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Jochen Toppe

Gastkommentar Brandbuilding: Überleben im Haifischbecken der E-Commerce-Riesen

Jochen Toppe, VP Product Management bei CoreMedia

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Jochen Toppe, VP Product Management bei CoreMedia

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Wieso ist der Aufbau einer Marke für Online-Händler wichtig? Wie gelingt ein erfolgreiches Brandbuilding? Antworten auf diese Fragen liefert Jochen Toppe, VP Product Management bei CoreMedia.

Vor 30 Jahren waren es noch die stationären Einzelhändler, die sich fragten, wie sie gegen Riesen à la Kaufhof und Co bestehen können. Heute vollzieht sich das selbe Schauspiel im E-Commerce. Kleinere, aber auch mittelständische Online-Händler fragen sich, wie sie gegen Größen wie Amazon oder Zalando überhaupt bestehen können.

Damals wie heute ist die Antwort dieselbe: durch ihr Alleinstellungsmerkmal, neudeutsch Unique Selling Proposition (USP). Die Konsumenten brauchen einen konkreten Grund, um beim Händler an die Tür zu klopfen und auch wiederzukehren. Das ist der erste Schritt in Richtung einer Markenbildung. Das reine Produktangebot reicht als Abgrenzungsmerkmal zum Wettbewerb nicht mehr. Denn mit der Weiterentwicklung der Technologie hat sich ein zusätzlicher Aspekt für die Markenbildung etabliert: Das Online-Erlebnis. Kunden erwarten heutzutage mehr als die reine Produktpalette, sie wollen begeistert und zum Kauf inspiriert werden. Das Einkaufserlebnis schärft also den Charakter einer Marke und festigt die Bindung zum Kunden.

Markenaufbau: Wieso muss das sein?

Gemessen an der reinen Produktmenge und -auswahl können die meisten Online-Händler nicht mit Branchenriesen wie Amazon konkurrieren. Das selbe gilt oftmals auch in Bezug auf den Preis. Doch auch kleinere Händler können sich auf dem Markt etablieren, wenn sie andere Wiedererkennungsmerkmale hervorheben. Durch sie vermeiden Online-Händler, austauschbar zu sein und geben den Kunden die Möglichkeit, sich mit den Produkten, aber auch dem Versprechen des Händlers zu identifizieren und somit den Shop aufzusuchen. Das Wiedererkennungsmerkmal kann für jeden Anbieter anders aussehen. Im Grunde ist es Teil einer kanalübergreifenden Content-Strategie, die dem Kunden über die Produkte hinaus einen zusätzlichen Mehrwert liefert - das Online-Erlebnis.

Der Drogeriemarkt dm gibt ein gutes Beispiel hierfür ab. Der neue Onlineshop liefert saisonale Angebote wie zum Jahresbeginn. Der integrierte Blog "Glückskind" gibt darüber hinaus frisch gebackenen oder werdenden Eltern Tipps von der Schwangerschaft bis zum zwölften Geburtstag des Kindes. Dadurch hebt sich der Shop von reinen Produktseiten ab und liefert ein allumfassendes Erlebnis für den Kunden über alle Kanäle hinweg.

Die Onlineshops avancieren somit vom Produktkatalog zur Erlebnis- und Informationsplattform, zugeschnitten auf die individuellen Bedürfnisse und Interessen der jeweiligen Zielgruppe. Ziel dieses Konzepts ist es, aufgrund der kreativen Gestaltung durch Storytelling den Kunden zu inspirieren und ihm Ankerpunkte für einen Beziehungsaufbau zur Marke zu liefern. Emotionaler Content ist somit ein wichtiger Baustein für den Aufbau einer Marke und das Transportieren strategischer Botschaften.

Personalisierung als Grundlage der Markenbildung

Um seine Zielgruppe zu erreichen und so den Aufbau seiner Händlermarke zu befeuern, muss der Webshop-Betreiber seinen potenziellen Kunden genau die Inhalte anbieten, die für sie relevant sind. Um den richtigen Content ausspielen zu können, muss die Zielgruppe genau definiert sein. Die Basis dafür bildet eine detaillierte Analyse der Kundendaten.

Anschließend können Shop-Betreiber die Ergebnisse der Analyse für die Gestaltung des Webshops, Produktempfehlungen oder den Social Media Content nutzen. Diese Daten sind durch Cookies, Registrierungsdaten über Eingabemasken und soziale Netzwerke oder Webserver-Logdaten mit der Identifizierung über die IP-Adresse zu erreichen.

Externe Dienstleistungen, wie Predictive Analytics, ermöglichen den Händlern, den Kauf-Pfad des Kunden und damit seine Interessen über mehrere Websites hinweg nachzuvollziehen. Die Integration eines Analyse-Tools in das jeweilige Web Content Management-System des Online-Händlers erlaubt damit einen tiefen Einblick in die Kundensphäre. Darüber hinaus bedarf es moderner Plattformen für die personalisierte, digitale Erlebnisvermittlung, die flexibel genug sind, Inhalte individuell an allen relevanten Touchpoints auszuspielen. Sind diese Grundlagen gegeben, bedienen Online-Händler einen individuellen Bedarf und liefern relevanten Content, der ihrer Marke Profil verleiht und ihnen somit hilft, sich von den Massen-Marktplätzen wie Amazon abzuheben.

