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Direct-To-Consumer Wie Konsumgüterkonzerne vom D2C-Geschäft profitieren

Shutterstock/Maks_lab
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Die Zeiten, in denen D2C-Marken mit Millionen-Umsätzen schnell skalierten, sind vorbei. Doch richtig aufgesetzt, lohnt sich das D2C-Geschäft auch heute noch. Was es dabei zu beachten gilt, erklärt Sven Korhummel von cyperfection.

Von Sven Korhummel, geschäftsführender Gesellschafter der Agentur cyperfection

Durch den E-Commerce- und Digitalisierungsschub während der Lockdown-Ära stieg der Erfolg von D2C-Brands sprunghaft an. Neben vielen Start-ups stiegen auch Großunternehmen ins Business ein: Sie bauten mit millionenschweren Investitionen digitale Marken auf oder kauften diese zu. Beispielsweise beteiligte sich Henkel im Sommer 2020 an Invincible Brands (Banana Beauty, Mermaid+Me, HelloBody) und im März 2021 investierte die Eckes-Granini Gruppe in die Ingwer-Shot-Marke Kloster-Kitchen. Auch experimentierten Konsumgüterkonzerne mit eigenen D2C-Marken wie Henkel mit M:ID oder Beiersdorf mit O.W.N. (Only What’s Needed).
 
Doch der D2C-Onlinemarkt hat sich verändert. Der Boom ebbt ab. Geschäfte sind wieder offen, und die Inflation drückt auf die Kauflaune. Deshalb sind Firmen wie Henkel, Eckes-Granini und Beiersdorf aus dem Business wieder ausgestiegen. Auch wenn erhoffte Umsätze derzeit ausbleiben, ist das ein Fehler. Schließlich liegt der Gewinn für Konsumgüterkonzerne nicht allein im Umsatz, sondern auch im Nutzen des D2C-Geschäftsmodells für das eigene Unternehmen, in der Weiterentwicklung der Mitarbeitenden und der Organisation.

Kundendaten strategisch zu nutzen, macht wettbewerbsfähig

Konzerne, die planen, sich an D2C-Marken zu beteiligen oder sie zu kaufen, sollten ihre begleitende Geschäftsstrategie auf den Aufbau einer First-Party-Datenbank sowie auf die effektive Datenanalyse und -nutzung im gesamten Unternehmen lenken. Durch die Zusammenarbeit mit D2C-Geschäftseinheiten erhalten sie wertvolle Kundendaten, die über den D2C-Onlineshop, Social-Media-Kanäle, Newsletter, Digital-Kampagnen, Kundenprogramme oder auch Google Search gewonnen werden. Dabei entscheidet der strategische Einsatz von Kundeninformationen schon heute über die Wettbewerbsfähigkeit von Marken. Und an solche Daten kommen sie nicht über ihre Handelspartner.
 
Die Verantwortlichen in der Konsumgüterindustrie können die neuen Einblicke in relevante Kundenpräferenzen, -bedürfnisse, -verhaltensweisen und –trends in die eigene Produktentwicklung, ins Marketing, in den Vertrieb und Services rund um bestehende Marken einfließen lassen und damit Produkte, die Kundenkommunikation und Vertriebskanäle optimieren. Darüber hinaus lernen Konzernmitarbeitende, wie sie Daten analysieren und gewinnbringend in ihre Aufgabenbereiche einbringen. Auch erfahren sie so mehr über die jungen Kundengenerationen. Denn die Gen Z und die Millennials sind dafür bekannt, am liebsten direkt bei ihren Lieblingsmarken zu kaufen.
 
Kurzum: Der eigentliche Profit liegt darin, durch die neu gewonnen Daten personalisierte Kundenerlebnisse entlang der gesamten Customer Journey - offline und online - auch für andere Marken im Konzern zu schaffen. Das macht Marken zu Love Brands und sorgt für eine langfristige Konsumentenbindung.

