
Hendrik Kempfert von Adform AdBlock Plus: Der "Robin Hood" der geächteten User?
Hendrik Kempfert, Managing Director (D,A,CH) bei Adform
Hendrik Kempfert, Managing Director (D,A,CH) bei Adform
Das Problem mit Adblockern wird sowohl für Advertiser als auch für Publisher immer präsenter. Wie man es am besten angehen sollte und welche Rolle AdBlock Plus spielt, erzählt Hendrik Kempfert von Adform.
Adblocker werden immer mehr zum Problem für Advertiser und Publisher. Das zeigen nicht nur die zahlreichen Prozesse, die in der Vergangenheit gegen den Anbieter des Werbeunterdrückers AdBlock Plus geführt und größtenteils verloren wurden. Eine Analyse von YouGov hat kürzlich ergeben, dass rund die Hälfte der Adblocker-User diesen dauerhaft eingeschaltet hat, ob passende oder nervige Werbung ausgespielt wird, wird also gar nicht mehr registriert. Wie man dieses Probelm angehen sollte und was eigentlich von der kürzlich gelaunchten SSP von AdBlock Plus-Betreiber Eyeo zu halten ist, erzählt uns Hendrik Kempfert von Adform im Interview.
Worin besteht Ihrer Meinung nach das grundsätzliche Problem mit Adblockern?
Hendrik Kempfert: Man muss sich zunächst einmal klarmachen, warum Werbung überhaupt gezeigt wird. Dabei handelt es sich um eine Monetarisierungsform für Inhalte. Wenn ich jetzt eine Print-Ausgabe des Spiegels mit Werbung am Kiosk kaufe, regt sich niemand darüber auf, dass sich darin Werbeanzeigen befinden. Im Internet ist das Grundproblem, dass User immer noch ein Stück weit der Meinung sind, dass Webinhalte für sie kostenlos sind. Dass Webseitenbetreiber auch hier die Produktion der Inhalte mit Werbung refinanzieren müssen, scheint viele User nicht zu interessieren. Durch das vermehrte Aufkommen von Adblockern experimentieren zum Beispiel Bild.de, Spiegel.de oder Focus.de mit sogenannten "Plus"-Modellen. Hier werden die Verwender von Werbeunterdrückern zur Kasse gebeten, um Zugang zum Inhalt zu erhalten. Es sei denn, sie sind dazu bereit, den Adblocker zu deinstallieren. Die Kehrseite ist aber, dass Marketer zunehmend nervige und blinkende Werbung platzieren, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Zudem stört zu viel Werbung die Performance einer Webseite immens, denn sie wird gerade durch Rich Media-Inhalte, die vermehrt genutzt werden, langsamer. Vor allem aus diesen Gründen installieren Leute Werbeunterdrücker.
Warum platzieren Advertiser so aufdringliche Werbung?
Kempfert: Der Mensch neigt dazu, immer wiederkehrende Sachen auszublenden. Die Klickrate auf ein normales Werbebanner lässt stetig nach. Früher lag die Klickquote bei solchen Bannern im Schnitt bei 0,3 Prozent, heute sind es - wenn man Glück hat - noch 0,1 Prozent. Das heißt, die Leute sehen diese Werbeflächen überhaupt nicht mehr. Deshalb blinkt eine solche Werbefläche heutzutage wie wild oder ist animiert. Aber genau an diesem Punkt fangen eben die User an, sich von Werbung belästig zu fühlen.
Wie sieht Werbung aus, die User nicht dazu verleitet, einen Adblocker zu nutzen?
Kempfert: Ich denke, dass Werbung, die einen Bezug zum User hat, wahrgenommen wird - und das auch, wenn sie nicht blinkt. Es ist allerdings ein Stückweit utopisch zu glauben, dass es in der Breite richtig gute Werbung gibt, die der Kunde toll findet. Ich glaube aber, dass es nicht aufdringliche Werbung gibt und auch Werbeformate, die nicht grundsätzlich abturnen.
Glauben Sie, dass man die Installationen von Adblockern eindämmen kann, wenn man Usern keine nervige Werbung mehr ausspielt?
Kempfert: Zumindest sehen wir, dass die Installationsrate von Adblockern nicht mehr so stark steigt. Ich meine, dass bekannt gegeben wurde, dass sie sogar etwas rückläufig ist. Ich denke allerdings, dass dieser Trend eher dem vermehrten Aufkommen von Paywalls geschuldet ist und nicht der weniger aufdringlichen Werbung. Meiner Meinung nach hätten die Vermarkter viel früher gemeinsam den Schritt wie Bild.de gehen und konsequent die User von Adblockern von ihren Inhalten ausschließen sollen. Ich bin davon überzeugt, dass man damit die Verbreitung von Adblockern viel früher hätte eindämmen können.
