
Adiz will Leistungsschutzrecht verhindern "Reichweite ist kein Eingriff in das Urheberrecht'"
Das Leistungsschutzrecht ist "schlecht gezimmert", behindert die digitale Wirtschaft, bedroht freie Informationsbildung und beschneidet User-Rechte - so das Fazit des Web-Unternehmers Axel Schmiegelow. Um es zu Fall zu bringen, hat er mit weiteren Unternehmen die Vereinigung Adiz gegründet. Wir haben nach den Zielen gefragt.
Der Widerstand gegen das Leistungsschutzrecht formiert sich: Eine Reihe namhafter Webfirmen haben sich nun zur "Anbietervereinigung für digitalen Inhalte- und Informationszugang" (Adiz) zusammengetan. Gemeinsam wollen sie verhindern, dass das geplante Gesetz in der vom Kabinett verabschiedeten Fassung durchkommt. Zugleich wollen sie die Anbieter von Suchmaschinen- und Newsaggregatoren unter einen besonderen Schutz stellen. Solche Dienste, so die Argumentation, seien unabdingbar, um Internetnutzern die Ausübung ihrer Informationsfreiheit zu ermöglichen.
Mit dem Leistungsschutzrecht sollen vor allem Suchmaschinen wie Google und automatische Nachrichten-Aggregatoren zu Lizenzzahlungen an Inhalteersteller verpflichtet werden, wenn sie auf deren Nachrichten verlinken. Vor allem Google steht im Visier des weltweit einmaligen, von Presseverbänden forcierten Gesetzes.
Aber auch viele deutlich kleinere Anbieter fürchten, von der neuen Regelung getroffen zu werden. In Adiz haben sich daher Firmen wie der Qype-Finanzier dw Capital, Mister Wong, Echobot oder Yigg zusammengetan, die ebenfalls im Web veröffentlichte Informationen automatisiert zusammentragen und aufbereiten.
INTERNET WORLD Business fragte Adiz-Initiator und DW Capital-Chef Axel Schmiegelow über die Ziele des Verbands.
Angefangen von der Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (IGEL) bis zur Online-Petition der Piraten gibt es zahlreiche Initiativen gegen den neuen Gesetzentwurf. Warum braucht es jetzt auch noch den Adiz?
Axel Schmiegelow: Uns unterscheidet von anderen Initiativen, dass wir unser Ziel nicht darauf beschränken, gegen das Leistungsschutzrecht zu sein, sondern zugleich auch für etwas. Wir möchten einen abgesicherten rechtlichen Raum erlangen, in dem Diensteanbieter es Nutzern ermöglichen können, Zugang zu Informationen erlangen.
Das heißt konkret?
Schmiegelow: Wir wollen eine Klarstellung im Urheberrecht erreichen. Grundlage könnte die BGH-Entscheidung zu Paperboy bieten. Wenn ein Inhaltebereitsteller selbst entscheidet, dass ein Inhalt im Web gefunden werden soll, dann hat er den Inhalt urheberrechtlich relevant veröffentlicht und sein Einverständnis dazu gegeben, dass er indiziert und zur Darstellung in Suchergebnissen zusammengefasst wird. Natürlich spricht dabei nichts dagegen, dem Veröffentlichenden die Möglichkeit zu geben, technisch einzustellen, wie weitreichend diese Einwilligung erfolgt.
Die Befürworter beschweren sich darüber, dass Aggregatoren fremde Inhalten zusammenfassen, die Übersichten vermarkten und am Ende damit mehr Geld verdienen als die Verlage, die die gesamten der Kosten der Inhalteerstellung tragen müssen. Können sie die Argumentation verstehen?
Schmiegelow: Wirtschaftlich kann ich die Argumente der Verlage verstehen, rechtlich ist das Leistungsschutzrecht in der vorgelegten Fassung keine geeignete Antwort. Und wirtschaftliche Argumente allein können nicht zählen. Man kann nicht tiefe Eingriffe ins Recht vornehmen, nur weil ein Geschäftsmodell in Frage gestellt wird.
Früher hatten die Verleger die Kontrolle über den Vertriebsweg.
