INTERNET WORLD Logo
Lieferkette
Logistik
29.09.2022
Logistik
29.09.2022

Ab Anfang 2023 Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz: Was erwartet die Logistik?

Shutterstock/metamorworks
Shutterstock/metamorworks

Das geplante Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) wird nicht nur merkliche Auswirkungen auf Händler, sondern auch auf die damit verbundenen Logistik-Akteure haben. Warum das Gesetz eine große Chance ist - und wo die Risiken liegen, erklärt Jeroen Gehlen.

Von Jeroen Gehlen, Mitgründer der Transportmanagement-Plattform Wuunder

Logistik und Lieferketten waren, und sind, schon immer untrennbar miteinander verbunden. Aus diesem Grund überrascht es nicht, dass das geplante Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) nicht nur merkliche Auswirkungen auf Händler, sondern auch auf die damit verbundenen Logistik-Akteure haben wird. Denn das Gesetz, das deutschlandweit ab Anfang 2023 endgültig in Kraft tritt, wirkt sich nicht nur den eigenen Geschäftsbereich aus. Die Pflichten zu Risikoanalyse und Präventions- und Abhilfemaßnahmen gelten ebenfalls für unmittelbare und mittelbare Zulieferer. 
 
Laut dem Gesetz müssen Unternehmen ab 3.000 Beschäftigten mit Beginn des kommenden Jahres sicherstellen, dass soziale Mindeststandards wie das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit eingehalten werden. Auch der Umweltschutz wird durch die neuen Regelungen indirekt erfasst, nämlich wenn Umweltrisiken die Menschenrechte verletzen. Ab 2024 gilt das LkSG ebenfalls für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden. 

Lieferketten transparenter und fairer gestalten

Das Gesetz birgt zunächst eine große Chance. Nämlich die globalen Lieferketten fairer auszugestalten, aber auch Rechtssicherheit für Firmen und Betroffene zu schaffen. Vor dem Hintergrund, dass aktuell weniger als 20 Prozent der Unternehmen die Vorgaben der unternehmerischen Sorgfaltspflicht erfüllen, um Missstände zu verhindern, und laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und Unicef derzeit 160 Millionen Mädchen und Jungen Kinderarbeit verrichten, scheint dies zwingend erforderlich.

Das LkSG ist also eine Chance, Menschen weltweit besser vor Ausbeutung zu schützen, denn genau dafür schafft das Gesetz eine neue Grundlage: Betroffene von Menschenrechtsverletzungen können ihre Rechte vor deutschen Gerichten geltend machen und Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle einreichen. Stellt die Behörde Versäumnisse oder Verstöße fest, kann sie Bußgelder verhängen und Unternehmen sogar von der öffentlichen Beschaffung ausschließen.

Mehr Bürokratie, höheren Kosten und rechtlicher Unsicherheit

Doch ungeachtet der globalen Missstände hat das kommende Lieferkettengesetz auch eine Vielzahl Kritiker. Gemäß einer Befragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages sehen viele Unternehmen mehr Bürokratie, höhere Kosten und rechtliche Unsicherheit auf sie zukommen.

Gerade für den Groß- und Einzelhandel mit seinen globalen Lieferketten und einer Vielzahl von mittelständischen Beteiligten stellt das Gesetz natürlich eine große Herausforderung dar. Kritik kommt ebenfalls vonseiten der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die das Lieferkettengesetz für nicht praktikabel und umsetzbar halten. Dies betreffe etwa Fremdlieferungen, bei denen Unternehmen nicht immer wissen, unter welchen Bedingungen die einzelnen Bestandteile hergestellt werden.

LkSG gibt der grünen Supply Chain rechtliches Fundament

Vor dem Hintergrund des unausweichlichen Inkrafttretens des Lieferkettengesetzes sind die betroffenen Unternehmen, Händler und Logistiker allerdings gezwungen umzudenken. Durch die neuen Regeln müssen sie künftig vorausschauender agieren und sich einen klaren Überblick über die gesamte Lieferkette verschaffen. Ziel der Bemühungen muss somit eine grünere, fairere und transparentere Supply Chain sein. Arbeitsabläufe bei Logistik- und Transportprozessen sollten künftig nachhaltiger gestaltet werden. Transparenz, ein innovativer Transportmanagement-Service und ein umweltfreundlicher Versand sind daher zentrale Schlüsselwörter. 

Das Argument steigender Kosten lässt sich dabei leicht entkräften, denn tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall. Nachhaltige Lieferketten sind mit Kostenvorteilen verbunden, da ein besonderer Fokus auf CO2- und Treibhausgasemissionen im Transport liegt. Eine große Stellschraube ist dabei die letzte Meile, dem finalen Teil der Zustellung, bei dem die meisten Kosten entstehen. Durch geteilte Wege, gemeinsame Hubs und den Einsatz von Lastenfahrrädern sinken jedoch die Kosten und es lassen sich signifikante Einsparungen erzielen. Das neue Gesetz, welches Zäsur und Wandel zugleich bedeutet und der grünen Supply Chain zu einem rechtlichen Fundament verhilft, bietet somit eine Fülle von Vorteilen für global agierende Händler und Unternehmen.  

EU-Lieferkettengesetz übertrifft deutsche Vorgaben

Ohne Zweifel ist das LkSG ein klares Novum in der Geschichte der deutschen Wirtschaft: Mit Blick auf die Menschenrechte und den damit verbundenen Umweltrisiken entstehen verbindliche Regeln, die international tätige Unternehmen beachten müssen, wenn sie ihre globalen Lieferketten steuern.

Viele Betriebe werden den bisherigen Status Quo allerdings nicht aufrechterhalten können. Schließlich müssen sie bei Missachtung des Gesetzes nicht nur Bußgelder rechnen, sie können sogar bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. 

Und auch vor dem Hintergrund, dass die EU-Kommission bereits einen Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz herausgebracht hat, das deutlich strenger ist als das deutsche LkSG, werden Unternehmen gezwungen sein, ihre Lieferketten kritischer zu untersuchen. Denn geht es nach Brüssel, gelten die Regeln auch für kleine und mittlere Firmen. Bei Verstößen droht Unternehmen im schlimmsten Fall zudem sogar eine zivilrechtliche Haftung. Internationale tätige Betriebe sind daher gut beraten, schon jetzt zu handeln und ihre Transport- und Logistikprozesse genauer zu überprüfen.

Das könnte Sie auch interessieren