle im Hostingmarkt gespielt: Die Anzahl der Nutzer, die mobil ins Internet gehen, ist in diesem Jahr um 20 Prozent gestiegen. Die Nutzung von Smartphones und Tablets hat sich seit 2012 gar verdoppelt. Diese Explosion bei der mobilen Internetnutzung bringt neue Anforderungen an Hosting- und Domain-Services mit sich. Hostinganbieter kommen nicht mehr umhin, sich auf mobile-freundliche Produkte und Services einzustellen

Viktoria Gorgs, Tomorrow Focus Media, Kommunikation:
Facebook goes Google. Das ist noch ein weiter Weg, aber nach und nach wird auch das größte soziale Netzwerk immer besser und systematischer durchsuchbar. Facebook hat 2013 mit der Graph Search und den Hashtags einen entscheidenden Weg eingeschlagen. Inwiefern beispielsweise Keywords in den Postings von Unternehmen wichtig werden, wird sich noch zeigen

Agnieszka Krzeminska, Social Media Führerschein, Geschäftsführerin:
2013 war ein Jahr des Content Marketings und Storytellings. Geschichten erzählen ist im Marketing nichts Neues, aber das geforderte visuelle und filmografische Denken setze neue Akzente

Jens Scheidemann, Batch Media, Geschäftsführer:
Genervt hat 2013, dass RTB plötzlich RTA wurde und alle so taten, als hätte es RTB nie gegeben. Es fand ein heimlicher Austausch von Buzzwords statt, den keiner wirklich beanstandet hat. Auch die aufgebauschte Big Data Diskussion war nicht zielführend, ohne dass die Mehrzahl wusste, was damit eigentlich genau gemeint ist

Matthias Postel, iCompetence, CEO:
2013 wurde die Online-Offline-Integration entscheidend vorangetrieben. Neue Schnittstellen erleichtern die Zusammenführung der Daten aus divergenten Quellen, Kampagnen werden crossmedial geplant und bewertet. Tag Management Tools unterstützen den Prozess. Dabei werden im Datenschutz klare Regeln gesetzt - der Kunde erwartet zu Recht Transparenz

Emanuel Stehle, Groupon, CEO Central Europe:
Ein Highlight im Online-Handel 2013 war, dass immer mehr lokale Händler und Dienstleister "Online" für sich entdeckt haben. Dies zeigt sich daran, dass der lokale Handel sowohl Web als auch Mobile zunehmend als Marketing- und Absatzkanäle nutzt, um gezielt auf Stamm- und Neukunden zuzugehen. In diesem Bereich, etablierten sich einige wenige Online-Marktplätze, die sowohl von den Kunden als auch den lokalen Unternehmen als immer vertrauenswürdiger wahrgenommen werden

Klaus Cholewa, IKEA, E-Commerce Manager:
Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass auch im Online-Geschäft der Preis nicht mehr das einzige Kriterium für den geschäftlichen Erfolg ist. Service, Inspiration und Logistik werden mittelfristig ausschlaggebend werden

Ralf Baumann, Vice President T-Online.de & Audience Products:
Wir hatten - und haben noch immer - eine konstruktive Debatte über die Bedeutung des Umfeldes für die Effektivität von Vermarktung. Nicht nur die Reichweite eines Angebotes ist wichtig für die nachhaltige und effiziente Platzierung von Werbebotschaften, sondern auch das glaubwürdige redaktionelle Umfeld. Mobile Assets sind in diesem und sicher auch im nächsten Jahr, was die Nutzung angeht, klar auf Kurs. Was hier marktweit fehlt, sind die qualitativ hochwertigen Vermarktungsansätze

Thomas Port, Digital SevenOne Media, Geschäftsführer:
Ein Highlight für uns war zweifellos die Erkenntnis, dass Online auch richtig gut live kann. Das hat MyVideo eindrucksvoll mit vier Millionen Video-Views bei der ersten Ausgabe von "Last Man Standing" bewiesen. Genervt hat 2013, dass wichtige Branchenthemen wie die Diskussion um AdBlock Plus nur die Haltbarkeitsdauer eines Sommerlochfüllers hatten. Die Entrüstung war groß, aber kurz. Den Usern vorzugaukeln, sie von "nerviger" Werbung zu verschonen, um dann gleichzeitig über eine "freiwillige finanzielle Unterstützung" an eben dieser Werbung mitverdienen zu wollen – das ist hochgradig unseriös.
Überbewertet wurde Programmatic Buying und Real Time Bidding. Das sind zweifellos wichtige Instrumente, insbesondere bei der Steuerung von Performance-Kampagnen. Kampagnenerfolg hängt mehr denn je von der konsequenten Führung der eigenen Marke und der richtigen Verzahnung aller Medienkanäle ab. Vorrangig erfordert dies Kompetenz und Kreativität, Mut und konzeptionelles Denken - erst im nächsten Schritt helfen automatisierte Einkaufsprozesse weiter

Florian Ruckert, RMS, Vorsitzender der Geschäftsführung:
Das größte Highlight in 2013 war die hervorragende Performance von Radio im ersten Werbehalbjahr und der damit verbundene Sprung über die Sieben-Prozent-Hürde. Auch wenn diese Höchstleistung nicht über das gesamte Jahr angehalten hat, sehen wir in dieser Entwicklung einen nachhaltigen Trend.
Wie in den Jahren zuvor gab es natürlich auch in 2013 nervige Themen. Häufig sind das Themen, denen zu früh zu viel Raum eingeräumt wird, so zum Beispiel Big Data und Programmatic Buying. Wir bezweifeln gar nicht, dass diese Themen Relevanz bekommen werden, halten sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch für deutlich überschätzt. Was zudem nervt ist eine Tendenz der Media-Vermarkter, ihr Inventar im Preis- und Konditionenwettbewerb nahezu komplett entwerten zu wollen, sei es über low-CPM Strategien, Rabatte oder Tradingmodelle. Hier sägt die Branche weiter an dem Ast, auf dem sie sitzt und Online ist weiter ganz vorne mit dabei

