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Stefan Groß-Selbeck über den Relaunch von Xing

Stefan Groß-Selbeck über den Relaunch von Xing "Mit breiter Brust und spitzen Ohren"

Das neue Xing wird heute Abend veröffentlicht. internetworld.de sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Stefan Groß-Selbeck über Facebook als Konkurrenz, den Börsengang von LinkedIn und das Ende von Open Social im Business-Netzwerk.

Das neue Xing ist ab heute Abend live. Handelt es sich dabei nur um ein verbessertes Design – oder wollen Sie sich damit selbst neu erfinden?

Stefan Groß-Selbeck: Neues Design – das klingt nach hübschen Bildchen. Das neue Xing ist mit Sicherheit die größte Veränderung seit Jahren, denn wir haben die Nutzerführung und die Informationsarchitektur grundlegend geändert. Dabei haben wir uns von der radikalen Vereinfachung leiten lassen, die man mobil anbieten muss, weil die Nutzer dort nur einen Daumen zum Navigieren haben. Unser Prinzip lautet: eine Seite, eine Funktion.

Sie werben damit, dass Sie nun den Nutzer und sein Netzwerk in den Mittelpunkt stellen – das erinnert mich an Facebook.

Groß-Selbeck: Wir haben in den vergangenen Monaten viel Zeit mit unseren Usern verbracht, eine dreistellige Zahl an Tiefeninterviews geführt, ein Nutzer-Lab aufgebaut und zum Beispiel mit Eyetracking gearbeitet, um herauszufinden, was die Mitglieder als ideal empfinden. Dazu gehören unter anderem Elemente, die es in ähnlicher Form auch in anderen sozialen Netzwerken gibt, wie etwa den chronologisch geordneten Feed relevanter Informationen. Bestimmte Kommunikations-Standards haben sich einfach durchgesetzt. Der Kontext ist allerdings bei Xing ein völlig anderer als bei privaten Netzwerken. Bei uns geht es um professionelle Kontakte und Kommunikation.

Vor zwei Jahren habe ich Sie in einer Podiumsdiskussion mit Kevin Eyres von LinkedIn und Markus Berger-de León, damals bei StudiVZ, erlebt, wo Sie sich zu dritt darin einig waren, dass der Markt für alle groß genug ist. Sehen Sie das heute immer noch so?

Groß-Selbeck: Für uns bietet der Markt definitiv viel Raum für weiteres Wachstum. Im deutschsprachigen Europa leben rund hundert Millionen Menschen, 4,7 Millionen davon sind Mitglied bei Xing; das entspricht einer Marktdurchdringung von fünf Prozent. In anderen Regionen dieser Welt, etwa den USA, UK oder den Niederlanden, haben Business-Netzwerke bereits eine Durchdringung bei über zehn Prozent. Im deutschsprachigen Raum gibt es also großes Potenzial für uns.

Wie begegnen Sie Facebook als Konkurrenz?

Groß-Selbeck: Ich glaube nicht, dass Facebook ein direkter Mitbewerber von uns ist. Das heißt allerdings nicht, dass das Wachstum von Facebook in Deutschland keine Auswirkungen für uns hat. So hat sich sicher ein Teil der privaten Kommunikation von Xing zu Facebook verlagert. Das ist auch nicht schlimm, denn das ist nicht unser Anspruch. Wir möchten das Netzwerk erster Wahl für berufliche Zwecke sein.

Wie wollen Sie die Generation Facebook für Xing begeistern?

Groß-Selbeck: Ich glaube, und unsere Marktforschung belegt das, dass es in Social Media wie im echten Leben eine Trennung zwischen Beruf- und Privatleben gibt. Die meisten Menschen unterscheiden zwischen beiden Welten: Mal bin ich zum Beispiel Freund und Familienvater, mal Kollege.

Ich habe den Eindruck, dass Digital Natives da nicht mehr trennen.

Groß-Selbeck: Das liegt am Alter. Als ich 25 Jahre alt war, bin ich auch nach der Arbeit mit den Kollegen ausgegangen, habe nicht getrennt zwischen Beruf und Privatleben. Heute sieht das ganz anders aus.

Das Ende von Open Social

Xing ist bei Facebook mit einer eigenen Unternehmensseite vertreten. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Groß-Selbeck: Wir nutzen Facebook als Medium, um mit Nutzern und Interessenten zu kommunizieren. Genauso nutzen wir etwa Twitter oder Youtube. Facebook hat sich als Ziel gesetzt, die Infrastruktur des Internets zu verändern, und davon soll auch Xing profitieren. Wir können dort Nutzer gewinnen, weil unser Angebot komplementär ist.

LinkedIn ist vor zwei Wochen an die Börse gegangen und verfügt nun über mehr als 200 Millionen Euro Kapital, das es auch für einen Ausbau seiner Präsenz in Deutschland einsetzen könnte. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Groß-Selbeck: Ich wäre arrogant, wenn ich sagen würde, der Wettbewerb wäre uns egal. Wir stehen da mit breiter Brust und gespitzten Ohren. Das heißt: Wir können selbstbewusst sein, wir wachsen schneller und haben deutlich zufriedenere Kunden als der Wettbewerb, aber natürlich muss man die Konkurrenz immer ernst nehmen.

Ihr Relaunch fordert auch Opfer – Sie stellen die Unterstützung für Open Social und die dazugehörigen Apps ein. Ist die Zeit der Vernetzung mit externen Angeboten wie Twitter für Xing vorbei?

Groß-Selbeck: Open Social ist ein Standard von Google, auf den Drittanbieter aufsetzen, um Applikationen zu entwickeln. Dieser Standard ist weniger stark angenommen worden als erwartet. Das müssen auch wir feststellen und entsprechende Konsequenzen ziehen. Deshalb geben wir alle Apps auf, die auf Open Social basieren, darunter auch Twitter Buzz. Es soll jedoch weiter Integrationen mit der Twitter-API geben, diese basieren dann jedoch auf unserer eigenen Schnittstelle.

Neu ist, dass Xing seinen Mitgliedern im Nachrichtenstrom passende Stellenangebote präsentieren wird. Deshalb zum Abschluss eine persönliche Frage: Welche Jobs wurden Ihnen vorgeschlagen?

Groß-Selbeck: Bürgermeister auf Helgoland. Aber nach reiflicher Überlegung und Gesprächen mit dem Aufsichtsrat habe ich von einer Bewerbung abgesehen.

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