
Nach der Loslösung von eBay will Radial, die einstige Fulfillment-Sparte von eBay Enterprise, durchstarten. Im Interview verrät Tobias Hartmann die Zukunftspläne für das Logistikzentrum an der Saale.
Erst GSI Commerce, dann eBay Enterprise, jetzt Radial: In den vergangenen Jahren wechselte der Fulfillment-Dienstleister mehrfach Namen und Besitzer. Herzstück von Radial in Deutschland ist ein Logistikzentrum in Halle an der Saale, das noch von eBay Enterprise angestoßen und im November 2015 eingeweiht wurde. Von dort aus bietet Radial Fulfillment-Dienstleistungen für europäische Märkte an. Tobias Hartmann, seit 2011 bei GSI Commerce und eBay Enterprise in unterschiedlichen Funktionen tätig, ist heute President von Radial. Im Gespräch mit INTERNET WORLD Business erklärt er, mit welchen Zielen Radial in Deutschland antritt.
Im November erfolgte der Zusammenschluss mit Innotrac, seit April heißt das Unternehmen Radial. Was hat sich dadurch für deutsche Kunden verändert?
Tobias Hartmann: Unser Fokus liegt noch immer auf dem, was wir "Post-Click-Services" nennen. Wir sind durch den Zusammenschluss zu Radial aber als internationales Unternehmen noch schlagkräftiger und größer geworden.
Was meinen Sie mit "Post-Click-Services"?
Hartmann: Wir fokussieren uns auf das, was nach dem Checkout-Prozess kommt. Wir glauben, dass es für Händler eine immense Komplexität hat, künftig das Kundenerlebnis im Omnichannel-Handel ordentlich zu gestalten. Das ist es, was sich Radial auf die Fahne geschrieben hat. Und wir freuen uns darauf, jetzt endlich konzentriert nach vorne arbeiten können.
Hat Sie die Abspaltung von eBay im vergangenen Jahr ausgebremst?
Hartmann: So ein Prozess bremst immer. Wenn sie ein Unternehmen aus einem Großunternehmen herauslösen, mit einem anderen fusionieren und das Ganze dann als eigenständiges Unternehmen aufsetzen wollen, dann ist das natürlich eine Belastung. Wir sind heute ein Unternehmen mit 7.300 Mitarbeitern und haben mit Radial ein neues Branding. Das ist eine große Leistung, die wir vollbringen mussten.
Gibt es jetzt einen deutschen Firmensitz?
Hartmann: Ja, im Zuge der Separierung von eBay haben wir nun eigene Niederlassungen aufgemacht. Seit Kurzem haben wir daher einen Firmensitz in Berlin. Unser größtes Drehkreuz in Deutschland ist aber das Logistikzentrum in Halle an der Saale.
Das Logistikzentrum wurde Ende 2015 eingeweiht. Welche Services bieten Sie an?
Hartmann: Unsere Spezialisierung liegt auf Omnichannel-Logistik und Omnichannel-Fulfillment. Dazu bieten wir Softwarelösungen wie unser "Retail Order Management" an, die es Händlern ermöglichen, die Nachfrage optimal mit den richtigen Artikeln am richtigen Warenort zusammenzubringen. Zudem decken wir das komplette Thema Betrugs- und Risikomanagement ab. Das heißt, wir übernehmen das Betrugsrisiko und geben dem Händler eine Zahlungsgarantie. Der dritte Punkt sind unsere Logistikdienstleistungen, also alles, was die physische Warenabwicklung angeht. Diese wird häufig auch mit unserem Leistungsangebot zum Kundenservice und Callcenter ergänzt.
Erster Kunde dort war der Shopping-Club Brands4Friends, eine eBay-Tochter. Wie viele Kunden haben Sie heute?
