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Kosteneinsparungen, Rückzugsstrategie Monatliche Verluste in Millionenhöhe: So will es Getir aus der Krise schaffen

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Der Lieferdienst Getir steckt in Schwierigkeiten; monatlich sollen zwischen 80 und 100 Millionen US-Dollar verbrannt werden. Um die Investoren zu überzeugen, noch weiteres Risikokapital zur Verfügung zu stellen, sollen jetzt drastische Maßnahmen ergriffen werden.

Mit über einer Milliarde Euro war der Lieferdienst Gorillas bewertet worden. Tragfähig war das Konzept dennoch nicht. Das Business war immer stark defizitär, drastische Kostensenkungen waren die Folge. Des einen Leid, des anderen Freud: Das türkische Unternehmen Getir griff zu und übernahm den Mitbewerber im Dezember vergangenen Jahres für rund 1,2 Milliarden US-Dollar. Können die ehemaligen und übernommen Gorrilas-Leute dadurch aufatmen? Eher, nein, denn auch Getir ist defizitär.

Wie das Handelsblatt berichtete, sollten monatlich zwischen 80 und 100 Millionen US-Dollar verbrannt werden. Erschwerend hinzu kommen die für Quick-Commerce-Dienste typischen Probleme wie hohe Betriebskosten, ein umtriebiger Konkurrenzmarkt sowie die immer noch anhaltende Konsumkrise angesichts der steigenden Inflation der vergangenen Monate. Nun steht das Unternehmen vor drastischen Einschnitten, um diese Verluste einzudämmen und Investoren zu überzeugen, noch weiteres Risikokapital zur Verfügung zu stellen.

Ganz oben auf der Liste der Sparmaßnahmen steht der Abzug aus Ländermärkten, im Gespräch seien die Niederlande und Italien. Bereits bekannt ist der Rückzug von Getir aus Spanien, Portugal und Frankreich. Deutschland und Türkei seien aktuell noch nicht gefährdet.

Darüber hinaus soll der Bezug der Waren auf lokale Franchisenehmer umgestellt werden - weg von einer Lagerung in eigenen kleinen Läden vor Ort, den Dark Stores.

Um das Unternehmen finanziell zu stabilisieren, soll Firmenchef Nazim Salur darüber hinaus mit bestehenden Investoren über zusätzliches Kapital in neunstelliger Höhe diskutieren.

Nicht wesentlich besser sieht es bei Wettbewerbern wie Flink aus. Der Schnelllieferdienst etwa benötigte im Frühjahr 150 Millionen Euro von Bestandsinvestoren wie Rewe, um weitermachen zu können - trotz eines harten Sparprogramms, wie die "Welt" schreibt.

Konzept der Zukunft?

Wie ein Quick-Commerce-Konzept der Zukunft aussehen könnte, zeigt indes Toters. Das Beiruter Unternehmen wurde 2017 gegründet und ist als Lieferdienst in mehr als 10 Märkten im Libanon und im Irak tätig. Es verfügt über 500.000 aktive Kundinnen und Kunden sowie Partnerschaften mit mehr als 4.000 Händlern. Toters betreibt einen Marktplatz, der Kunden mit dem Einzelhandel verbindet und liefert über ein Netzwerk von Kurieren Lebensmittel, essfertige Gerichte, Medikamente und Convenience-Artikel aus - beim Modell "Toters Fresh" gar binnen 15 Minuten ab Bestellung. Toters entwickelt sich zur "Super-App" und bietet neben dem Essenslieferdienst auch Zahlungs- und Finanztransaktionsdienste.

Dominique Pierre Locher, einstiger Chef von LeShop und Chairman und Shareholder beim Schweizer Online-Händler Farmy, beteiligte sich als Investor im vergangenen Jahr bei Totors. Er kommentiert auf LinkedIn:

"Ähnlich wie Glovo (Anm.: spanischer Lieferdienst) hat auch Toters das Potenzial der Diversifizierung erkannt und eine Plattform geschaffen, die verschiedene Verbraucherbedürfnisse und Anlässe anspricht. Durch das Angebot einer breiten Palette von Produkten und Dienstleistungen hat sich Toters als zuverlässiger Partner für Kunden und Einzelhändler positioniert, der ein nahtloses und effizientes Einkaufserlebnis gewährleistet. In der sich ständig weiterentwickelnden Landschaft des schnellen Handels sind Unternehmen wie Glovo und Toters ein Beispiel für die transformative Kraft von Marktplatzmodellen. Indem sie Kunden mit Einzelhändlern zusammenbringen und schnelle, bequeme Lieferungen anbieten, verändern diese Unternehmen die Art und Weise, wie Menschen einkaufen und Hyper-Convenience erleben."

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