
Was vom Werbe-Euro übrig bleibt Kosten für Online-Werbung: Teure technische Helferlein
Online-Werbung ist günstig, heißt es. Je nach Strategie und Kampagnenkonzept kommen aber technische Dienstleistungen hinzu, die das Budget in die Höhe treiben.
von Raoul Fischer
Früher war, zumindest im Mediageschäft, eben doch manches besser - oder einfacher. Es galt die Faustformel: Das Mediabudget für eine Kampagne errechnet sich aus den Kosten für die Werbeschaltung zuzüglich der Honorare für die Media-Agentur. Fertig.
Bei einem Tausend-Kontakt-Preis (TKP) von zwei Euro im Rahmen einer normalen Kampagne für Online-Werbung wären das rund 20.000 Euro für zehn Millionen Sichtkontakte des Werbemittels, sprich Ad Impressions. Hinzu käme noch das Honorar für die Leistung der Agentur. So weit die klassische Welt, von der manche Marktteilnehmer sagen, dass sie durchaus noch Bestand habe.
Die Renaissance des TKP
Andere hingegen stellen fest: So wurde vor zehn Jahren gar nicht kalkuliert. Vielmehr sei ein Großteil der Kampagnen anhand ihres Erfolgs abgerechnet worden. Dabei hat man sich beispielsweise an Klicks auf das Werbemittel (Cost per Click) oder - im E-Commerce - am Bestellwert (Cost per Order) orientiert.
Doch seit einiger Zeit erfährt der gute alte TKP als Bezugsgröße für die Ermittlung von Kampagnenkosten eine Renaissance. Die automatisierte Auslieferung von Werbemitteln, bei der die Schaltung auf Basis von Kundendaten und Informationen zum Nutzerverhalten durch eine Maschine übernommen wird, lässt derzeit keine andere Möglichkeit zu.
Das Ziel von Programmatic Advertising besteht darin, eine bestimmte Anzahl von Ad Impressions in einer vorher definierten Zielgruppe zu erreichen - also eine bestimmte Anzahl von Kontakten. Dabei wird in Echtzeit entschieden, ob eine angebotene Impression den vorher festgelegten Kriterien entspricht oder nicht. Auch beim Real-Time Bidding (RTB), einem Verfahren, bei dem Werbeflächen in Auktionsverfahren an den Kunden gebracht werden, dient der TKP als Bezugsgröße beim Bieten.
Die richtige Kalkulation
Die spannende Frage ist: Wie können Marketingleiter oder Mediadirektoren das benötigte Budget für eine Online-Kampagne kalkulieren? Für die Antwort holen viele Experten erst einmal tief Luft.
Durchschnitts-TKP: Den gibt es eigentlich gar nicht, oder? Trotzdem wird immer wieder der Versuch gemacht, einen solchen zu errechnen.
Das Problem dabei ist, dass gerade im Online-Bereich das Preisgefüge intransparent und weit gespannt ist. Was eine Kampagne kostet, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Handelt es sich um hochwertiges und exklusives Premiuminventar eines Vermarkters oder um Restplätze? Wird im Rotationsverfahren mit anderen Werbekunden ausgeliefert oder als feste Platzierung? Werden alle von einem Vermarkter angebotenen Seiten gebucht - auch als Run of Network bezeichnet - oder nur besondere Seiten? Und, und, und.
Hinzu kommt ein weiteres Problem. Inzwischen wird eine Online-Werbekampagne von einer Vielzahl technischer Dienstleistungen begleitet. Die meisten sind in den Media-TKP nicht eingepreist, kommen also zusätzlich hinzu. Da können sich die Kosten für eine einfache Banner-Kampagne schon einmal um das Zehnfache erhöhen, nur weil ein teures Targeting-Verfahren dazugebucht wird - beispielsweise eine technische Lösung, die die Werbemittel nur der vorher festgelegten Zielgruppe zuspielt.
Aber auch andere Maßnahmen schlagen zu Buche (siehe Grafik). Im Prinzip gilt die einfache Faustformel: Je anspruchsvoller und aufwendiger die Technik, desto teurer wird der TKP. "Gerade im Bewegtbildbereich müssen Werbungtreibende mit höheren technischen Kosten rechnen", erklärt Christian Bachem, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Companion.
Mehrkosten oder Verluste

Dabei gehen Publisher, Vermarkter und Agenturen sehr unterschiedlich mit dem Pricing für technische Dienstleistungen um. Ein Beispiel: "Bei manchen Vermarktern sind die Kosten für die Nutzung der sogenannten Sell oder Supply Side Platform (SSP) im Kontext von Programmatic Advertising oder Real-Time Bidding schon integriert, andere schlagen diese auf den Basis-TKP auf", erklärt Thomas Bindl, Geschäftsführer von Refined Labs.