Hartmann: An unseren Standorten in Großbritannien und Deutschland bedienen wir mittlerweile ein knappes Dutzend Händler. Wir wollten von Anfang an in Deutschland erst einmal sehr fokussiert antreten. Wenn sie ein großes Logistikzentrum mit über 25.000 Quadratmetern neu einrichten, dann müssen sie Schritt für Schritt vorgehen. Insofern planen wir weitere Neukunden erst für Anfang 2017.
Welche Kunden haben Sie denn im Blick?
Hartmann: Wir haben uns auf Kunden fokussiert, die als Omnichannel-Händler vor der Herausforderung stehen, eine gute Consumer Experience zu generieren. Idealerweise verfügen sie über einen eigenen Markenauftritt und sind nicht nur auf einen Markt beschränkt, sondern in mehreren Ländern Europas und darüber hinaus aktiv.
Können Sie mir einige Namen nennen?
Hartmann: Nein, die darf ich Ihnen leider nicht nennen. Aber es sind alles namhafte Marken aus den Bereichen Mode und Bekleidung, Wohnen und Einrichten sowie Elektronik. Es ist ein gesunder Mix aus deutschen Unternehmen, Firmen mit Sitz in Europa und in den USA.
"Wir sind ein reinrassiger Dienstleister"
Welche Händlergröße ist für Sie interessant?
Hartmann: Wir fangen an bei einem Online-Jahresumsatz von zehn Millionen Euro. Das kann dann hochgehen bis zu einer halben Milliarde.
Sie haben gesagt, Sie sind mit Radial nun noch internationaler aufgestellt. Decken Sie alle Regionen weltweit ab?
Hartmann: Prinzipiell sind wir schon sehr international aufgestellt mit weltweit 27 Logistikstandorten. Von dort aus können wir in nahezu alle Länder der Welt versenden. Unserer Meinung nach wachsen reife Märkte wie in Deutschland oder den USA nur noch an zwei Stellen: Das ist zum einen Cross-Border-Commerce, zum anderen der Omnichannel-Handel. Für diese beiden Trends sind wir bestens aufgestellt.
Warum ist Omnichannel-Handel so wichtig?
Hartmann: In den westlichen Ländern werden 2018 über 50 Prozent aller Bestellungen nur über mobile Geräte ablaufen, und das hat natürlich unglaubliche Auswirkungen auf die Prozesssteuerung. Es kommen immer mehr Variabilitäten in den Versandprozess: exakte Zeitfenster für die Lieferung, Same Day Delivery, die freie Wahl des Zustellorts. Der Kunde will heute seine eigenen Zielkriterien festlegen können. Und wenn sie ihre Filialen mit einbinden, muss sichergestellt sein, dass die Ware dort rechtzeitig für den Versand abgeholt wird oder ein dort retournierter Artikel verarbeitet werden kann. Das ist eine große Herausforderung, mit der selbst große, namhafte Händler noch sehr kämpfen. Deswegen gibt es uns, wir können da helfen.
Würden Sie das als Ihr Alleinstellungsmerkmal bezeichnen?
Hartmann: Ach, ich glaube, es ist schwierig in dieser Welt, ein Alleinstellungsmerkmal zu haben. Ich würde sagen, in der Kombination der Faktoren, um es am Ende besser hinzukriegen, sind wir schon ziemlich gut. Wir unterscheiden uns von Wettbewerbern, weil wir ein reinrassiger Dienstleister sind. Bei uns gibt es keine Mischung aus einem eigenen Geschäft und dem für unsere Kunden. Wir treten nicht in Konkurrenz zu unseren Kunden.
Im Gegensatz zu Amazon?
Hartmann: Das haben jetzt Sie gesagt. Es gibt ja aber auch noch andere, die ihre eigene Brand haben und gleichzeitig Fulfillment für Dritte anbieten, Otto zum Beispiel oder Zalando.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Hartmann: Die Produkte und die Dienstleistungsbereiche sind definiert, die Strategie ist daher ganz einfach: More of the same. Wir werden uns weiter auf die Märkte konzentrieren, in denen wir heute unterwegs sind, sprich Deutschland, UK, Nordamerika.