
Branchenanalyse Affiliate Marketing - überholt oder unterschätzt?
Auch wenn der Begriff Affiliate nicht mehr als so modern gilt: Viele der vermeintlichen Trendthemen stammen bei näherer Betrachtung irgendwie auch aus dem Affiliate Marketing. Eine Branchenanalyse.
Von Philip Kopp, Head of Affiliate Marketing bei netzeffekt
In der Anfangszeit des Affiliate Marketings ging es primär um vertriebliche Publisher, die mit eigener Reichweite (Webseiten, Newsletter-Adressbestände etc.) und eigenen Inhalten den "Vorverkauf" von Produkten und Dienstleistungen einleiteten.
In der allgemeinen Wahrnehmung haftet dieser frühere Stand auch häufig noch am Begriff "Affiliate". Dabei hat sich Affiliate Marketing in den letzten zehn Jahren ebenso dynamisch weiterentwickelt wie die gesamte Online-Branche und eigentlich stammen viele der vermeintlichen Trendthemen bei näherer Betrachtung der Herangehensweise irgendwie auch aus dem Affiliate Marketing.
Influencer sind auch nur Blogger, die als Affiliates arbeiten
Beispielsweise gibt es seit jeher Blogger, die in ihren Segmenten persönlich über Themen berichten und Empfehlungen abgeben. Inzwischen greifen diese neben ihrer eigenen Seite auf weitere Kanäle wie YouTube, Facebook, Instagram, Snapchat etc. zurück und nennen sich nicht mehr Blogger, sondern Influencer. Somit hat sich eigentlich nur die Art der Inventories verändert und das Vergütungsmodell.
Während Affiliates performance-abhängig (auf CPL/CPO) aus dem Vertriebsbudget bezahlt werden, rechnen Advertiser mit Influencern häufig auf WKZ- oder TKP-Basis ab und verbuchen dies als Marketingbudget.
Jede Webseite, die vertriebsorientierten Content einbindet, ist ein Affiliate
Am Ende will jede vermarktungsorientierte Seite Geld verdienen. Der einzige Unterschied ist lediglich die Art und Weise, wie die Werbeflächen bereitgestellt werden (d.h. ob ein Vermarkter eingebunden wird, ob die Bereitstellung programmatisch erfolgt oder ob persönlich und direkt mit dem Webseiten-Betreiber verhandelt wird) und wie risikoavers abgerechnet wird (TKP, CPC, CPL, CPO…).
Das häufig bei TKP und CPC Buchungen verwendete Argument der brandaffinen Reichweite ist kein wirkliches Abgrenzungsmerkmal zwischen Affiliate Marketing und Display Advertising beziehungsweise Programmatic Advertising. Affiliates mit Special-Interest-Seiten können durchaus mehr relevante Reichweite haben, als eine eng auf die Zielgruppe eingeschränkte Programmatic-Advertising-Kampagne.
Affiliates treiben Innovationen voran
Seit jeher waren es Affiliates, die Trendthemen aufgriffen, identifizierten und perfektionierten. Abgesehen vom SEO, schon immer Kernkompetenz des Affiliate Marketings, haben wir Vermarktungsideen wie Retargeting, PostView, Onsite Retargeting, Onsite Re Engagement kreativen Affiliates zu verdanken. Auch wenn alle diese Felder heute von spezialisierten Agenturen oder den Advertisern selbst abgedeckt werden, bieten noch immer namenhafte Anbieter ihre Leistungen als Affiliates in den Netzwerken an.
Die Kreativität der Publisher kannte in der Vergangenheit keine Grenzen, was einerseits zum großen Erfolg des Modells Affiliate Marketing führte, dem Online-Kanal aber stellenweise einen zweifelhaften Ruf einbrachte. Mittlerweile ist die Branche um einige Erfahrungen reicher und Affiliate Fraud kein wirkliches Thema mehr. Wer weiterhin neue Wege gehen will, kann auch heute nicht auf Affiliates verzichten und sollte ihnen entsprechende Freiheiten lassen und versuchen von deren Innovationskraft zu profitieren. Nicht die Verweigerung und Überreglementierung, sondern der Versuch die neuen Ansätze zu verstehen ist das Erfolgsrezept.
Affiliates agieren auch ein Stück weit wie Performanceagenturen
Ein Großteil des Wachstums im Affiliate Marketing basiert nicht mehr auf Publisher-Modellen mit eigener Reichweite, sondern auf Mediaeinkauf. Klar deckt ein Publisher im Gegensatz zu Performance-Agenturen dabei in der Regel nicht alle Kanäle/Disziplinen aus einer Hand ab, aber doch ein Thema oder ein paar Themen, in denen er Spezialist ist. Die für das Affiliate Marketing übliche performance-abhängige Vergütung und die unkomplizierte "Buchung" über Affiliate-Netzwerke macht das Affiliate-Angebot für Werbungtreibende beziehungsweise Agenturen auf den ersten Blick sehr interessant. Advertiser vermissen aber häufig die nötige Transparenz und die Steuerungsmöglichkeit bei diesen Modellen.
Die Vergütungsweise der Affiliates wird sich radikal verändern
Die Online-Landschaft hat sich gerade durch den programmatischen Traffic-Einkauf in den letzten Jahren radikal verändert. Gleichzeit ist der Wunsch nach relevantem Content so groß wie nie zuvor. Für eigenerstellten Content (Content Marketing) werden Marketingbudgets bereitgestellt, ebenso für Markenfürsprecher (Influencer).
Von Affiliates, die Content vermeintlich aus SEO-Gründen erstellen, wird erwartet, dass sie dies auf eigene Kosten tun - sie werden nur im Erfolgsfall bezahlt. Der Publisher bewertet seine Leistung in der Regel nicht am CPL oder CPO, sondern am EPC (Earnings per Click). Dadurch kann der Affiliate unterm Strich beurteilen und vergleichen, was ihm seine Seite monetär bringt - unabhängig von Conversion Rates, etc. Aber selbst der EPC ist nur die halbe Wahrheit, da er den Aufwand des Traffic-Einkaufs und die pure Content-Erstellung (SEO) nicht honoriert.
Im Affiliate Marketing sind neue Provisionsmodelle gefragt, die den nachweislichen Wertbeitrag zur Markenwahrnehmung berücksichtigen. Mit den "Influencern" scheint man hier bereits in die richtige Richtung zu gehen.
Fazit
Auch wenn der Begriff Affiliate nicht mehr als so modern gilt: Im Grunde geht es darum, gezielte Reichweite zu generieren und dadurch vertriebliche Interaktionen bzw. Transaktionen zu generieren. Je erfolgsabhängiger das jeweilige Vergütungsmodell gestrickt ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Affiliate Marketing handelt - den Einsatz einer entsprechenden Technologie vorausgesetzt.
Unter dem Deckmantel der Affiliate-Netzwerke und aufgehübscht durch trendigere Bezeichnungen, bekommen Werbungtreibende heutzutage eine Reihe von Fremdleistungen angeboten. Die Kernkompetenz der Affiliates ist aber die Generierung von eigener Reichweite aus eigenem Content. Und das wird auch so bleiben.
Affiliatemarketing wird somit, unter welchem Namen auch immer, ein dauerhafter Bestandteil vertriebsorientierter digitaler Vermarktungsaktivitäten sein.