Das Gleiche gilt für das Thema Ad Verification. Hiermit wird zum Beispiel überprüft, ob und wie lange ausgelieferte Werbemittel tatsächlich sichtbar waren. Bei manchen Agenturen ist das im Honorar integriert, andere berechnen jeden Handgriff extra. Wer soll in dieser Situation noch richtig kalkulieren können?
Konsequenzen für Kunden
Grundsätzlich kann dies für die Kunden zwei Konsequenzen nach sich ziehen: Entweder die Kampagne wird durch Programmatic Advertising oder andere datengesteuerte Disziplinen wie Targeting teurer, sodass sie mehr Budget einkalkulieren müssen, oder aber sie müssen sich mit einem Abzug bei der Leistung zufriedengeben: Das kann beispielsweise dazu führen, dass statt der ursprünglich anvisierten zehn Millionen Ad Impressions nur sieben Millionen ausgeliefert werden. Das ist schlecht für die Kontaktzahl in der Zielgruppe: Dadurch reduziert sich diese selbstverständlich.
Wie sollen die Kunden also kalkulieren? Andreas Hamdorf, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Agenturgruppe Pilot, und Thomas Bindl wagen den Versuch, etwas Ordnung ins Planungschaos zu bringen. Zunächst müsse entschieden werden, ob eine Kampagne über klassischen Einkauf oder automatisiert im Kontext von Programmatic Buying oder Real-Time Advertising platziert werde.
Im letzteren Fall kommen für die Nutzung der SSP des Publishers oder Vermarkters und die Demand Side Platform (DSP) der Agentur jeweils rund 15 Prozent Aufschlag auf den Basis-TKP hinzu. Es sei denn, der Kunde unterhält eine eigene DSP - oder der Vermarkter bietet die Nutzung der SSP als Service an. Auch das gibt es.
Über der Schmerzgrenze
"Wenn beim Kunden dabei eigene oder Partnerdaten aus dem kampagnenbegleitenden Tracking, dem eigenen CRM-System oder über Partnerkooperationen zum Einsatz kommen (sprich: First-Party- oder Second-Party-Daten), sind die zusätzlichen Technologie-Infrastruktur-Kosten überschaubar. Es fällt lediglich eine Connection- oder Access-Fee an", erklärt Holger Mews, Vorstandsmitglied beimdänischen Technologiedienstleister Adform.
Kommen zugekaufte Third-Party-Daten von weiteren Dienstleistern zum Einsatz, könne es allerdings ungleich teurer werden. Während die Auslieferungskontrolle (Ad Verification) und die kampagnenbegleitende Datenerhebung zur Internet-Nutzung (Tracking) eine relativ geringe Preisspanne haben, kann Targeting richtig teuer werden.
Das gilt vor allem für aufwendigere Verfahren wie zum Beispiel Predictive Behavioral Targeting. Dafür werden Messdaten aus dem Tracking des Surfverhaltens mit den Daten aus den Befragungen verknüpft. So können relevante Informationen zum Interesse an bestimmten Produkten oder zum Nutzungsverhalten einer Zielgruppe hochgerechnet werden.
Fazit
Am Ende stellt sich also heraus: Eine Kampagne kann aufgrund ihrer technischen Kosten richtig teuer werden. Auf das angeführte Beispiel bezogen hieße das etwa: Bei klassischer Auslieferung kämen zum Basis-TKP von zwei Euro 65 Cent oder im Kontext von Programmatic Buying sogar noch 90 Cent hinzu. Die Kosten könnten also um ein Drittel bis um die Hälfte steigen - ohne aufwendige Targeting-Lösungen.
Das Schöne für Media-Chefs und Marketingleiter: Die zusätzlichen Kosten ändern sich nicht, wenn der Basis-TKP höher angesetzt werden muss.
Hier werden nur die Kosten für eine DSP im Rahmen automatisierter Werbeauslieferung teurer. Die technischen Kosten bleiben allerdings bei einem relativ günstigen TKP von etwa 20 Cent unverändert hoch - und machen solche Kampagnen dann sehr teuer.
Und die Tendenz? Eher steigend. Hier gilt: "Wenn eine Dienstleistung von vielen Kunden genutzt wird, treten Skalierungseffekte ein. Programmatic Advertising zum Beispiel könnte hierzulande erheblich billiger werden - wenn die Disziplin sich weiter durchsetzt", meint Andreas Hamdorf von Pilot.