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Display Advertising verschiedene Unterteilungen

Online Marketing Ist Display Advertising noch zeitgemäß?

OVK/BVDW
OVK/BVDW

Miese Klickraten, Adblocker, Banner-Blindheit. Display Advertising steht auf dem Prüfstand. Hoffnungsträger sind native Anzeigen und Video.

Es war einmal ein Banner. Das ging vor genau 20 Jahren auf dem Web-Magazin Hotwired online. Gebucht hatte die erste grafische Anzeige im Netz der Telekommunikationskonzern AT&T, für 30.000 US-Dollar im Monat. Wahrlich märchenhaft erscheint heute die damalige Click-Through-Rate (CTR) von 44 Prozent. Zurzeit liegt die Klickrate im deutschsprachigen Raum mit etwa 0,1 Prozent im Promillebereich. Einer von 1.000 Usern, die ein Banner sehen, klickt darauf.

Thomas Koch, Branchen-Urgestein und Ex-CEO der Agentur Tkm, resümiert dementsprechend bitter: "Die Menschen hassen die Online-Werbung. Und das wiederum macht die leidige Werbung im Netz wertlos.“ Tatsächlich ist die Vermarktung von Display Advertising, grafischer Werbung im Internet, schwieriger geworden. Wie schwierig, da ist sich die Branche ­uneins. Pessimisten prophezeien bereits den baldigen Untergang, der vor allem klassische Banner-Werbung treffen soll.

Standen 1994 Aspekte wie Wirkung oder Reichweite angesichts der Innovation nicht im Vordergrund, scheint sich das Web-Werbegeschäft heute nur noch ­darum zu drehen. Rund um die Online-Marketing-Welt ist ein kompliziertes Geflecht aus Agenturen, Vermarktern und Technologieanbietern entstanden.

Zum klassischen Fullsize Banner gesellten sich zahlreiche Formate. Inzwischen umfasst Display Advertising nicht mehr nur Anzeigen auf Webseiten (Inpage), sondern auch Werbeclips vor oder nach dem Video-Content.

Die Zeiten blauäugiger Begeisterung sind allerdings vorbei. User reagieren auf die Banner-Flut gereizt und ­installieren Werbeblocker. Marktführer ­Adblock Plus etwa hat im Desktop-Bereich weltweit über 60 Millionen aktive User im Monat. War’s das also mit den Bannern?

Die Antwort von Stefan Husemann ist eindeutig: "Der in regelmäßigen Abständen angestimmte Abgesang auf Online-Display-Werbung ist Unsinn“, so der CEO der Advertising Alliance AG, eines Zusammenschlusses aus fünf Spezialvermarktern, "aber es ist richtig, dass sich klassische Online-Werbung in einem massiven Qualitäts- und Effizienzwandel befindet.“

Auf die Probleme angesprochen, verweisen Vermarkter wie Husemann gern auf die Werbebudgets. Laut OVK-Report wird Display-Werbung 2014 in Deutschland ein Gesamtvolumen von 1,4 Milliarden Euro netto erreichen. Ein Plus von 6,8 Prozent.

"Gemessen an den Bruttowerbe­investitionen gehört das Banner zu den Top-10-­Online-Werbeformaten in Deutschland“, ergänzt Thomas Duhr, stellver­tretender Geschäftsleiter Interactive bei IP Deutschland. Grund dafür ist laut Duhr, dass das Format einfach und effektiv ist und eine hohe Sichtbarkeit garantiert.

Kollege Martin Lütgenau zweifelt ebenfalls nicht an klassischer Banner-Werbung. "Sie steht lediglich durch das Überangebot unter Preisdruck“, so der Tomorrow-Focus-Chef.

Display Advertising als Opfer einer Spirale

Das ist das große Problem. Display Advertising ist Opfer einer Spirale geworden. "Je stärker das Angebot zunahm und die Preise in den Keller sanken, desto mehr Werbung musste auf die Websites“, erklärt Branchenkenner Koch.

Die Publisher sahen sich so gezwungen, einzelne Platzierungen günstiger anzubieten. "Es wurden also mehr Werbeflächen geschaltet, um trotzdem Umsatzziele zu erreichen und Kosten zu decken“, ergänzt Paul Mudter, Vorsitzender des OVK. Der hohe Werbedruck ging dann wiederum zulasten der Klickrate. Ein Teufelskreis.

Die Liste der Probleme ist lang. Unbefriedigende Wirkungsnachweise gehören - trotz neuer Konvergenz-Unteruchungen  wie der Intermedia-Studie der ­Agma - dazu, ebenso wie Standards, welche die Leistung ­belegen. Denn Klicks allein sind als Key Performance Indicators (KPI) für Banner nicht mehr aussagekräftig.

Zudem hat sich der Einsatzbereich der Anzeigen erweitert. Vor allem multimedial aufgewertete Banner (Rich Media) werden nicht mehr nur für Performance-, sondern auch für Branding-Kampagnen eingesetzt. Das wiederum erfordert mehr Kreativität – ein weiteres Problemfeld.

"In den Agenturen macht der beste Kreative den 30-Sekünder, der zweitbeste irgendein ultracooles Event, die Banner schrubbt der Praktikant. Einen Lion kann man mit Bannern sehr schwer gewinnen“, so Lukas Kircher, Gründer von Kircher Burkhardt.

Daraus allerdings die Schlussfolgerung zu ziehen, Banner-Werbung habe ausgedient, ist für die Branchenvertreter falsch. Verändert haben sich aber die Ansprüche an die Kampagnen: "Diese müssen heute über alle digitalen Kanäle ausgespielt werden. Natürlich sucht man da nach Formaten, die crossmedial gleich funktionieren", sagt Oliver von Wersch, Managing Director G+J Digital Products.