Schmiegelow: Jeder Verleger kann schon heute im Prinzip seinen Inhalt ganz oder teilweise auf "No Index" setzen und so aus den Suchmaschinen heraushalten. Genau das tun die Verlage aber deshalb nicht, weil sie ohne Google zu wenig Reichweite hätten. Verstehen kann man das, aber die Lösung ist nicht, mit dem Leistungsschutzrecht dies zum Problem der Dienstleister zu machen. Verlage können nicht maximale Reichweite erzielen wollen und sich zugleich von dem Dienstleister, der diese Reichweite bietet, bezahlen lassen.
Im vorgelegten Entwurf zum Leistungsschutzrecht ist diese Debatte auf den Kopf gestellt, so als wäre das Verschaffen von Reichweite ein Eingriff in das Urheberrecht.
Aber werden die Verleger nicht faktisch gezwungen mitzumachen? In Deutschland kann ein Inhalteanbieter auf Google-Traffic kaum verzichten.
Schmiegelow: Das ist das Argument der Verlegerverbände. Die sagen: "Wir haben keine Wahl, die Nutzer gehen alle zu Google". Aber ist das rechtlich relevant? Jedenfalls greift das Leistungsschutzrecht viel zu weit.
Letztlich geht es auch um User-Grundrechte. Wir wollen, dass sich Internet-Nutzer frei und ungehindert informieren dürfen. Dazu sollen sie ihre Dienste frei wählen können und dazu ist es nötig, dass Diensteanbieter in einem abgesicherten rechtlichen Raum agieren können.
Sind die Befürworter des Leistungsschutzrechts selbst an ihrer Situation schuld, weil sie den digitalen Zug verpasst haben?
Schmiegelow: Sicherlich ist die Debatte Ausfluss einer Vormachtstellung von Google als dominierender Suchmaschine, und die Verlage haben im zurückliegenden Jahrzehnt nicht die Chance genutzt, durch eigene Innovation den Wegfall ihrer Werbeeinnahmen selbst zu kompensieren. Allein der Begriff "Leistungsschutzrecht" drückt das schon aus. Er führt die Debatte weg von digitaler Innovation, hin zu einem vermeintlichen Eingriff in Urheberrechte.
Der Nutzer muss Endgeräte und Zugang zur Presse, zu Information und zu Nachrichten haben. Genauso wie er am Kiosk in der Lage ist, Magazine und Zeitungen anhand der Titelblätter zu auszuwählen, muss das in der digitalen Welt abgebildet sein. Wir können ja nicht digital strengere Maßstäbe anlegen als in Print.
Zumindest in diesem Punkt teilen Sie sich die Argumentationslinie mit zahlreichen Kritikern des Leistungsschutzrechts. Deswegen noch einmal die Frage: Warum braucht es nun auch noch den Adiz, um diese Position zu wiederholen?
Schmiegelow: Durch meine Arbeit in Verbänden wie dem BVDW, Bitkom oder WDR-Rundfunkrat habe ich gelernt, dass bestimmte Themen eine Fokussierung brauchen. Wir wollen sicherstellen, dass genau dieses Thema auf der Tagesordnung bleibt und in einem konstruktiven Prozess gelöst wird. Außerdem ist eine Kooperation mit bestehenden Verbänden ja auch nicht ausgeschlossen.
Unabhängig vom Ausgang des Gesetzgebungsverfahrens wollen wir uns auch mit den Verlegern über Standards austauschen und einig werden, die im gemeinsamen Interesse dem Nutzer bessere Möglichkeiten des Zugangs zu Informationen, Inhalten und Nachrichten bieten.
Was sind die ersten konkreten Ziele?
Schmiegelow: Wachsen und die Debatte um das LSR versachlichen, damit die konkreten Folgen und Probleme sichtbar werden.
Wir wollen nicht unter der Fuchtel einer handwerklich schlecht gezimmerten "Lex Google" am Ende Gebühren für etwas zahlen, was eigentlich Ausfluss des Grundrechtes des Nutzers ist - und den Verlagen sogar nutzt. Die Gefahr ist groß, dass die Verlegerverbände auf Grund ihres Einflusses das Leitungsschutzrecht als Grundprinzip durchsetzen und der unzulängliche Entwurf flächendeckend Schaden an digitalen Innovation anrichtet.