
Die Adblock-Debatte bekommt eine neue Wendung: Offenbar denken einige Mobilfunkanbieter darüber nach, Online-Ads in ihren Netzen zu blockieren. Anzeigen in bezahlter Form, wie sie beispielsweise bei Facebook und Twitter zum Einsatz kommen, seien davon zwar nicht betroffen, dennoch könnte die Maßnahme der Mobilfunkanbieter Internetfirmen wie Google oder Yahoo Umsätze kosten. INTERNET WORLD Business hat Branchenvertreter nach ihrer Meinung zu den Plänen der Telcos befragt.
Nikolaus von Graeve, Geschäftsführer, rabbit eMarketing
"Diese Drohung der Mobilfunkanbieter, Werbung zu blockieren, zeigt die hohe Wichtigkeit für die werbungtreibende Industrie, zwei Dinge selbst zu haben. Erstens den direkten Zugang zum Kunden, zum Beispiel über die E-Mail-Adresse, und zweitens die Daten über die Präferenzen der Kunden, zum Beispiel zum Kauf- und Bewegungsverhalten. Wenn man sich darauf verlässt, diese Daten von Dritten zu bekommen, kann man entweder sehr viel Geld bezahlen oder im schlechtesten Fall wird die Werbung als Kollateralschaden nicht ausgeliefert, weil sich große Player zoffen."

Heiko Genzlinger, CEO, Trademob
"Die Debatte um Werbeblocker ist ja kein neues Thema. Da sich die Mediennutzung immer mehr auf das Smartphone oder auch neue Wearables verlagert, werden nun Themen auf die Agenda gesetzt, die das klassische Web schon lange kennt. Während wir dort mit Adblocking-Firmen als Service-Anbieter konfrontiert sind, die ihr Geld mit Whitelisting verdienen, sinnieren jetzt die Telekommunikationsanbieter, die die Infrastruktur stellen, über die Blockade von Werbebannern. Das Ziel ist klar: Es geht darum, sich ein Stück vom Werbekuchen zu sichern, indem sich die großen Internetunternehmen an den teuren Infrastrukturkosten beteiligen sollen. Dies steht aber nicht nur im Konflikt mit dem Grundsatz der Netzneutralität, sondern ist auch mit Blick auf Tracking und Abrechnung kaum umsetzbar. Zudem wird dies möglicherweise direkt zur Folge haben, dass die großen Web-Player selbst ins Telekommunikations-Business vorstoßen.
Grundsätzlich muss es allen Akteuren darum gehen, das mobile Ecosystem gemeinsam voranzutreiben, auch mobile Werbung zu ermöglichen und ihr zum Durchbruch zu verhelfen. Denn, wenn auch das mobile Umfeld über App Stores Bezahlangebote praktikabel gemacht hat, sind heute nur zehn Prozent der Apps kostenpflichtig. Der Großteil der Inhalte wird also über ein Freemium oder Free Modell und damit über Werbung finanziert. Ein Modell, das auch von den Nutzern gelernt ist und akzeptiert wird."

Georg Konjovic, Geschäftsführer meinestadt.de
"Das wäre ein eindeutiger Eingriff in die Netzneutralität. Wir lehnen jeglichen Eingriff von Providern in Datenströme ab, denn die Entscheidung, welche Inhalte beim Konsumenten ankommen - und dazu gehört auch Werbung - treffen alleine die Dienstanbieter, nicht die Carrier."

Jörg Schneider, Country Manager Germany, Undertone
"Einen Adblocker von Mobilfunkanbietern lehne ich grundsätzlich ab. Ich verstehe die Beweggründe. Werberiesen wie Google scheffeln Millionen und beteiligen sich überhaupt nicht an den Kosten der enorm teuren Infrastruktur, die sie für ihre Werbung ausnutzen. Die Mobilfunkanbieter bleiben auf den Kosten alleine sitzen. Das Problem ist, dass man zwar durch eine Werbeblockade Unternehmen wie Google an den Verhandlungstisch zwingen kann, was wünschenswert ist, was passiert aber mit den kleineren Anbietern von Mobil-Werbung? Diese können sich das wie auch immer geartete Modell, welches vorrangig auf die Großanbieter ausgelegt ist, kaum leisten und verschwinden so vom Markt. Die Folge ist eine noch deutlichere Dominanz von Google und Co. Und dies scheint mir auch Ziel der Übung zu sein. Die Mobilfunkanbieter wollen Geld und sehen eine Chance dies von den Riesen wie Yahoo, Google und Co zu bekommen. Die tatsächliche Werbe-Ökonomie und ein möglichst fairer Wettbewerb ist nicht von Interesse.
Die Verbraucher mögen zunächst das Verschwinden von Werbung begrüßen, so wie es die vermehrte Nutzung von Adblockern im stationären Internet aufzeigt. Dies ist aber viel zu kurz gedacht. Unzählige Internetangebote, mobil wie stationär, sind nur durch die Finanzierung durch Werbung überhaupt möglich. Angebote, die nicht durch Google und Co gesponsert werden. Diese Angebote würden ebenfalls verschwinden, was langfristig dem Verbraucher die bunte Vielfalt beschneiden wird.
Rechtlich sehe ich hier zudem eine Verletzung der Netzneutralität durch die Mobilfunkanbieter. Sie dürfen nicht bestimmen oder beschränken welche Daten oder Angebote die Verbraucher über ihre Netze konsumieren und das beinhaltet auch Werbung."

Ulf Richter, Geschäftsführer optivo
"Für mich ist die serverseitige Blockierung mobiler Werbung allein schon mit Blick auf die Netzneutralität höchst problematisch. Ich hoffe deshalb, dass es bei der Drohung bleibt. Andernfalls sehe ich dadurch Tür und Tor geöffnet, dass künftig auch andere Content-Formen als nicht opportun eingestuft und zensiert werden. Zugleich sehe aber auch Google und Co in der Verantwortung, das Netz frei und offen zu halten. Aus meiner Sicht arbeiten aktuell solche Big Player ganz massiv daran, eigene Ökosysteme aufzubauen. Neue, werbefinanzierte Angebote können sich aber nur ohne Barrieren etablieren und im Sinne der Internet-Nutzer entwickeln."

Simon Loebel, Chief Operating Officer, UDG United Digital Group
"Ich halte die Ankündigung der Mobilfunkbetreiber, Online-Werbung in ihren Netzen zu blockieren, nur für ein Säbelrasseln im Kampf um die Verteilung der Werbebudgets. Deshalb bin ich mir auch sicher, dass sich das Ökosystem so reguliert, dass alle Marktteilnehmer ihre Interessen wahren und auch in Zukunft gut zusammenarbeiten können."