Native Advertising als Zukunftsform

Das goldene Kalb ist hier im Moment Native Advertising. Beiträge, die in den redaktionellen Content eingebettet sind, könnten plumpe Banner-Werbung in eine Nebenrolle drängen. Sie sollen unaufdringlich und glaubwürdig sein: Attribute, die vor allem im zukunftsträchtigen Mobile-Geschäft gefragt sind. Denn um User auf Smartphones effektiv zu erreichen, gelten gerade Banner als wenig erfolgreich.

Sie stören auf dem kleinen Bildschirm das Surfverhalten zu sehr. Die Lösung sollen native Formate sein. "In unseren Augen ist das eine der besten Möglichkeiten, mobile Angebote erfolgreich zu monetarisieren“, meint Steffen Hopf, Chef von Yahoo Deutschland. "Es ist damit auch in der Lage, Display-Werbung in diesem Umfeld zu verdrängen.“

Ein Selbstläufer ist das aber nicht. Die Forschung steht erst am Anfang. Trotzdem verspricht sich Hopf für Mobile viel: "Das macht sich definitiv in den Umsätzen bemerkbar. Ich gehe von einem deutlich zweistelligen Prozentsatz am Gesamtumsatz aus.“ Im stationären Bereich hingegen wird Display-Werbung für Hopf weiter ihre Berechtigung behalten. "Native Advertising stellt hier eher eine ­gute Ergänzung dar.“
Mehrwert für den User - das verspricht zudem Content Marketing.

Es legt den Fokus auf Owned- und Earned-Kanäle, wie Blogs und Social Media. "In den USA werden bereits 25 Prozent der Marketing Spendings für Content ausgegeben“, weiß Kircher. Für den Agenturchef entsteht durch Social oder Mobile, aber auch durch die neuen Customer Journeys, ein "gewaltiger Hunger“ nach zielgruppengenauem Content. Er sieht im Content Marketing durchaus eine Gefahr für klassische Display-Werbung: "Advertising ist für Awareness noch eine Klasse für sich. Aber Themen wie Reputation oder Leads sehen wir in Zukunft besser bei Content Marketing aufgehoben.“

Nettowerbekuchen für Display-Advertising 2013
ZAW 2014/OVK

Größter Hoffnungsträger im Moment ist Bewegtbild. Der aktuelle Boom überrascht Thorsten Schütte-Gravelaar nicht: "Das Wachstumspotenzial ist enorm, da die Internet-basierte Mediennutzung die einzig steigende ist“, so der Geschäftsführer beim Bewegtbildvermarkter Smartclip. Bei Tomorrow Focus zeigt sich das in der Praxis. "In-Stream Video Ads verkaufen sich aufgrund der geringen Verfügbarkeit an qualitativem Traffic auf unseren Plattformen wie beispielsweise Chip, Huffington Post oder TV Spielfilm hervorragend“, so Lütgenau.

Schwung ins Display Advertising soll der ­automatisierte Werbehandel bringen. Bei der Einschätzung, welcher Stellenwert Programmatic Advertising zukommt, ist Duhr zwiegespalten. "Die ökonomischen Vorteile sind zunächst nicht von der Hand zu weisen und spielen auch in unserem Haus eine zunehmend wichtige Rolle“, so der IP-Mann. Doch je mehr Dritte an den Abläufen beteiligt seien, umso intransparenter und unkontrollierbarer würden die gerade für Werbungtreibende relevanten Merkmale wie Umfeldqualität oder Sichtbarkeit.

Für Oliver Wolde, Mitglied der Geschäftsleitung bei Interactive Media, wiegen die Vorteile schwerer: "Die programmatische Abwicklung des - auch hochwertigen - Media­geschäfts wird, wie bei uns, zu einem deutlichen Effizienzgewinn führen, auch für Agenturen und Werbungtreibende.“ So sollen 2015 alle gängigen Werbeformen bei Interactive Media über Real-Time Advertising buchbar sein.

Display Advertising mit mehr Qualität

Zukunftspotenzial sieht die Branche für Banner als Bestandteil crossmedialer Kampagnen und in Verbindung mit Elementen wie Native Advertising. Zudem gilt: "In der Display-Werbung muss wieder Qualität zum Tragen kommen, es darf nicht das einseitige Schielen auf möglichst billige Preise vorherrschen“, sagt Advertising Alliance-Chef Husemann.

Er plädiert für mehr Planung, hochwertige Media und leistungsstarke Technologie. Die damit verbundenen höheren Werbekosten werden durch geringere Streuverluste und Skalierbarkeit weit überkompensiert, glaubt er. Das ändert auch das Verhältnis von Content und Werbung.

"In dem Moment, wo Werbungtreibende und Agenturen stärker auf diese qualitativen Faktoren achten, engt sich das buchbare Potenzial deutlich ein“, erklärt Mudter. Exklusive Platzierungen für exklusives Geld also. Das soll laut einer IP-Studie die Werbewirkung erhöhen.

Mudter ist sich sicher, dass die Bereitschaft, für eine höhere Wirkung einen höheren Preis zu zahlen, dann auch vorhanden ist. Gute Aussichten für das Banner also – und wenn es nicht ­gestorben ist, dann lebt es noch heute ... 

Lesen Sie im Interview mit Paul Mudter, wie Native Advertising den Display-Markt beeinflusst.

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