
Seit Sommer 2022 gibt es den Blauen Engel für Lieferdienstleistungen der letzten Meile. Bei den Lieferdiensten scheint das Interesse an dem Umweltzeichen jedoch gering. Bis dato hat sich noch kein Unternehmen für das Siegel zertifiziert.
Das Umweltzeichen Blauer Engel kennen viele von Produkten aus dem Einzelhandel. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Produkte und Dienstleistungen, die mit dem Umweltsiegel ausgezeichnet werden können, erweitert worden. So gibt es zum Beispiel den Blauen Engel für Computer-Software oder für den energieeffizienten Betrieb von Rechenzentren.

produktinfo.blauer-engel.de
Im Juli 2022 hat die Zeichenvergabestelle für den Blauen Engel, RAL gGmbH, Vergabekriterien für Lieferdienstleistungen der letzten Meile veröffentlicht (DE-UZ 226). Eine Nachfrage von INTERNET WORLD hat ergeben, dass sich bis dato noch kein Paket- oder Lieferdienst für das Umweltsiegel zertifiziert hat.
Das ist deshalb bemerkenswert, weil viele Lieferdienste betonen, dass ihnen Klimaschutz und die Reduzierung von Emissionen wichtige Anliegen sind. Nicht nur in der Logistik- auch in der Einzelhandelsbranche ist Nachhaltigkeit eines der Top-Themen. Viele Online-Shops setzen Nachhaltigkeitsstrategien um. Das lässt vermuten, dass es im Online-Handel durchaus Nachfrage für das Umweltzeichen geben könnte.
Pakettransporter verursachen Emissionen und Lärm
Das Wachstum im E-Commerce bedeutet schließlich, dass immer mehr Pakete "auf Reisen gehen". Mehr als vier Milliarden Sendungen werden in Deutschland laut Marktanalysen im Gesamtjahr 2022 auf den Weg gebracht. Bis 2026 ist mit einem jährlichen Sendungswachstum von 4,7 Prozent auf rund 5,7 Milliarden Sendungen zu rechnen, prognostiziert die "KEP-Studie 2022" des Bundesverbands Paket und Expresslogistik (BIEK).
Der Transport von so vielen Paketen verursacht Treibhausgas-, Feinstaub-, NOx-Emissionen (NOx = Stickstoffoxide) und Lärm. Lieferfahrzeuge, die die Pakete auf der sogenannten "letzten Meile" vom Paketzentrum zum Kunden bringen, sind im städtischen Raum omnipräsent. Um diese letzte Meile geht es bei der Vergabe des Blauen Engel für Lieferdienstleistungen. Gemeint ist die Wegstrecke, die ein Paket vom Verteilzentrum zu einzelnen Verbraucher:innen zurücklegt.
An wen wenden sich die neuen Vergabekriterien?
Der Blaue Engel für Lieferdienstleistungen der letzten Meile soll Versandarten auszeichnen, die klimaschonend sowie emissions- und lärmarm sind. Geht es nach den Vorstellungen der Zeichenvergabestelle, sollen Händler das Umweltzeichen in den Shop einbinden. So könnten sie in Zusammenarbeit mit den Lieferdienstleistern ihren Kund:innen einen Versand anbieten, der mit dem Blauen Engel ausgezeichnet ist. Das Umweltzeichen soll Verbraucher:innen generell helfen, umweltrelevante Aspekte in ihre Kaufentscheidung einfließen zu lassen, in diesem Fall bezogen auf den Versand.
In den Vergabekriterien steht dazu: "Durch die Möglichkeit die ausgezeichneten Lieferdienstleistungen beim sogenannten Check-Out-Prozess von Online-Bestellvorgängen explizit auszuwählen, soll einerseits die Sichtbarkeit des Blauen Engels gewährleistet, zum anderen aber auch das Bewusstsein der Endkund:innen für die Umweltrelevanz der Lieferungen auf der letzten Meile gestärkt werden."
Die Vergabekriterien sind anspruchsvoll. Um eine Zertifizierung zu erhalten, müssen die Transportdienstleister sowohl ökologische Aspekte als auch die Inanspruchnahme des öffentlichen Raumes beachten. In dicht besiedelten Gebieten dürfen zum Beispiel nur Fahrräder, rein elektrisch betriebene Leichtfahrzeuge oder kompakte Transportmittel zum Einsatz kommen. Zusätzlich muss die Energie dafür aus regenerativen Quellen stammen.
Außerdem werden alternative Lieferformen gefordert, zum Beispiel die direkte Belieferung von Abholpunkten, an denen Kund:innen die Pakete möglichst zu Fuß abholen können. Zudem fordert der Blaue Engel faire Arbeitsbedingungen, indem zum Beispiel Festanstellungen und Arbeitszeitbegrenzungen sicherzustellen sind.
Kosten für die Zertifizierung
Die Kosten für eine Zertifizierung betragen 400 Euro plus Umsatzsteuer. Zusätzlich ist ein jährliches Entgelt zu entrichten, das sich nach der Höhe des Umsatzes der zertifizierten Produkte richtet. Bis 250.000 Euro Umsatz beträgt das jährliche Entgelt 320 Euro plus Umsatzsteuer. In der höchsten Kategorie, über 40 Millionen Euro, beträgt das Entgelt 10.500 Euro pro Jahr.

Blauer Engel
Der Blaue Engel ist seit über 40 Jahren das Umweltzeichen der Bundesregierung. Es soll Orientierung beim Einkauf bieten. Derzeit gibt es für rund 100 Produktgruppen oder Dienstleistungen Vergabekriterien des Blauen Engels. Neue Vergabekriterien werden auf Beschluss der Jury Umweltzeichen erarbeitet. Der Blaue Engel für Lieferdienstleistungen der letzten Meile ist noch relativ neu.
Lieferdienstleistungen der letzten Meile wurden als neue Vergabekritierien ausgewählt, da in diesem Bereich ein großes Potenzial gesehen wird, die Umwelt zu schonen. Trotz aller Nachhaltigkeitsbestrebungen in der Logistik- und im Online-Handel besteht aktuell offenbar noch wenig Interesse, sich für den Blauen Engel für Lieferdienstleistungen der letzten Meile zu zertifizieren.
Man müsse bedenken, dass die Vergabekriterien sehr umfangreich seien und die Unternehmen sich erst einmal mit der Nachweisführung befassen müssen, die sehr umfangreich sein könne, sagt Janine Braumann vom Umweltbundesamt. Daher könne es schon sein, dass die Branche Interesse habe, aber noch nicht fertig sei, um Anträge einzureichen. Das Umweltbundesamt ist für die wissenschaftliche Erarbeitung der Vergabekriterien für das Umweltsiegel zuständig.