
ShopTech und Omnichannel Operational Excellence: Wie sich Marken und Händler zukunftssicher aufstellen
Der Einzelhandel steht unter Druck. Beispiele wie Galeria, Mytoys oder P&C zeigen, dass es auch für Händler mit hoher Markenbekanntheit nicht selbstverständlich ist, ihr Business online erfolgreich weiterzuentwickeln. Operational Excellence ist hier das Zauberwort.
Von Tobias Ring, Director Growth Services bei Scayle
Wer als Einzelhändler langfristig erfolgreich sein will, kommt an einer dedizierten Omnichannel-Strategie nicht mehr vorbei. Dass Omnichannel jedoch alles andere als trivial ist, zeigen aktuelle Beispiele traditionsreicher Einzelhändler, die trotz großer Bemühungen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind. Auch wenn Omnichannel sehr viel Potenzial bietet, über Nacht umsetzen, lässt es sich leider nicht.
Das Aufbrechen bereits etablierter Strukturen und Prozesse ist besonders schwierig. Oft gibt es unterschiedliche Systeme für verschiedene Touchpoints, die alle nicht perfekt aufeinander abgestimmt - oder im schlimmsten Fall nicht einmal verbunden sind. Da passiert es schnell, dass Kunden Gutscheine nicht gleichermaßen on- und offline einlösen können. Oder online gekaufte Ware nicht in der Filiale zurückgegeben werden kann.
Kunden verstehen nicht, wenn online und offline unterschiedlichen Buchungskreisläufen unterliegen. Es interessiert sie nicht, dass komplexe Prozesse im Hintergrund "Standard-Services" nicht ermöglichen. Sie erwarten Services wie Click & Collect, Click & Reserve, Return in Store oder Online-Bestellungen in der Filiale - und sie erinnern sich daran, wenn das nicht möglich ist.
Kein Traum: So geht Omnichannel
Doch wie sieht eine überzeugende Omnichannel-Erfahrung in der Praxis aus? Um ein solches Szenario durchzuspielen, stellen wir uns beispielsweise eine Kundin vor, die ein neues Outfit kaufen möchte. Sie hat zwei Möglichkeiten: Sie kann entweder eine Filiale aufsuchen oder online einkaufen. Wie viele Kundinnen stöbert sie zunächst online, um zu sehen, was angeboten wird und verfügbar ist. Hier kann sie sich von verschiedenen Looks inspirieren lassen und findet detaillierte Produktinformationen. Die Kundin sieht auch sofort, welche Geschäfte in ihrer Nähe diese Produkte führen. Sie kann die Artikel online in ihrer Wunschfiliale reservieren und macht sich auf den Weg. In der Filiale warten ihre Produkte bereits auf sie. Ein Verkäufer berät sie und kann ihr mit seinem Fachwissen weitere ähnliche Produkte vorschlagen - durch ihre Bestellhistorie kennt er bereits ihre Vorlieben. Die Kundin hat alle Artikel ausgewählt, zahlt und nimmt die Ware mit nach Hause.
Allerdings ist da noch diese eine Traumjeans, die es leider nicht mehr in ihrer Größe gibt. Kein Problem für modernen Omnichannel: Denn der Verkäufer hat die Verfügbarkeit der Jeans bereits im Order-Management-System geprüft. In einer anderen Filiale ist die Jeans verfügbar. Daher bestellt der Verkäufer sie dort und lässt sie zur Abholung in die eigene Filiale oder direkt zur Kundin nach Hause liefern. Die Jeans ist angezogen doch nicht so wie erwartet? Auch kein Problem. Die Kundin kann sie entweder in der Filiale zurückgeben oder per Post ans Lager zurücksenden. Ob online oder offline gekauft - das Unternehmen bietet maximale Flexibilität und diesen Komfort weiß die Kundin zu schätzen.

Tobias Ring, Scayle
Scayle
Kanäle ganzheitlich betrachten
Eine weitere kritische, aber oft übersehene Tatsache: Viele technische Lösungen machen es den Mitarbeitern heute schwer, kanalübergreifend Umsätze zu generieren. Es herrscht viel mehr ein Konkurrenzdenken zwischen den einzelnen Kanälen. Online hat keine Information und keinen Zugriff auf offline und umgekehrt. Standorte konkurrieren miteinander, anstatt sich zu unterstützen. Die Umsatzzahlen der einzelnen Filialen und des Online-Shops werden oft getrennt voneinander betrachtet und ausgewertet - dabei könnten sich diese Kanäle gegenseitig unterstützen, um noch mehr Umsatz insgesamt zu generieren.
