
Künstliche Intelligenz Wie Wepa mit KI den Verkauf von Toilettenpapier ankurbelt
Bei Wepa werden mittlerweile alle Marketingtexte KI-generiert. Mit erstaunlichem Ergebnis: massive Kostensenkung bei gleichzeitiger Steigerung der Leads. Wie er dieses Ziel erreichte und warum es sich lohnt, der KI zu vertrauen, erzählt Marketingchef Nik Ruangroj.
Ob Raststätten, Hotelzimmer, Krankenhäuser: In Europa ist vermutlich jede:r schon einmal mit den Produkten von Wepa in Berührung gekommen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn bei dem Unternehmen aus Arnsberg-Müschede in Nordrhein-Westfalen handelt es sich um den drittgrößten Hersteller von Hygienepapier in Europa.
In Deutschland hat Wepa einen Marktanteil von 25 Prozent. Zu den Kunden gehören vor allem die Gastronomie und Hotellerie, Schulen, Krankenhäuser, Raststätten, Airlines und Flughäfen.
Von 37.000 Euro auf Null: Übersetzungen übernimmt die KI
Obwohl die Gruppe, die mehr als 4.000 Mitarbeiter:innen beschäftigt, hauptsächlich im Geschäftskunden-Marketing (B2B) tätig ist, setzt sie bei der Zielgruppenansprache auf ähnliche Methoden wie andere im Endkundenmarketing, verrät Nik Ruangroj, Head of Brand Marketing bei Wepa Professional.
Beim Marketing spart das Unternehmen seit rund sechs Monaten massiv Kosten ein. Insgesamt schrumpften die Ausgaben für Textkreation und Content, 2022 ein sechsstelliger Betrag, um rund 60 Prozent. Die Kosten für Übersetzungen gingen sogar um 100 Prozent zurück. Von rund 37.000 Euro im Jahr 2022 auf null.
In Folge stieg die Quote an neuen Leads nicht nur um 53 Prozent. Gleichzeitig verzeichnet Wepa einen Anstieg der Click-Through-Rate um 38 Prozent. Offensichtlich handelt es sich um qualitativ höherwertige Leads. Die Newsletter-Opening-Rate ging dank optimierter Headlines um elf Prozentpunkte nach oben.
Bei den Kund:innen kommen die KI-Texte gut an
Zu verdanken sind diese Erfolge dem Einsatz verschiedener KI-Tools, die seit Ende 2022 immer populärer wurden, allen voran Textgeneratoren wie ChatGPT, Minigpt 4, Copy.ai und Jasper. Wepa setzt sie als Unterstützung ein, um Marketingtexte zu kreieren. Inzwischen gibt es keinen Marketingtext ohne KI.
Von KI-generierter Google-Werbung über Newsletter bis hin zu E-Com-Texten auf Amazon. 2024 will sich das Unternehmen außerdem auf den Einsatz verschiedener Tools im Bereich Bild- und Videokreation fokussieren. Dort komme KI bisher nur wenig zum Einsatz, da sich das Promptscripting derzeit noch etwas schwieriger gestalte, erzählt Ruangroj.
Bei Texten sei man aber bereits sehr sicher. Und wie die Zahlen zeigen, kommen die KI-generierten Ansprachen bei den Kund:innen laut Ruangroj "wahnsinnig gut an."
Ruangroj selber beschäftigt sich nicht erst seit der Welle Ende vergangenen Jahres mit dem Einsatz von Künstlichen Intelligenzen im Marketing, sondern schon seit seiner Zeit bei Beiersdorf, in der er von 2018 bis 2021 den asiatischen Markt betreute.
Er sagt: "In Asien ist man, was den Einsatz bestimmter Technologien angeht, schon viel weiter. Als dann die große ChatGPT-Welle auch hierzulande aufkam, haben wir bei Wepa gesagt, dass wir hier unbedingt eine Vorreiterrolle einnehmen wollen." Nicht nur aus Kostengründen, sondern auch, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Denn gerade die jüngeren Generationen fragen proaktiv nach dem Einsatz von KI-Tools und nicht wenige spezialisieren sich bereits.
Mit jeder Innovationswelle entstehen neue Jobs
Erstmals getestet hat das Wepa-Team die Textkreation mit Künstlicher Intelligenz im Dezember 2022, seit Februar 2023 werden bei den meisten Text-Arbeiten KI-Tools hinzugezogen.
"Nun könnte man meinen, eine solche einschneidende Veränderung sei schlecht. Schließlich werden viele Aufgaben durch künstliche Intelligenz erledigt. Das stimmt auch, aber auf der anderen Seite entstehen mit jeder Innovationswelle auch neue Jobs", so Ruangroj.
Neben den oben genannten Tools nutzt Wepa ergänzende Plugins, allen voran Webpilot für Recherchen. Dabei handelt es sich um ein Programm, das unter anderem Nachrichten und andere Webseiten für Wepa analysiert.
In Ruangrojs Team arbeiten derzeit acht Personen, von denen drei mittlerweile Expert:innen-Status haben, was das Prompten in Textgeneratoren angeht. In der Handhabung von Plugins und Recherche- und Marktforschungstools seien aber alle fit.