Das grundsätzliche Problem ist ja, dass sobald ein User einen Adblocker installiert hat, er gar keine Werbung mehr zu sehen bekommt, also auch keine, die ihn vielleicht positiv ansprechen könnte. Wie gewinnt man User, die dauerhaft einen Werbeunterdrücker installiert haben, zurück?
Kempfert: Klar ist, ein User der einen Adblocker installiert hat, ist im Grunde ein verlorener Nutzer. Ob er den Werbeunterdrücker von selbst deinstallieren wird, weiß man eben nicht. Der einzige effektive Schritt, um den User zur Deinstallation zu bewegen, ist, dass man ihn von seinen gewohnten Inhalten ausschließt, solange er weiterhin Werbung unterdrückt.
Vor gut einem Jahr hat Adform sechs Werbeformate gelauncht, die die User weniger stören sollen. Wie fällt Ihre Bilanz zu diesen Formaten aus?
Kempfert: Sie werden bisher ganz gut adaptiert und werden auch vergleichsweise mehr genutzt als andere Formate. Das hat aber auch damit zu tun, dass die Auslieferungsmechaniken es erlauben, die Interaktion des Users mit dem Werbemittel zu messen. Das war bei früheren Werbemitteln nicht wirklich möglich.
Ich denke, dass wir bald auch neue Werbemittel sehen werden, die mehr auf die Geräte eingehen, auf denen die Werbung ausgespielt wird. So könnte es zum Beispiel sein, dass man sein Handy schüttelt und es dadurch eine bestimmte Animation im Werbemittel gibt. Das hat natürlich auch etwas mit der Generation zu tun, die man damit ansprechen möchte. Denkbar sind aber auch Formate, die auf die Sensoren abzielen, wie die Spracheingabe. Solche Ads werden sicher in der Zukunft zunehmen und zu einer indirekten Interaktion mit der Marke führen.
AdBlock Plus stellt ja seit Kurzem seine eigene SSP zur Verfügung. Wie ordnen Sie diesen Schritt ein?
Kempfert: Die sind schon sehr schlau, aber im Grunde ist es perfide. Die "Acceptable Ads" waren ja schon ein Reizthema, da sich da Unternehmen wie Google freikaufen konnten. Allein diese Sache fand ich schon sehr suspekt.
Auf der einen Seite gibt sich Eyeo als der "Robin Hood" der geächteten User aus und verspricht ihnen, wieder ihre Rechte zurückzuerobern. Und auf der anderen Seite diejenigen, die genug Geld bezahlen, laufen lassen. Jetzt treiben sie es dann wirklich auf die Spitze, indem sie die freien Werbeflächen versteigern. Das ist meiner Meinung nach einfach nur unterste Schublade. Das sind Leute, mit denen will man sich nicht abgeben. Der erste, der mit Eyeo Geschäfte macht und auf den Zug aufspringt, mit dem will keiner mehr etwas zu tun haben.
Sehen Sie die SSP von AdBlock Plus als Konkurrenz?
Kempfert: Wir sehen sie nicht wirklich als Konkurrenz. Auf der einen Seite sagt AdBlock Plus zu den Werbungtreibenden 'die User wollen deine Werbung nicht' und jetzt kommen sie an und sagen: Hier habe ich die User, wenn du willst, kannst du sie als Advertiser doch ansprechen, aber eben nur über uns. Was soll man denn davon halten? Abgesehen davon fehlen Eyeo die Daten zu den Usern, um eine SSP erfolgreich zu betreiben. Diese SSP müsste erstmal ihre Hausaufgaben machen und Third-Party-Data einbinden. Doch in dem Moment, indem sie das machen, machen sie den User wieder transparent, um ihn besser monetarisieren zu können. Sorgen sie nicht dafür, dass der User transparent ist, will auch niemand die Werbefläche kaufen. In letzter Konsequenz brechen sie mit ihrem Versprechen, den User nicht der Werbeindustrie auszuliefern. Entschuldigung, aber was ist das denn bitte für ein Adblocker? Ich glaube, das wird dazu führen, dass sich die User einfach einen anderen Adblocker-Anbieter suchen. Letztendlich wird die Installationsrate von AdBlock Plus leiden - und das haben sie sich verdient.