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Dirk Kraus

Mobile-Pionier Dirk Kraus von YOC: "Wir haben unsere Vergangenheit hinter uns gelassen"

Dirk Kraus, Gründer und CEO YOC AG

YOC

Dirk Kraus, Gründer und CEO YOC AG

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Einfach waren die vergangenen Jahre für YOC nicht. Doch nun scheint die Kehrtwende da zu sein: Der Umsatz steigt, es gibt erfolgreiche programmatische Gehversuche. Ein Gespräch mit Gründer Dirk Kraus.

YOC hat bewegende Jahre hinter sich. Berg- und Talfahrten bei Aktienkursen, Unstimmigkeiten in der Unternehmensführung und daraus resultierende personelle Wechsel hatten dem Mobile-Vermarkter nicht nur viel Presse, sondern auch eine Beinah-Insolvenz eingebracht. Aber die Zeiten änderten sich.

Seit etwa 2,5 Jahren ist Gründer Dirk Kraus wieder an Bord, und mit ihm ein langsames, aber konstantes Wachstum. Kraus will sein Unternehmen wieder zu alter Popularität zurückführen, die Hoffnungen liegen dabei auf den guten aktuellen Quartalszahlen - und auf Programmatic Advertising. Ein Gespräch über Auf- und Abstiege, mobile Werbung und die Strategien der großen Player.

Eine Umsatzsteigerung von 30 Prozent auf drei Millionen Euro in Q2 und damit ein Umsatzplus von etwa 20 Prozent im ersten Halbjahr 2016: Mit Blick auf die vergangenen Jahre müssten die aktuellen Quartalszahlen ja für Zufriedenheit sorgen…
Dirk Kraus: Zunächst einmal sind wir zufrieden, dass wir als Firma wieder wachsen. Das ist die Kernnachricht - vor allem vor dem Hintergrund unserer durchaus schwierigen Vergangenheit, die wir aber hinter uns gelassen haben. Man sieht, dass nun das Entscheidende anfängt zu greifen: Wir wollen durch neue Produkte und einer veränderten strategischen Positionierung im Markt wieder Wachstum erzeugen. Mit dem Q2 sehen wir kein normales Wachstum, das im Bereich von null bis zehn Prozent läge, sondern ein spürbar anziehendes Wachstum. Daher sind wir damit erst einmal zufrieden. Aber wir wollen und müssen uns natürlich weiter steigern. Das Potenzial ist da, auch wenn erst noch ein paar Baustellen gelöst werden müssen.

Unser Ziel ist ein nachhaltiges Wachstum im Bereich von 20 bis 30 Prozent. Die Firma ist jetzt nach einer gewissen Kontraktion, die mit der Neupositionierung zu tun hat, auf einem guten Weg. Das war im Rahmen der ganzen Sanierung der schwierigste Schritt. Kosten senken, Bilanz sanieren, das sind alles notwendige, aber keine hinreichenden Maßnahmen. Hinreichend wird es dann, wenn man es schafft, das ganze Konstrukt wieder zum Wachsen zu bringen. Und das gelingt.

YOC gibt es ja nicht nur in Deutschland. Wie sieht es international aus?
Kraus: Knapp 30 Prozent des Umsatzes kommt aktuell aus Deutschland. Der Rest stammt aus dem Ausland. YOC ist also hauptsächlich außerhalb von Deutschland tätig und wir sehen, dass wir überall wieder wachsen. Allerdings haben wir in Großbritannien, das muss man zugeben, noch nicht die volle Flughöhe erreicht. Großbritannien ist deutlich hinter den genannten Wachstumsraten von etwa 30 Prozent.

Woran liegt das? Warum gerade dort, wo doch Großbritannien in Sachen Mobile und Programmatic viel fortschrittlicher ist?
Kraus: Ja, das stimmt. Theoretisch ist dort deutliches Potenzial vorhanden. Die Gründe sind inhaltliche, vor allem interne Themen. Wir hatten einige Personalwechsel, einen neuen Geschäftsführer, den wir allerdings erneut ausgetauscht haben, zudem noch andere personelle Änderungen, was alles zusammen natürlich zu einem unruhigen Geschäftsverlauf führte. Zudem konnten wir die Nachfrage der Agenturen nach Mobile-Programmatic-Produkten noch nicht vollständig bedienen. Also, es sind viele Faktoren, hausgemachte Themen, die wir aber auch hausgemacht lösen können. Und das tun wir gerade. Es gibt ein neues Set-up, was das Personal angeht, ich selbst werde mich künftig auch sehr stark um Großbritannien kümmern. Zudem haben wir nun Werbeformate, die wir auch automatisiert handeln können, was ein ganz entscheidender Schritt ist - global, aber vor allem für Großbritannien, weil dort eben die Nachfrage schon höher ist.

