
Praxisbeispiele So sorgt KI in der Fashion-Branche für nachhaltigere Einkaufserlebnisse
Kollektionsentwürfe wie von einem anderen Stern, effiziente Designs und digitale Zwillinge - Beispiele, wie generative KI völlig neue, nachhaltige Einkaufserlebnisse schafft.
"Denim-Umhang, morphisch, von Modell getragen, organische Formen, minimal, Verhältnis, futuristische Hardware, Techwear-Mode, weißer Hintergrund, 4k." Anhand dieser knappen Anweisungen der Modedesigner von G-Star Raw entwarf die KI Midjourney zwei Denim-Capes. Schneider des Amsterdamer Unternehmens setzten die Entwürfe in echte Kleidungsstücke um. Leicht von der Hand ging dieser Prozess nicht, aber die KI, genauer die generative KI, steckt auch noch in den Kinderschuhen. Wobei wir alle bereits mit der künstlichen Intelligenz leben, tagein, tagaus.
Wir surfen im Internet, durchforsten den Social-Media-Dschungel, fahren Auto. Die KI wertet im Hintergrund aus, hilft Unternehmen, das Kaufverhalten zu analysieren, Markenpräferenzen zu generieren, bevorzugte Shoppingzeiten zu berechnen. Im Fahrzeugraum sorgen Müdigkeits- und Blickrichtungserkennungen für eine sichere Fahrt. Und während wir Digital-User zuweilen empört reagieren, weil uns Insta und Co. gleich die Marken-Homepage präsentiert, die wir gerade besucht hatten, vertrauen wir beim Autofahren den digitalen Helferlein wie Müdigkeitsassistent und Co.
Generative KI - das Potenzmittel der Kreativität
Aber wofür steht die KI in der Mode? Natürlich für ein schier unendliches Potenzial an Kreativität, wie es G-Star im April progressiv präsentierte. Übrigens setzt Tommy Hilfiger bereits seit 2016 auf KI, wenn es um die Entwicklung neuer Kollektionen geht. Das hat auch wirtschaftliche Hintergründe, denn mit ihrer Hilfe werden Abläufe rationalisiert und Hilfiger weiß, was seine Kunden präferieren. Darüber hinaus spielt der Einsatz von Avataren eine immer größere Rolle, denn damit können Kollektionsentwürfe am 3D-Modell detailgenau verändert werden, ohne Stoffe zu verschwenden und ohne dass die Verantwortlichen für Abstimmungen durch die Welt fliegen müssen. Bei diesem Anwendungsbereich ist ein bayerisches Unternehmen ganz vorne dabei.
Nachhaltige, profitable Bekleidungsproduktion
Die Münchner Assyst GmbH entwickelt für Hersteller und Lieferanten von Textilien nachhaltige und durchgängige Lösungen. Ihr Ziel: Der Branche mithilfe von Avataren helfen, ressourcenschonend sowie schnell und profitabel zu produzieren. Der Marktführer für Fashiontechnologie setzt für diese Mission auf intelligente Kooperationen, denn nur in gemeinsamen Entwicklungen gelingt eine Vernetzung der gesamten, globalen Wertschöpfungskette.
Die Textil- und Bekleidungsindustrie steht, was das Thema Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Profitabilität angeht, vor enormen Herausforderungen. Assyst setzt hier auf 2D- und 3D-basierte Lösungen, auf digitale Modelle, die Menschen täuschend nahekommen. Avatare werden in Designateliers wohl einen festen Arbeitsplatz beziehen, genauso werden zukünftig virtuelle Kunstfiguren die so entstandene Mode auf Instagram und Co präsentieren.

403.000 Follower hat das digitale Fashion-Modell "Nooonoouri" - erschaffen vom Grafikdesigner Jörg Zuber.
Instagram/Noonoouri
Ella, Zoe, Noonoouri - sind die Influencer von morgen virtuell?
Gut 400.000 Follower hat Noonoouri, ihre Auftragsbücher sind prall gefüllt, sie arbeitet mit den größten Marken der Modeindustrie, Donatella Versace zählt zu ihren Freundinnen - bis hierher ein normaler Influencer-Alltag, lediglich mit dem Unterschied, dass Noonoouri nur virtuell existiert, genauso wie ihre Kolleginnen Ella, Zoe und Miquela Sousa. Kreiert hat das digitale Modell der Münchner Grafikdesigner Jörg Zuber. Sein Avatar ist bewusst nicht menschennah, sondern könnte einem japanischen Comic entsprungen sein. Von seiner Idee war 2017 keiner überzeugt, also brachte er die virtuelle Kunstfigur selbst auf den Markt.
Mit Erfolg: Neben Donatella zählen Dior und Marc Jacobs seit einigen Jahren zu den Auftraggebern. Auch Kim Kardashian vertraute ihre Make-up-Linie dem digitalen Verkaufstalent mit den Manga-Augen an. Und während Noonoouri bewusst auf einen surrealen Look getrimmt wurde, sieht der 2,8 Millionen Follower starke Fashion-Avatar Miquela Sousa aus wie eine reale Person. Social-Media-User finden also Gefallen an den virtuellen Figuren - kann man damit dann auch das Einkaufserlebnis verändern?
Mit dem "digitalen Zwilling" auf Shoppingtour
Gerade das digitale Kaufverhalten gilt es zu überdenken. Denn drei Größen bestellen, zwei zurückschicken, das ist null nachhaltig. Hier kommt das 2021 gelaunchte Konstanzer Start-up Beawear ins Spiel. Sie widmen sich seit nunmehr zwei Jahren den verschiedenen Größensystemen, die immer weniger der Realität entsprechen. Die Gründerinnen Verena Ziegler und Dr. Frauke Link setzen auf künstliche Intelligenz bei einer virtuellen Anprobe, um darüber final auch der Umwelt einen (großen) Gefallen zu tun. Für Beawear ist klar: Es gibt keinen standardisierten Körper, und die Modehersteller haben ein Daten-Leak, sie wissen die tatsächlichen Maße ihrer Kunden nicht.
Die Lösung: Beawear erstellt mithilfe eines 3D-Bodyscans, der über jedes mobile Gerät produziert werden kann, einen "digitalen Zwilling". Konkret wird durch ein "Gaming-Feature" der Bodyscan in einen virtuellen Avatar verwandelt, der beliebig gestaltet werden kann. Daraus ergeben sich Vorteile: Die Retouren werden minimiert, die Kunden entwickeln ein Gefühl für ihren Körper und der Handel kann auf die tatsächlichen Maße eingehen, kontinuierliche Statistiken zum Kaufverhalten führen. Aufseiten der Hersteller kann die Produktion an tatsächliche Größen und Körperformen angepasst werden. Die Mission des Start-ups: Sie wollen eine transparente Lieferkette schaffen, dafür müssen Daten und künstliche Intelligenz genutzt werden, um so die Überproduktion zu stoppen. Aber auch, um völlig neue Einkaufserlebnisse zu erschaffen.