
D2C von Brauereien Kleine Brauerei - große, digitale Welt
Das Internet eröffnen kleinen Brauereien erstmals die Chance, vorbei an Handel und Gastronomie ihre Kunden direkt zu beliefern. Doch das Einkaufserlebnis in vielen Online-Shops, egal ob D2C-Brand oder Platzhirsch, ist noch ausbaufähig.
Von André Roitzsch, Geschäftsführer Shopmacher
Das Brauereigewerbe gehört zu den ältesten der Welt. Und gefühlt genauso alt ist auch die schier unüberwindbare Front aus Gastronomie und Handel. Sie macht es kleineren und neuen Playern sehr schwer, mit womöglich erstklassigen Produkten den Platzhirschen Marktanteile abzuluchsen – oder den Markt zumindest einmal ordentlich durcheinanderzuwirbeln.
Doch ähnlich wie in anderen Branchen bringt die Digitalisierung etablierte Vertriebsstrukturen zunehmend ins Wanken. "Direct to Customer", kurz "D2C", heißt das Buzzword, das jungen Brands auf direktem Weg Kundenkontakte liefert. Mit eigenen Online-Shops, im Social Web oder über Online-Marktplätze erreichen Brauereien ihre Kundschaft direkt, ohne mit der Gastronomie oder dem Handel über Listungen diskutieren zu müssen.
Mit den Lockdowns der Corona-Pandemie hat sich die Verschiebung Richtung Internet weiter beschleunigt. Tradierte Vertriebswege verlieren an Bedeutung und in den neuen Kanälen starteten etablierte Traditionsbrauereien und junge Herausforderer gemeinsam wieder bei Null. Und in der (digitalen) Evolution überleben schon immer bekanntermaßen nicht die Größten und Stärksten, sondern die Anpassungsfähigsten.
D2C ist mehr als ein Webshop
Unvorbereitet und naiv darf sich allerdings niemand in das neue digitale Abenteuer stürzen. Denn D2C-Commerce ist eine Spezialdisziplin mit eigenen Gesetzmäßigkeiten. Es geht nicht nur darum, einen Online-Shop zu betreiben und Waren im Paket zu versenden – was Brauereien, die in Bierkisten denken, nebenbei bemerkt vor erheblich komplexere Herausforderungen stellt als eine Kosmetik-Brand, die Lippenstifte verschickt. Vielmehr müssen die Brauereien ihr Verständnis von Kundenbeziehung neu überdenken. Statt sich wie früher von Kreativagenturen Claims erfinden zu lassen, die dann in aufwändig inszenierten TV-Kampagnen mit Millionenbudgets breit über alle TV-Kanäle gestreut werden, geht es heute darum, Storytelling zu betreiben und sich eine treue Fan-Community aufzubauen. Kampagnen gibt es nicht mehr zweimal pro Jahr, sondern im Idealfall täglich.
Wie schwer sich die Brauereien schon damit tun, ihr Marketing neu zu denken, zeigte bereits im Juli 2020 eine Analyse von Sascha Schulz, Co-Founder der Influencer Marketing Academy, für die "Getränke Zeitung". Statt cooler Videos, emotionaler Fotos und Podcasts posteten sie Innenaufnahmen aus dem Brauhaus oder langweilige bis peinlich gestellte Posen.
Die Online-Auftritte der rund 7.000 Brauereien, die es in Deutschland gibt, vermitteln einen ähnlichen Eindruck. Schon die Image-Seiten sind – gelinde gesagt – verbesserungswürdig. Und im Direktvertrieb ist noch maximale Zurückhaltung angesagt: Eine schnelle Recherche bei insgesamt 21 Biermarken der zehn größten Brauereien in Deutschland zeigt: Askania, Carlsberg, Champignuelles, Corona, Diebels, das Frankfurter Brauhaus, Franziskaner, Löwenbräu und Spaten haben überhaupt keinen Online-Shop. Haake-Beck, Hasseröder, Oettinger, Paulaner, Radeberger und Veltins bieten auf ihrer Website einen Fanshop ohne Bier nur mit Merchandising-Produkten an. Und Warsteiner verlinkt unter shop.warsteiner.de auf ein Sortiment an Merch-Artikeln bei Amazon.
Nur drei der Top-Ten-Brauereien in Deutschland verkaufen ihr Bier selbst online
Eine D2C-Strategie für ihre großen Biermarken verfolgen von den Top-Ten-Brauereien hingegen nur drei (während andere unter dem Radar experimentieren): Anheuser Busch hat sich im Jahr 2005 mit InBev und Philips zusammengetan, um unter der Marke PerfectDraft ein Fassbier-Zapfsystem zu entwickeln, für das Sechs-Liter-Mehrweg-Fässer online bestellt werden können. Bitburger bietet ausgewählte Produkte wie Fassbrause, Maibock, Dosen- oder Craft Bier im Online-Shop an. Und Krombacher lässt Kunden personalisierte Bieretiketten gestalten und bietet ansonsten versandfreundliche Spezialprodukte wie 1-Liter- und 3-Liter-Flaschen oder 5-Liter-Fässchen sowie arrondierende Sortimente wie Bierbrand oder Bierlikör.

Krombacher setzt im Online-Shop auf versandfreundliche Produkte
Krombacher
Brauereien in der Gastronomie geben sich viel Mühe, Individualität auszustrahlen und tun alles dafür, dass sich ihre Gäste dort wohlfühlen. Dagegen wirken viele Online-Shops nicht wirklich ambitioniert, sondern eher auswechselbar und lieblos. Kein Webauftritt macht wirklich Lust auf Bier oder legt - in Digitalsprech - wert auf eine besondere Customer Experience. Viele Produkte wurden weder eigens für den Online-Handel fotografiert noch ordentlich betextet. Ein Flagship-Store - und als ein solcher sollte ein Online-Shop ja eigentlich verstanden werden - sieht anders aus.
