
Der Online-Riese Amazon will am Südrand Augsburgs ein neues Verteilzentrum errichten - und stößt dabei auf unerwarteten Widerstand der Gemeinde. Dabei wäre ein geeignetes Gelände verfügbar. Doch die Standortwahl wirft noch weitere Fragen auf.
Der Bauausschuss von Kissing hatte sich kürzlich mit einer ungewöhnlichen Angelegenheit zu befassen: Amazon teilte der kleinen Gemeinde in einer Bauvoranfrage mit, in ihrem Ort ein Verteilzentrum bauen zu wollen. Das berichtet die "Augsburger Allgemeine Zeitung". Demnach plant Amazon den Kauf eines 24.000-Quadratmeter-Grundstücks direkt an der B2, dort soll neben dem Verteilzentrum auch noch ein Parkhaus entstehen - für Mitarbeiter, aber auch für über 100 Lieferwagen.
Vor über 20 Jahren kam das Ende
Auf den ersten Blick erscheint das Anliegen schlüssig. Die 12.000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Aichach-Friedberg liegt weniger als fünf Kilometer von der südlichen Stadtgrenze Augsburgs entfernt, mit knapp 300.000 Einwohnern immerhin die drittgrößte Stadt Bayerns. Zudem ist das Areal, für das sich Amazon interessiert, bereits seit Jahren nicht viel mehr als eine hässliche Industriebrache. Auf dem Gelände stand ein Werk des 1999 aufgelösten Lokomotiv- und Baumaschinenherstellers O&K. Seit über 20 Jahren ist das Areal offiziell ein Gewerbehof, würde sich aber auch als Kulisse für Dreharbeiten von Endzeit-Thrillern eignen. Zudem ist der Großraum Augsburg von der aktuellen Wirtschaftskrise spürbar gebeutelt, Leerstand ist dort keine Seltenheit.
Dennoch, so berichtet die "AZ", steht der Kissinger Gewerbeausschuss dem Ansinnen reserviert gegenüber. Das gesamte O&K-Areal ist nämlich angeblich bei Investoren gefragt, die Gemeinde plant eine grundsätzliche Neukonzeption. Das tut sie allerdings bereits seit Jahren - ohne bislang greifbares Ergebnis.
Konkurrenz in der Nähe
Der Standort in Kissing wäre für eine Versorgung von Augsburg nicht schlecht, von dort kann ein Lieferwagen alle Punkte der Stadt in weniger als einer halben Stunde erreichen. Was allerdings verwundert: Seit 2011 betreibt Amazon in Graben, rund zehn Kilometer südlich von Kissing eins seiner größten Logistik- und Verteilzentren in Deutschland mit rund 110.000 Quadratmetern Fläche (siehe Aufmacherbild). Graben kann auch als Lager dienen, größere Lagerflächen sind in Kissing lauf Bau-Voranfrage nicht vorgesehen. Für eine echte City-Logistik mit Lieferzeiten im Minutenbereich, wie es zum Beispiel das Start-up Gorillas gerade demonstriert, wäre Kissing von allem zu weit weg: von Augsburg, und erst recht von München.
Welche Ziele Amazon mit dem Projekt genau verfolgt, vermochte auch ein Unternehmenssprecher nicht erhellen. Die "AZ" zitiert ihn mit den Worten: "An allen unseren Standorten wollen wir ein guter Nachbar sein. Wir schaffen Arbeitsplätze und engagieren uns für gute Zwecke in der Gemeinde."
Das klingt zu gut, um wahr zu sein, und zumindest in Kissing wird es so schnell auch nicht wahr werden. Der Bauausschuss verweigerte der Voranfrage einstimmig das Einvernehmen und beantragte beim Landratsamt die Zurückstellung.