Beeinflussen die Verkäufe von Sevenval und belboon eigentlich noch Ihre Zahlen?
Kraus: Nein, überhaupt nicht. Die ganze Vergangenheit ist abgeschlossen. Heißt konkret: Wir haben mit beiden Verkäufen sowohl die fixen Verkaufspreise erhalten als auch die Earnouts. Das ist bei Sevenal in der zweiten Jahreshälfte 2014 passiert, bei belboon in der zweiten Jahreshälfte 2015. Die Verträge, die mit den Verkäufen im Zusammenhang standen, wurden beidseitig erfüllt. Das ist auch gut, denn durch die klare Fokussierung auf ein Geschäftssegment wachsen wir schneller und werden in diesem besser.

"Wir hatten lange die 'Arroganz', uns nur dem klassischen Geschäft zu widmen"

Ihre Strategie sticht ja im Vergleich mit Playern wie Ströer, die vor allem auf Zukauf in verschiedenen Geschäftsfeldern setzen, schon fast heraus…
Kraus: Ja, Ströer ist in einer ganz massiven Expansionsphase. Der Deal mit der Telekom war unheimlich clever gemacht, das gleiche Prinzip sieht man bei der OMS und all den anderen übernommenen Firmen. Wir schlagen einen komplett anderen Weg ein. Meine Strategie, sich gezielt zu fokussieren, gibt es letztlich schon seit 2011. Wir sind eben nicht Siemens und können in alle Geschäftsfelder etliche Millionen und Milliarden investieren. Daher ist es wichtig, die Ressourcen auf ein Feld zu konzentrieren, da wo die DNA der Firma liegt. Und das ist einfach Mobile Advertising. Die Schwierigkeiten resultierten darin, dass sich YOC zu lange mit sich selbst beschäftigt hat. Der Prozess der Fokussierung hat zu lange gedauert und ist nicht optimal umgesetzt worden, gerade was den Sevenval-Verkauf angeht. 2013 ist außerdem einfach unfassbar viel Geld verschwendet worden.

Ein Blick in die Zukunft lässt auch bei YOC erahnen: So ganz ohne Programmatic Advertising (PA) geht es nicht. Wie schätzen Sie den derzeitigen Stand in Deutschland ein?
Kraus: Also bei uns war es erst einmal so, dass wir lange die 'Arroganz' hatten, uns nur dem klassischen Geschäft zu widmen. Das heißt Direktvertrieb, direct sales eben, also der klassische Vertrieb von Medialeistung an Mediaagenturen. Wir sind der Überzeugung, dass das auch in Zukunft existieren wird. Es wird immer gewisse Werbeformate, Kampagnen und Kreation geben, die sich nicht 1:1 programmatisch abbilden lassen. Trotzdem liegt der programmatische Geschäftsanteil bei uns im Durchschnitt inzwischen bereits bei rund einem Viertel. Vor zwei, drei Jahren lag der eben bei null Prozent.

Für Deutschland heißt das alles im Umkehrschluss: Es wird sicher einen weiter wachsenden programmatischen Umsatzanteil in jedem Unternehmen geben. Aber es wird auch weiter klassisches Geschäft, Direktvertrieb geben. Daneben zeigt sich, dass es aktuell natürlich die Spezialisten gibt, die sehr viel Ahnung im Programmatic Advertising haben. Daneben gibt es aber auch sehr viele Publisher, die zu 100 Prozent altes Geschäft betreiben. Momentan ist viel im Umbruch, aber Deutschland ist längst noch kein Programmatic-Land.

Wie sieht es im Mobilen aus?
Kraus
: Was Mobile betrifft sehen wir, dass PA-Anbieter, die aus dem Online- respektive Desktop-Bereich kommen, inzwischen auch gen Mobile gehen, aber das Ganze zu sehr von der falschen Seite aufziehen. Mobile funktioniert anders. Das betrifft nicht nur Werbeformate, sondern eben auch die Auslieferung. Die Grundlagen passen zwar zum Teil inzwischen, aber in den spezielleren Bereichen hapert es noch. Das ist natürlich für uns als Unternehmen, das rein aus dem Mobilen kommt, ein großer Vorteil. Wir nehmen das Thema ernst, behaupten aber nicht, dass wir die komplette Klaviatur des Programmatic Advertising in allen Facetten schon vollständig beherrschen. Nur weil sich die Welt automatisiert, dürfen wir ja das, was den Nutzer stört, nicht übersehen. Die Adblocker-Debatte zeigt, dass Werbung nutzerzentrierter werden muss. Das gilt Online wie Mobile. Und das darf trotz aller Programmatic-Debatten nicht vergessen werden, hier kann aber die Automatisierung entscheidend helfen.

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