Cross Channel-Stringenz: Eine Strategie auf allen Kanälen

Nach der Pflicht - der Erhebung und Analyse der Kundendaten - steht die Kür an. Wenn erst einmal die Bedürfnisse ermittelt sind, muss ein kanalübergreifendes Konzept entwickelt werden. Damit sendet der Händler über alle Touchpoints hinweg, sei es im Onlineshop, dem stationären Geschäft oder auf anderen Plattformen, wie Social Media, die gleiche Markenbotschaft. Die klassische Trennung von On- und Offline wird damit aufgehoben. Der Kunde selbst unterscheidet ohnehin nicht zwischen den verschiedenen Kanälen und nimmt nur das Unternehmen an sich, oder eben die Marke, wahr. Praktische Möglichkeiten für eine Verschmelzung der Welten gibt es viele, zum Beispiel Click & Collect.

Je mehr Online- und Offline-Welt miteinander verschmelzen, desto besser kann sich der Verbraucher orientieren und desto sicherer und wohler fühlt er sich, denn die Botschaften und Angebote des Händlers sind ihm vertraut. Aus diesem Grund bauen Ketten stationärer Geschäfte alle ihre Filialen oft nach dem gleichen Prinzip auf. Der Kunde soll sich immer schnell zurechtfinden, egal, in welcher Stadt er gerade eine Filiale besucht, sofort soll das Gewohnte eine Sicherheit vermitteln.

Dieses Konzept lässt sich auch auf das Zusammenwirken von E-Commerce und stationärem Handel übertragen. Wenn der Online-Shop beispielsweise mit Themenwelten arbeitet, ist es durchaus sinnvoll, diese auch im Ladengeschäft zu präsentieren. Digitale Panels innerhalb der Läden können es den Kunden ermöglichen, auch stationär die gleichen übersichtlichen Produktinformationen zu erhalten wie online. Das Serviceversprechen der Marke muss immer das gleiche sein, unabhängig vom Kanal. Das stärkt das Vertrauen in und die Identifikation mit der jeweiligen Händlermarke.

Nicht nur den Inhalt personalisieren, sondern auch die Marke

Ein weiterer wichtiger Aspekt einer Marke ist der Charakter. Kunden sind nicht einem großen, intransparenten Unternehmen gegenüber loyal, sondern gegenüber Menschen mit einer Geschichte. Um der Marke ein Profil und einen Charakter zu geben, muss jedes Unternehmen seine ganz eigene Geschichte finden.

Ein Beispiel: Wenn der Gründer des Unternehmens vielleicht schon als Kind gern Kakao getrunken hat und sich noch als Erwachsener weigert zum Kaffee zu greifen, dann kann er das gerne erzählen. Insbesondere wenn er einen Onlineshop mit 300 verschiedenen Kakao- und Schokoladensorten erschaffen hat. Auf den ersten Blick mag das unerheblich erscheinen. Was macht es schon, was der Gründer früher gemacht hat, wenn ich doch nur Schokolade kaufen will?

Doch diese kleine Geschichte liefert eine charmante Anekdote, das Storytelling lässt das Unternehmen menschlich erscheinen und personifiziert es quasi. Es ist sozusagen die moderne Form der Tante Emma vom Laden um die Ecke. Stand man früher mit der Dame zusammen und sie erzählte von ihren Anfängen im Einzelhandel und wie sie liebevoll ihr Sortiment zusammengestellt hat, so fühlte man sich gleich wohlig und geborgen. Da hat sich jemand wirklich Gedanken gemacht und wollte den Kunden einen besseren Platz zum Einkaufen bieten.

Genau das funktioniert eben auch online. Jedes Unternehmen hat eine Geschichte und Menschen, die dort arbeiten. Wer seinem Unternehmen mithilfe von Storytelling ein Gesicht verleiht, wirkt wesentlich nahbarer und damit sympathischer. Die Kunden kommen, weil sie sich wohl fühlen und mit der Marke und ihren Geschichten identifizieren können und nicht nur, weil sie mit einer Masse von Produkten überflutet werden. Es gilt, diese Geschichte zu finden und sie als Teil der Erlebnisvermittlung auf allen Kanälen zu transportieren.

Die Kundenbindung erfolgt nicht (nur) über das Produkt

Die Kombination aus guter Technik, einem flexiblen Content-Management-System, modernen Analysetools und der anschließenden kreativen Verpackung in ein emotionales Storytelling bilden also die Grundlage einer jeden Marke.

Dadurch kann die reine Produktwelt zwar immer noch nicht mit den Branchenriesen mithalten, aber der zusätzliche Mehrwert überzeugt die Kunden, sie fühlen sich vom Unternehmen und der Marke ernst genommen und verstanden. Dieses Gefühl löst eine intensivere Bindung aus als Produktmassen es jemals könnten. Und dieses Gefühl ist wiederum das, was eine Marke ausmacht: Eine Marke ist ein emotionales Gebilde, eine Geschichte, die auf authentische Art und mit Wiedererkennungswert das Leben der Kunden bereichert. 500 verschiedene Toaster sind zwar eine große Auswahl, doch bleiben es alltägliche Geräte ohne Charme, die der Konsument auch überall anders kaufen könnte. Die Marke selbst mag nur drei Toaster haben, aber zu denen gibt es noch die besten Rezepte für einen großen Frühstückbrunch, inklusive lustigem Video.

Und schon ist ein Produkt mehr als nur eine Anhäufung von Plastik und Kabeln - es ist Teil der Lebenswelt und damit Teil der Markenbotschaft. Das macht den Unterschied zu den Großhändlern aus und erschafft treue Kunden, die sich wertgeschätzt fühlen.

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