D2C-Geschäft beschleunigt die Transformation

Sollten Konzerne eigene D2C-Marken entwickeln wollen, ist es unerlässlich, ihr Unternehmen vorab zielgerichtet und kritisch zu analysieren. Das schließt alle Prozesse ein. Dazu zählen Fragen wie: Wie passt das D2C-Business in bestehende Vertriebsstrukturen? Ist die Expertise und IT-Infrastruktur vorhanden, um einen Online-Shop mit einer exzellenten User Experience zu entwickeln und für eine datenschutzkonforme Verarbeitung von Kundendaten zu sorgen? Kann ein digitaler Kundenservice und schneller Versandprozess sichergestellt werden? Denn wer direkt bei Marken bestellt, geht von einem guten Kundendienst und kurzen Lieferzeiten aus.

Beherrschen Mitarbeitende die Klaviatur des Online-Marketings und verstehen sie den Customer-First-Kommunikationsansatz, der D2C-Marken so effektiv macht? Dazu zählen beispielsweise Data Analytics, der Aufbau einer Community, die datenbasierte Aussteuerung von Assets und Kampagnen, das digitale Storytelling über alle Touchpoints hinweg, Social Media- und Influencer-Marketing.
 
Da wichtige Organisationsstrukturen und Kompetenzen für das D2C-Business in der Regel nicht von selbst von Konsumgüterkonzernen mitgebracht werden, sollte eine wirksame Strategie die Voraussetzungen für das Etablieren der D2C-Marke schaffen. Das bedeutet auch - zumindest in Teilen - eine Unternehmenstransformation einzuleiten. Denn es geht nicht nur um den Aufbau einer E-Commerce-Plattform, eines Direktversands, eines Service- und D2C-Marketing-Teams, sondern um einen Change-Prozess. Schließlich werden D2C-Marken datengetrieben, digital, dynamisch und agil geführt. Heißt im Umkehrschluss flache Hierarchien, zügige Entscheidungen und Mut zum Ausprobieren. Konzerne sollten dafür eine kundenzentrierte Mentalität in ihre Unternehmenskultur integrieren. Dieser Schritt befähigt sie nicht nur, ein D2C-Geschäft zu managen, sondern macht sie insgesamt wettbewerbsfähiger und rüstet sie für eine digitale und volatile Zukunft.

Synergien profitabel nutzen

Nicht nur Konsumgüterkonzerne profitieren von der Zusammenarbeit mit D2C-Brands, sondern auch digitale Direktmarken, die im aktuell schwierigen Marktumfeld neue Wege gehen möchten. Beispielsweise hat sich Greenforce auf den Handel eingelassen und verkauft seine Produkte mittlerweile auch bei Rewe, Edeka und Hit, stellt dabei aber den eigenen Shop bei allen Aktivitäten in den Mittelpunkt.

Auch bei Nike funktioniert die Kombination aus Direktvertrieb über den eigenen E-Commerce-Store und die Nike-Geschäfte. Denn im März 2023 verkündete die Lifestylemarke, dass der Direktvertrieb überdurchschnittlich gut läuft und dabei die Umsätze des eigenen Online-Shops um 20 Prozent - trotz Inflation und Kaufzurückhaltung - gestiegen sind.
 
Diese Beispiele zeigen, dass Konsumgüterkonzerne ihre Handelsstrukturen auch für ihre D2C-Marken nutzen können. Sie werden so einem größeren Kundenkreis vorgestellt, was sicherlich zu ihrer Wirtschaftlichkeit beiträgt.
 
Vor diesem Hintergrund bringt der Direktvertrieb, langfristig gesehen, unglaubliche Vorteile. Die Investitionen lohnen sich. Denn die Erfahrungen mit dem D2C-Geschäft, besonders mit den digitalen Kanälen, wird zum strategischen Dreh- und Angelpunkt, um dauerhafte Beziehungen zu Verbrauchern aufzubauen und damit die Rentabilität auch in Zukunft zu sichern. Darüber hinaus reduzieren Unternehmen mit diesem Ansatz die Abhängigkeit von bestehenden Vertriebskanälen und stärken ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Handel.

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