"In der Regel machen wir der KI Bildvorschläge. Heißt, wir laden Bilder über GPT Engines hoch, also verschiedene Tools, die wir uns angeeignet haben, und fordern zum Beispiel die KI auf, zu dem Bild einen Text für eine bestimmte Zielgruppe, etwa Krankenhäuser, zu schreiben. Das ist eine Möglichkeit. Die andere ist, dass wir die KI fragen, zwei konkurrierende Visuals zu erstellen, die wir dann in A/B-Tests einspeisen." Aus Datenschutzgründen werden die KI-generierten Texte jedoch nicht über Schnittstellen in die Ad Center und Newsletter eingespeist, sondern manuell. Dennoch werden die Impulse der KI meistens direkt übernommen.
Vorsicht bei Eigennamen - oder die KI trainieren
"In dieser Phase der KI-Nutzung müssen wir als Marketingteam zwar immer noch im Lead sein und alle Materialien final prüfen, aber aktuell ist die KI schon sehr präzise und eine verlässliche Unterstützung. Wären die Texte nicht gut, hätten wir hier schon längst Nachteile bemerkt. Nur bei Übersetzungen von Eigenmarken lohnt sich genauer hinzugucken, damit zum Beispiel wie bei unserem Produkt 'Black Satino' das 'black' nicht in die jeweilige Sprache übersetzt wird. Wir sind aber dabei, die KIs dementsprechend darauf auch zu trainieren", so Ruangroj. Ansonsten sei die Fehlerquote bei Übersetzungen - bisher wurden rund 330 Texte übersetzt - mit 0,6 Prozent verschwindend gering.
Ein Sales-Folder mit Klopapier-Einlage: Der Hit im Sales und auf Messen
Nicht nur das. Die KI-generierten Texte performen in allen Bereichen besser und liefern sogar Ideen für neue Werbemittel. "Einmal haben wir ChatGPT gefragt, mit welcher Maßnahme wir den Absatz für unser neuestes Produkt 'Pure Soft' steigern könnten. Die KI schlug mir dann ernsthaft vor, einen Sales-Folder mit einer Probe drin zu machen. Als ich nachfragte, wie ich denn bitte Toilettenpapier in einen Folder packen soll, hieß es, ich sollte einfach einzelne Blätter reinlegen. Und das haben wir dann auch gemacht", erzählt Ruangroj. "Mittlerweile handelt es sich dabei um eine der besten Maßnahmen, die wir je gemacht haben. Der Vertrieb stürzt sich regelrecht darauf. Die Idee hat eingeschlagen wie eine Bombe und kam ursprünglich von einer KI. Für mich ist das ein bemerkenswertes Zeichen dafür, wie genau mittlerweile die Tokens gesammelt werden."
Zu den Hauptkanälen von Wepa gehören Newsletter, Messen, die eigene Webseite als Hub für alle Kommunikationsmaßnahmen, Linkedin und Performance Marketing über Google Ads. Nicht nur bei Bildern, Texten und neuen Ideen wie der Musterbroschüre mit Blättern zum Anfühlen kommt Künstliche Intelligenz zum Einsatz, sondern auch in taktischen Fragen, wie etwa Ausspielungshäufigkeit und Platzierungsvorschlägen für die Digitalkampagne "Just feel it".
Das Vertrauen in die Tools ist bei Wepa so hoch, der Papierhersteller hat sogar einen Messekalender erstellen lassen. Also auf welcher Messe es sich lohnt auszustellen, um maximale Sichtbarkeit bei den Zielgruppen zu erlangen. Dieser wurde allein in diesem Jahr mit acht Messen in drei Ländern ebenfalls als Inspiration genutzt.
Ruangroj: Deutschland darf beim Einsatz von KI nicht schlafen
Das Wissen und die Erfahrung, die Wepa in den letzten Monaten gesammelt hat, gebe Ruangroj nicht nur intern gerne weiter, sagt er. "Die Insights, die wir generieren, teile ich nicht zum Zwecke der Eigenwerbung, sondern weil ich davon überzeugt bin, dass wir, was Künstliche Intelligenz angeht, als Gesellschaft zusammenhalten und in Deutschland nach vorne schreiten müssen. Ich habe kürzlich gelesen, dass die ChatGPT-Zugriffe in Deutschland wieder abnehmen. Aus meiner Sicht ist das jedoch die falsche Entwicklung, denn andere Länder wie China oder Japan bringen zum Beispiel schon Erstklässlern KI-Tools bei. Wir sind oft noch sehr hintendran, was neue Technologien angeht. Die Entscheider:innen in Deutschland müssen verstehen, dass jetzt massiv in Künstliche Intelligenzen investiert werden muss. Sonst sind wir wieder die Letzten. Aus diesem Grund haben wir bei Wepa auch keine Angst davor, konkrete Zahlen zu nennen, etwa wie viel wir bei den Übersetzungen eingespart haben. Nur so verstehen die Leute auch, welcher Wert dahinter steht."