Individuelle Ansprache Wo Personalisierung dem Marketing hilft
Das Online-Marketing bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, den User individuell anzusprechen. Die Entwicklung steht aber erst noch am Anfang.
Manchmal taugt die Welt von früher noch als Vorbild. Im kleinen Laden um die Ecke wusste die Verkäuferin immer genau, was der Kunde wollte. Da wurden Warenkörbe gepackt, die exakt dessen Wünschen entsprachen, und Produktproben auf die Seite gelegt, weil die ihm gefallen könnten.
Die inzwischen weitgehend digitalisierte Geschäftswelt unternimmt große Anstrengungen, diese Kundenansprache in das Online-Zeitalter zu übertragen. Das Zauberwort heißt Personalisierung. "Es geht im Kern darum, das ganz persönliche Verkaufsgespräch in die digitale Welt zu transportieren", sagt Gregor Wolf, Vice President Smart Digital.
Der Internet-Alltag ist davon aber noch weit entfernt. Die individuelle Ansprache der Online-User endet meist schon bei der korrekten Anrede. Dabei würden sich die User viel mehr wünschen. Sie wären sogar bereit, mehr Geld auszugeben, wenn es ein wenig persönlicher zugehen würde. Studien zeigen: Rund 80 Prozent der Verbraucher würden eher bei einem Unternehmen kaufen, das ihnen im Netz ein personalisiertes Kundenerlebnis bietet.
Gezielte Ansprache statt Verteilung nach Schema F
Das Online-Marketing bietet verschiedene Ansätze, die User-Experience individueller zu gestalten, Beispiel E-Mail-Marketing: Neben der korrekten Anrede kann der Versandzeitpunkt der Mail individuell an den User angepasst werden. Vor allem aber erhöht sich die Wirksamkeit von Mails schlagartig, wenn ihr Inhalt personalisiert wird.
Nikolaus von Graeve, Chef der Agentur Rabbit eMarketing, hat viele Kampagnen umgesetzt, bei denen mit immer neuen Content-Bausteinen gearbeitet wurde. Von der Begrüßung über technische Tipps bis hin zu passenden Angeboten oder Sonderaktionen: Immer wieder erhielt der Empfänger eine andere Mail, die möglichst persönlich auf seine Bedürfnisse einging. Um relevant zu bleiben, wechselte sich zudem nützlicher mit überraschendem Content ab. "Bringen Sie Ihrer Frau an einem Tag, der nicht ihr Geburtstag ist, Blumen mit", rät von Graeve. Für einen Druckeranbieter wurde so ein Zyklus mit 100 verschiedenen Mails entwickelt. Zur Erhöhung der Conversions will von Graeve nichts sagen. Nur so viel: "Eine Verbesserung von 30 Prozent ist erwartbar."
Eigentlich sei die Personalisierung von Kampagnen anhand von Daten kein neues Konzept, sagt John Nardone, CEO des Tech-Anbieters Flashtalking. Es sei allerdings eines, das in den Unternehmen erst Schritt für Schritt umgesetzt werden müsse. "Ein hoher Grad an Personalisierung erfordert Zeit, Vorbereitung und Übung - wie das Erlernen eines Musikinstruments."
Individuelle Ausspielung von Gutscheinen
Ein Schritt in diese Richtung ist beispielsweise, wenn ein Online-Shop seine Gutscheine nicht einfach unter all seinen Usern verteilt, sondern ganz individuell vergibt. Für den Mode-Shop Klingel hat Smart Digital ein Dynamic-Vouchering-Konzept entwickelt. Dazu wurden die Sessions der einzelnen User analysiert und mit gespeicherten Daten verglichen. Ziel war es, den passenden Zeitpunkt für die Ausspielung des Vouchers abzupassen und zu prognostizieren, welcher User überhaupt einen Gutschein als Lockmittel benötigt, um seinen Einkauf zu tätigen, und welcher nicht.
Durch die anschließende Individualisierung der Ausspielung konnte die Zahl der Gutscheine dann deutlich reduziert werden, erklärt Gregor Wolf, Vice President Business Development bei Smart Digital. Der nächste Schritt sei nun, auch die Höhe der Vouchers individuell anzupassen.
Es gibt also noch viel Raum für Optimierungen. Einige Anbieter arbeiten daran, ihren ganzen Online-Shop an jeden einzelnen Kunden anzupassen. Durch Personalisierung des Contents, Kundensegmentierung und andere Insights sollen sich die Shops in Sekundenbruchteilen individuell zusammensetzen und dem User eine auf ihn zugeschnittene Experience bieten. Die Plattform Nosto hat für den Golf-Shop Function18.com solche Maßnahmen umgesetzt und so den Bestellwert im Schnitt um 18 Prozent gesteigert.
Werbungtreibende tasten sich erst langsam heran
Ein weiterer wichtiger Baustein zur superpersonalisierten Online-Welt ist "Dynamic Creative Optimization". Mit DCO wird die Möglichkeit bezeichnet, eine Personalisierung innerhalb der Ads vorzunehmen und Texte, Bilder, Preise, Logos, Styling, Animation und Call to Action anzupassen. Solche Dynamischen Ads können zudem mit Echtzeit-Feeds verknüpft werden, um aktuelle Daten zu integrieren - wie Wetter, Sportergebnisse oder Aktienkurse. "Darüber hinaus ist es möglich, Anzeigen nach lokalem Geschmack zu personalisieren", erklärt Sebastian Hupf, Director DACH bei der Werbeplattform Sizmek.
Theoretisch ist technisch also vieles realisierbar. Im Alltag tasten sich die Werbungtreibenden erst an diese neue Welt heran. Die Personalisierung von Video-Werbung habe beispielsweise gerade erst begonnen, erklärt Nicolas Poppitz, Managing Director beim Video-Werbung-Anbieter Teads.
Für den Kunden Rewe hat Teads kürzlich eine Video-Kampagne umgesetzt, die sich an regionalen Gegebenheiten orientierte. Am Ende des Werbe-Videos wurde dem User - je nach Postleitzahl - ein individueller Abspann gezeigt mit dem Hinweis auf einen Landwirt in seiner Region. Über einen Call-to-Action-Button konnte man Informationen zu den Kooperationen von Rewe mit den Bauern in der Nähe erhalten und an einem Gewinnspiel teilnehmen.
Kommen jetzt Self-Assembled Ads?
Die Tage der breit gestreuten Video-Clips seien - zumindest online - gezählt, sagt Poppitz. Die Zukunft gehöre den "Self-Assembled Ads". In diesem Fall wird das Video in seine Einzelteile zerlegt und datenabhängig für jeden User in Millisekunden zu einem individuellen Clip zusammengesetzt. Bei der Werbung für ein neues Smartphone könnten damit einem User, der sich für Gaming interessiert, vornehmlich Spiele-Features gezeigt werden.
Da für diese Entwicklung eine immer größer werdende Menge von Daten analysiert werden muss, spielt künstliche Intelligenz zunehmend eine wichtige Rolle. "Eine KI kann in Echtzeit die optimale Platzierung und das bestmögliche Werbemittel für jeden Nutzer berechnen", sagt Kevin Wasmund, Head of Business Intelligence bei Tectumedia. "Besonders interessant wird es dann, wenn die KI selbstständig A/B-Tests durchführt und diese Ergebnisse anwendet."
Die Online-Marketing-Welt würde sich dann noch etwas schneller drehen.