Daniel Goertz, Reuter, Geschäftsführer Marketing:
Zu den Highlights 2013 zählt sicherlich die weiter steigende Online-Kaufbereitschaft der Kunden. Gerade auch bei hochwertigen Gütern sind die Steigerungsraten exzellent. Dagegen haben Blockaden des Onlinehandels 2013 ganz eindeutig das Geschäft erschwert

Michael Weber, buch.de internetstores, Vorstandssprecher:
Highlights waren 2013 für mich die Diskussion zum Thema Omni-Channel/Cross-Channel – vor allem unter dem Gesichtspunkt „Wie erlebt der Kunde das?“, außerdem natürlich die Nutzung mobiler Sites, und ganz persönlich: der erste E-Book-Kauf auf Empfehlungsbasis mit meinem tolino. Genervt hat mich, dass es immer noch keine validen Zahlen zum E-Commerce in Deutschland gibt, sondern sich widersprechende Einschätzungen von verschiedenen Stellen (z.B. Statistisches Bundesamt vs. bvh), außerdem die SEPA-Umstellung. Themen mit Dauer-Nerv-Potenzial: nicht messbare Marketingkonzepte und Prozesse, die am Kunden vorbei optimiert sind

Sven Nagel, Berger Baader Hermes, Creative Director:
Big Data wird derzeit noch total überbewertet. Zu viele erwarten zu Unrecht zu viel davon. Nicht weil hier etwa kein Potenzial besteht. Sondern, weil das ganze Thema zu einseitig betrachtet wird. Richtig ist natürlich: Je mehr ich weiß, desto genauer kann ich … ja was eigentlich? Erstens, braucht es ein passendes Produkt. Und zweitens, die passende Ansprache. Deshalb muss man seine Zielgruppe exakt kennen und sich mindestens genauso gut überlegen, wie und was man ihr dann eigentlich kommunizieren will. Eine gute Botschaft, verpackt in einer guten Idee, das wird immer die große Aufgabe bleiben. Darum sollte "Big Data" auch nicht als Allheilmittel überschätzt werden

Tim Wiengarten, rabbit mobile, Geschäftsführer:
Google Glass wurde in diesem Jahr definitiv überbewertet. Google hat das zwar recht gut angestellt, was den medialen Hype und die eigene Darstellung als kreatives Unternehmen betrifft, aber was für den Konsumenten herauskam, war bisher ziemlich ernüchternd. Die Brille lässt den Träger bemitleidenswert nerdig aussehen und für den durch die Brille Betrachteten sorgt sie nur für Unsicherheiten. Ein Gespräch mit einem Glass-Träger erzeugt immer das Gefühl von "Der weiß jetzt mehr über mich als ich über ihn". So etwas ist keine gute Grundlage für ein vertrauensvolles Gespräch auf Augenhöhe. Auch die Smartwatches – Samsung hat ja gerade seine Galaxy Gear als Verkaufserfolg bezeichnet – halte ich derzeit für maßlos überschätzt. Wer will denn auf der Uhr erfahren, dass er neue E-Mails erhalten hat? Das mag zwar für einige Menschen nett sein, aber das große Argument fehlt dann doch.
Die spannendste Nachricht im Jahr 2013 war, dass das Internet für uns alle Neuland ist (Zitat Angela Merkel). Aber vielleicht ändert sich das ja durch gute Regierungsarbeit in 2014 :-). Das Buzzword des Jahres war für mich "Big Data". Der Begriff ist sehr überstrapaziert worden. Für die meisten ist es ein Synonym für die Geheimwaffe für alles Messbare im Marketing. Wie es geht, können und wissen jedoch nur wenige

Beate Kuckertz, dotbooks, Verlegerin und Gründerin:
Das allgemeine Zaudern in der Buchbranche hat mich 2013 geärgert. Ja, wir erleben eine wirtschaftlich schwierige Situation – umso wichtiger ist es, offen für neue Ideen zu sein. Statt dem allgegenwärtigen "Das war früher besser" brauchen wir eine Kultur des "Das probieren wir aus!". Konkret würde ich mir wünschen, dass Printverlage ihre Hemmschwelle überwinden und dotbooks als spannenden Lizenzgeber erkennen: Unserer eBook-Originalausgaben haben das Zeug, bei einem Print-Verlag erfolgreich zweitverwertet zu werden

Matthias Riedle, explido, Geschäftsführer:
Die spannendste Entwicklung war für mich 2013, dass das Real-Time Advertising, das 2012 Fahrt aufgenommen hat, in diesem Jahr so richtig durchgestartet ist. Den Durchbruch belegen inzwischen zahlreiche Kampagnen – auch auf dem deutschen Markt. Am meisten genervt hat mich 2013 aufdringliche Bannerwerbung, die vollkommen an der Zielgruppe oder am redaktionellen Umfeld vorbei geschaltet wurde. Das ärgert die User und schadet damit letztendlich vor allem einem: dem Advertiser
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