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Gastkommentar Wie sich Kreativität und Performance in Einklang bringen lassen

Altitude
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Die Kreativagentur hat sich über viele Jahre vom Performance Marketing abgegrenzt. Doch die Mechanismen der digitalen Plattformen zeigen, dass die Entweder-Oder-Strategie in Zukunft nicht mehr aufgehen wird. Doch wie findet das Beste aus beiden Welten zusammen?

von Lucas Bast, CEO Altitude

Werbekampagnen der alten Schule waren vor allem von einer Idee, einer Kreativleistung, einem Claim getrieben. Diese Rechnung ging über viele Jahre gut auf, sie zeigte ihre Wirkung in Print, Hörfunk, TV - und zunächst auch im Internet. Doch neue Marketingkanäle und digitale Plattformen, wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt haben, egal ob es sich dabei um Facebook, Google oder Amazon handelt, haben dazu beigetragen, dass Agenturen mit Kreativitäts-Know-how alleine nicht mehr weit kommen. Dies ging einher mit der individuelleren Ansprache, die das moderne Targeting eröffnet und einem Wandel in den Mechanismen, nach denen Werbung rezipiert wird. Es geht dabei für Werbende um das Verstehen, wie einzelne Zielgruppen "ticken", aber noch mehr darum, zu verinnerlichen, dass Rezeption alleine nur die halbe Miete ist. Denn der Klick, die Interaktion, das Weitertragen von Inhalten, sind Kernelemente des Erfolgs von Kampagnen. 

Dieser Paradigmenwechsel in der Arbeit der Kreativen sah so aus, dass es heute nicht mehr um die eine Überschrift, den einen Claim geht -sondern um die für die jeweilige Zielgruppe situativ optimale Botschaft. Diese wiederum wird in zig Varianten getextet und in umfangreichen A/B-Tests ermittelt. Das Bauchgefühl des Kreativen ist damit noch lange nicht obsolet geworden, doch es tritt immer mehr in den Hintergrund, wenn es darum geht, erfolgreich zu werben.

Zahlengetrieben und agnostisch - aber erfolgreich

Auf der anderen Seite steht die Welt des Performance Marketings - in einer sehr zahlengetriebenen Weise und mit dem allgegenwärtigen Selbstverständnis der Unangreifbarkeit der Zahlen, über die man nicht diskutieren müsse, sondern die für sich sprechen. Gerade Unternehmen aus dem Rocket-Internet-Umfeld, aber auch zahlreiche andere Vertreter der (internationalen) Start-up-Welt haben hier in den letzten Jahren eine Performance-Marketing-orientierte Lesart ins Rennen geschickt.

Marketing-Kampagnen auf Performance-Ebene auszuspielen und zahlenorientiert zu optimieren, hat meist wenig mit kreativem oder konzeptionellem Anspruch zu tun, sondern eher mit der Frage, welcher Text auf einer Schaltfläche besser performt und ob diese auf rotem, blauen oder weißem Hintergrund häufiger geklickt wird. Es geht bei diesem zahlenorientierten Ansatz durch und durch darum, auf relevante Umsatzziele wie Umsatz, Gewinnoptimierung, Lead-Generierung oder Neukundengewinnung einzuzahlen. Anstatt auf Kreativleistung zu setzen, wird das Mediabudget optimal genutzt - dass hierbei keine kreativen Höchstleistungen zu erwarten sind, dürfte wohl niemanden verwundern.

Doch was über einige Jahre gut funktioniert hat, ist 2022 keine zukunftsorientierte Strategie mehr, da sich ein paar grundsätzliche Punkte verändert haben: Zum einen sind die Marketingplattformen immer weiter optimiert worden, ihre Macher:innen haben mehr und mehr dazugelernt - zum anderen hat die Überfütterung der Konsument:innen mit digitalen Inhalten dazu beigetragen, dass der Kunde einen natürlichen Adblocker, eine Art Gewöhnung entwickelt, die dazu führt, dass rein zahlengetriebene Strategien kaum noch verfangen und den Kunden, die Kundin vielmehr langweilen. Und nicht zuletzt ist der Werbe-Wettbewerb der Kanäle so hoch wie nie zuvor, egal ob es sich um klassische Suchmaschinenwerbung, Performance-Werbeformen bei Publishern oder soziale Medien wie Facebook, Instagram, Pinterest oder YouTube handelt.