In unserem Beispiel hatte der Verkäufer ausschließlich die Kundenzufriedenheit im Auge und schloss den Kauf ab, indem er die Bestellung in einer anderen Filiale aufgab - obwohl er die Kundin erfolgreich beraten und zum Kauf geführt hatte. Es muss ein grundlegendes Umdenken im Einzelhandel erfolgen - hin zu einer Mentalität, die Einkaufskanäle hinter sich lässt und zu 100 Prozent den Kundenwunsch und ein herausragendes Kauferlebnis in den Fokus stellt.
Kunden wollen begeistert werden
Während Click & Collect oder Click & Reserve ein guter erster Schritt in die richtige Richtung sind, dürfen Marken und Händler nicht aufhören, sich weiterzuentwickeln und das Omnichannel-Erlebnis auszubauen. Kundenloyalität ist nicht selbstverständlich. Steigende Erwartungen an den Handel sind tatsächlich für viele Kundinnen ein Grund, zu der bequemeren Einkaufs-Erfahrung zu wechseln - auch wenn das heißt, Lieblingsprodukte auf einem großen Marktplatz zu kaufen, als im Shop der Lieblingsmarke.
Daher sollten sich Marken und Händler genau darüber bewusst sein, wo ihre Stärken liegen, diese gezielt ausbauen und das Einkaufserlebnis genau auf die Erwartungen ihrer Kunden zuschneiden - auf allen Kanälen. Es gibt große Chancen, die es zu nutzen gilt, insbesondere vor Ort in der Filiale mit einem exzellenten Kundenservice, aber auch online mit einzigartigen Frontends, Personalisierung und Loyalty-Programmen. Moderne Technologie ist schlussendlich das, was alles zusammenbringt und die Grundvoraussetzung für überzeugenden Omnichannel schafft, sodass Verkäufer den Filialen genauso glänzen können wie Funktionen im Online-Shop.
Omnichannel braucht Flexibilität
Wachsende Kundenwünsche in einem dynamischen Marktumfeld passen nicht zu starren Technologie-Strukturen. Eine Omnichannel-Strategie ist daher nur dann umsetzbar, wenn sie auf einer Software-Architektur beruht, die flexibel ist, die mitwächst, die Peaks aushält und Anpassungen einfach ermöglicht. Neue Funktionen müssen jederzeit schnell umsetzbar sein und Entwicklern erlauben, diese ohne großen Aufwand zu testen. Und das ohne das "große Ganze" in Gefahr zu bringen, weil Frontend- und Backend-Code so eng miteinander verwoben sind und eine Komplexität erzeugen, die schwer zu beherrschen ist.
Die Alternative ist ein zentrales Commerce-System mit einem globalen Datenpool für alle Kanäle. Sämtliche Informationen zu Produkten und Kunden sind für alle Touchpoints verfügbar - und auch alle Mitarbeiter können auf das gemeinsame Backend zugreifen. Wenn etwa ein Kunde bereits im Online-Shop bestellt hat, kann ihm die native Mobile-App bei einem Besuch in der Filiale direkt personalisierte Angebote machen, weil sie "versteht", wo sich der Kunde gerade befindet. Der Kunde kann in der Filiale Etiketten für detaillierte Produktinformationen scannen und bekommt an einem Terminal persönliche Empfehlungen auf Basis seiner Online-Wunschliste. Da alle Bestände konsequent an einen Datenpool angebunden werden, gibt es volle Transparenz über alle Sortimente, sodass die Verkäufer:innen in der Filiale sogar Restgrößen anbieten können, die in der anderen Filiale zum Ladenhüter geworden wären. Und während der Verkäufer Verfügbarkeiten prüft, weiß er bereits, welche zusätzlichen Angebote noch interessant für die Kundin wären, etwa die Mitgliedschaft im Marken-Club mit exklusiven Online-Editionen.
Fazit: Einzigartige Marke, zentrales System
Wer als Händler nur die Grundbedürfnisse der Zielgruppe befriedigen kann, wird als Unternehmen nicht vorankommen. Kunden werden sich nicht an eine pünktliche Lieferung erinnern, weil sie das inzwischen erwarten. Marken und Händler, die aus der Masse hervorstechen wollen, müssen ihre Stärken klar ausspielen und ein einzigartiges Kundenerlebnis bieten. Smarte AR-Spiegel in der Filiale sind nett. Aber die Herzen ihrer Kundschaft gewinnen Marken und Händler mit ihren Produkten, überzeugendem Kundenservice und dem "Da bin ich gut aufgehoben"-Gefühl.
Und auch wenn Kundinnen die Technologie dahinter nicht sehen, so ist sie maßgeblich daran beteiligt, ob ein Händler weiter relevant für seine Zielgruppe bleibt oder nicht. Es benötigt beide Seiten: Marken und Händler mit tollen Produkten, starkem Branding und Kundenverständnis - und eine flexible Shop-Technologie, die ihnen dabei hilft, ihre Exzellenz auf allen Kanälen in einzigartige Einkaufserlebnisse zu verwandeln.