
Axel Springer "Anbieter wie eyeo sind keine altruistischen Wohlfahrtsverbände"
Claas-Hendrik Soehring, Leiter Medienrecht bei Axel Springer
Claas-Hendrik Soehring, Leiter Medienrecht bei Axel Springer
Der Bundesgerichtshof verkündet am Donnerstag das Urteil im Fall Axel Springer versus eyeo. Wir sprachen vorab mit Claas-Hendrik Soehring, Leiter Medienrecht bei Axel Springer, über mögliche Konsequenzen und seine Wünsche an die Branche.
Am Donnerstag ist es soweit. Der Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet im Fall Axel Springer AG versus eyeo, Betreiber des populären, aber umstrittenen Werbeunterdrückers AdBlock Plus. Tim Schumacher, Mitgründer von eyeo, zeigte sich im Gespräch mit uns recht zuversichtlich, was die Verhandlung angeht. "Für eyeo wäre es kein Problem, die Whitelist in Deutschland auszuschalten, die meisten unserer Partner sind internationale Unternehmen, die Auswirkungen eines solchen Urteils wären für uns also kaum spürbar", so Schumacher.
Für Claas-Hendrik Soehring, Leiter Medienrecht bei Axel Springer, stellt sich die Sachlage erwartungsgemäß anders dar. Er erklärt im Interview, was die Konsequenzen im Fall einer "Niederlage" wären und was er sich von der Branche wünscht.
Die meisten Gerichte haben die Software bislang für legal erklärt. Gehen Sie davon aus, dass der BGH das auch so sehen wird?
Claas-Hendrik Soehring: Das stimmt nicht. Mehrere Landgerichte in Hamburg und Frankfurt haben bereits das gewerbliche Blockieren von Werbung durch Adblocker-Apps - das sogenannte "Blacklisting" - als unzulässige Behinderung verboten, diese Urteile sind rechtskräftig. Und das Oberlandesgericht Köln, dessen Urteil heute Gegenstand der BGH-Verhandlung ist, hat konkret das "Whitelisting"-Geschäftsmodell von eyeo ausdrücklich als "aggressive geschäftliche Handlung" eingestuft und für unzulässig erklärt. Vor diesem Hintergrund ist und bleibt unser Verfahrensziel, dass schon das "Blacklisting" verboten wird. Denn wir sind weiterhin der Ansicht, dass der Vertrieb einer Software, die keinen anderen Zweck erfüllt, als die visuelle, technische und finanzielle Integrität von Online-Medien zu beschädigen, rechtswidrig ist.
Welche Auswirkungen hat die Entscheidung, sofern sie denn zu eyeos Gunsten ausfällt, auf Ihr Geschäftsmodell - respektive auf das vieler Publisher und Vermarkter?
Soehring: Wenn jeder Nutzer Werbung blockieren würde, gäbe es keine Werbeerlöse mehr. Um es ganz klar zu sagen: Digitaler Journalismus wäre dann nicht mehr refinanzierbar und die Medienvielfalt im Internet gefährdet. Wer die Finanzierungsgrundlagen für publizistisch relevante Internet-Angebote zerstört, beseitigt damit auch den für die demokratische Meinungsbildung grundlegend bedeutsamen freien Zugang zu den Ressourcen des Informationszeitalters. Werbeanzeigen sind vom Grundgesetz in gleichem Maße durch die Pressefreiheit geschützt wie redaktionelle Inhalte. Werbeblocker wirken wir eine Zensur, bei der Dritte entscheiden, welche Inhalte auf einer Webseite erscheinen dürfen. Insofern würden wir eine für uns negative Entscheidung auch durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen.
eyeos Umsatzanteil in Deutschland ist im internationalen Vergleich fast schon vernachlässigbar. Woher glauben Sie kommt die große mediale Aufmerksamkeit und die Abneigung zahlreicher Branchenteilnehmer in Deutschland?
Soehring: Das ist so nicht richtig. eyeo hat mit über 50 Prozent den mit Abstand größten Marktanteil unter den Werbeblockern. Zusammen mit Betafish, einem amerikanischen Kooperationspartner von eyeo, kommen beide "Whitelist-Anbieter" auf einen Marktanteil von 89 Prozent. Vor dieser Marktmacht sind sogar die US-amerikanischen Internetgiganten wie Google, Microsoft und Amazon eingeknickt: Sie zahlen jährlich zweistellige Millionenbeträge, damit ihre Werbeanzeigen wieder durchgelassen werden. Bei deutschen Medienangeboten nutzt jeder zweite bis dritte Nutzer einen Werbeblocker. Da Werbenetzwerke aber nur die tatsächlich angezeigte Werbung vergüten, verursachen Internet-Werbeblocker den deutschen Verlagen jährlich Schäden in Millionenhöhe.
Was wünschen Sie sich von Politik, Branchenteilnehmern - und auch den Nutzern beim Thema Adblocking?
Soehring: Wir erwarten, dass alle Beteiligten ihre Sicht auf Werbeblocker noch einmal kritisch überprüfen. Anbieter wie eyeo, die sich über "Whitelisting" finanzieren, sind keine altruistischen Wohlfahrtsverbände, sondern Unternehmen mit einem klaren Geschäftsmodell. Sie haben einen Weg gefunden, als Gatekeeper von dem großen Potential der Internetwerbung zu profitieren, indem sie unmittelbar in die visuelle, technische und finanzielle Integrität von Online-Medien eingreifen und ihre rechtswidrigen Handlungen anschließend zu Geld machen. Verbraucher sind dabei bloß Mittel zum Zweck eines aus unserer Sicht erpressungsähnlichen Vorgangs.