Digitale Agenturen haben gute Werbung verlernt

Vor lauter Zahlen und Performance-Ansprüchen haben digital native Agenturen verlernt, gute Werbung zu machen, die im Gedächtnis bleibt und etwas bewirkt. Denn auch wenn wir versuchen, mit Zahlen und Attributionsmodellen die Realität so gut wie möglich abzubilden, wollen wir am Ende immer noch Produkte und Dienstleistungen an Kunden aus Fleisch und Blut verkaufen. Und der Mensch ist nun mal nur zu einem gewissen Prozentsatz berechenbar - weist aber umgekehrt auch so viele Eigenheiten und Variablen auf, dass es uns nie komplett gelingen wird, die Aufmerksamkeit mit vorberechneten Inhalten zu erreichen. Dass Performance-Marketing nützlich ist und wichtige Impulse für Entscheidungen liefert, steht dabei immer noch außer Frage. Doch die Agenturen und Dienstleister sind über das Ziel hinausgeschossen - und zu auffällige, grelle Werbeformen, die nach Aufmerksamkeit schreien, wecken bei Publishern Bedenken und bei Kunden den Reflex, zum Adblocker zu greifen.

All das heißt nicht, dass wir in Zukunft auf Performance Marketing verzichten sollten, sondern vielmehr, dass wir wohl dosiert ein Gleichgewicht finden müssen zwischen dem zahlenfixierten Performance-Anteil und dem emotional wirkenden Storytelling, der überraschenden Botschaft, die dem Kunden auffällt und bestenfalls auch gefällt.  Der Performance-Ansatz kann Kunden, die sich eines Bedarfs oder eine Kaufabsicht bewusst sind, dazu bringen, das Problem zeitnah zu lösen und ihm die entsprechende Aufmerksamkeit einzuräumen. Doch solange der Kunde sich dessen nicht bewusst ist und solange wir ihn nicht zur richtigen Zeit adressieren, wird ein reines Erhöhen der Dosis eher das Gegenteil bewirken, den inneren Filter aktivieren.

Beide Gewerke müssen sich auf Augenhöhe begegnen

Doch die meisten Agenturen und Dienstleister bekommen diesen Spagat noch nicht ausreichend hin – auch wenn sich das viele auf ihre Fahnen schreiben. Das habe ich immer wieder auf den unterschiedlichen Seiten des Schreibtischs erfahren müssen. Das liegt daran, dass es auf der einen Seite an hierfür geeigneten Fachkräften fehlt. Meiner Erfahrung nach bringt es nämlich nichts, dem ehemaligen Kreativ-Verantwortlichen Programmatic Marketing-Kenntnisse einzutrichtern - genauso wenig wie Sie es schaffen werden, einen Google-Shopping-Experten oder Ad Manager zum Art Director umschulen zu wollen. Und doch versuchen, etwas überspitzt formuliert, viele Agenturen genau dieses Generalistentum.

Doch anstatt bestehende Strukturen zu vereinen, die sich vor einigen Jahren noch gegenseitig abgegrenzt haben, sollten Agenturen eine Art Tandem schaffen - mit übergreifenden Teams, die sich auf Augenhöhe begegnen und ergänzen, bei denen aber stets die Fachexpert:innen genau für ihr Gewerk, ihre Aufgabe stehen. Gemeinsam können sie Ideen entwickeln, die ein Höchstmaß an kreativem Anspruch haben, zugleich aber auch auf geschäftsrelevante Ziele wie Umsatz, Leads, Neukunden oder Wachstum einzahlen. Nur der ganzheitliche Ansatz, beide Parteien an einen Tisch zu bringen, wird den Erfolg bringen.

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Neugierig geworden? Am Montag, 21. Februar 2022, um 13:10 Uhr vertieft Lucas Bast das Thema Performance vs. Kreation auf der MOONOVA. Zum kostenlosen Ticket hier entlang!

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