Die jungen D2C-Brauereien im Web allerdings präsentieren sich nur wenig besser. Sucht man in der Datenbank Direct-Brands.de nach Anbietern, finden sich Namen wie Munich Brew Mafia, Tilmans Biere, Noam (ein Ableger von Weihenstephaner), BRLO oder Wunder Bräu. Ihre Betreiber sind erkennbar Experten für Craft Bier und Social Media, weswegen alle Biere so designt wurden, dass sie sich in Social Networks wie zum Beispiel Instagram aufmerksamkeitsstark inszenieren lassen. Das hilft auf den ersten Blick zwar, um auch den Webshop etwas attraktiver aussehen zu lassen. Das Einkaufserlebnis in Gänze allerdings lässt sich auch bei den jungen Craft-Bier-Brauern noch erheblich verbessern.
D2C-Brauereien sind im Webshop für Kunden spontan nicht erreichbar
Das fängt schon damit an, dass Tilmans Bier oder Wunder Bräu es den Kunden nicht erlauben, ihre Bierkästen - im E-Commerce wohl eher Pakete - individuell zu bestücken. Doch ein Bierliebhaber, der im Social Web über die Marke stolpert, würde wahrscheinlich lieber Einzelsorten durchprobieren als für 14,10 Euro ein Sixpack zu kaufen, das ihm dann nicht schmeckt. Darüber hinaus sind die Versandkosten bei Tilmans Biere mit 7,50 Euro für viele Kunden auch abschreckend hoch. Hingegen bindet Wunder Bräu geschickt Kundenbewertungen ein, um das für eine unbekannte Marke so wichtige Vertrauen zu fördern.
Die Munich Brew Mafia bietet ihren Kunden zumindest die Möglichkeit, neben Paketen auch Einzelsorten zu bestellen und verschickt die Bestellungen versandkostenfrei. Und auch die Brauerei Noam, die nur eine einzige Biersorte verkauft, versendet ohne Portogebühren. Alle drei Anbieter verschenken in ihren Shops jedoch die Möglichkeit, Kunden zu binden. Es gibt keine Abofunktion und kein Kundenbindungsprogramm.

Im Webshop von Brlo können sich die Kunden ihre Biersorten in einer “Pick & Mix”-Box individuell zusammenstellen
Brlo
Wie es besser geht, zeigt die Marke Brlo. Die Brauerei versucht, Kunden zum Abo zu bewegen, indem sie ihnen 15 Prozent Preisvorteil verspricht. Zudem können sich die Kunden ihre Biersorten in einer individuellen "Pick & Mix"-Box individuell zusammenstellen. Allerdings: Wie die Konkurrenz auch, bietet auch Brlo in seinem Webshop keinen direkten Draht zum Unternehmen. Wer spontan eine Frage hat, muss eine E-Mail schreiben oder ein Kontaktformular ausfüllen, statt schnell per Chat Kontakt aufnehmen zu können. Das kostet im Zweifel nicht nur Conversions, sondern ist auch eine verschenkte Chance, sich mit Kunden auszutauschen, um die eigenen Prozesse und Produkte zu verbessern.
Brewdog zeigt, wohin die Reise gehen kann
Das große Vorbild in Sachen Direktvertrieb von Bier ist allerdings die schottische D2C-Brauerei Brewdog, inzwischen einer der Marktführer unter den D2C-Bierbrauern. Dass das Produkt Digital first gedacht ist, zeigt schon die Verpackung. Die Brewdog-Biere gibt es in unzerbrechlichen Dosen, nicht in den üblichen Glasflaschen. Auch die Markenstory hat alle üblichen D2C-Komponenten: Zwei Männer und ein Hund wollten die britische Pub-Landschaft revolutionieren, die Produkte werden aus besten Rohstoffen hergestellt und mit Windkraft und daher umweltverträglich produziert. Damit die einmal teuer gewonnenen Kunden immer wieder kaufen, gibt es Treuepunkte und ein Abo-Modell. Bestellt werden kann nicht nur im Online-Webshop, sondern auch in einer App, die die Kunden zudem auf Wunsch auch noch in die nächste Bar lotst, in der Brewdog ausgeschenkt wird.
In Asien zeichnet sich inzwischen schon der nächste Entwicklungsschritt an. Hier wird Bier nicht mehr im Webshop gekauft, sondern per Messenger wie WhatsApp. In der Gastronomie bürgert sich das langsam auch in Deutschland ein. Plattformen wie Choco sind hier der Vorreiter. Aber dazu müssen die D2C-Shops erstmal eine Grundbedingung erfüllen: erreichbar sein.
Tipps für eine optimale D2C-Strategie:
- Spiegelt der Online-Shop das Branding und das Lebensgefühl Ihrer Marke wider?
- Ist das Produkt-Design nicht nur instagram-tauglich, sondern auch zum Versand geeignet?
- Mobile first: Lässt sich online über Smartphone oder Tablet einfach bestellen?
- Schaffen Sie Cross-Channel-Verbindungen, indem Sie beispielsweise auch für das getrunkene Feierabend-Bier in der Bar Treuepunkte vergeben?
- Bieten Sie über die Website Erlebnisse, um die Community zu stärken?
- Sammeln Sie Daten und Produkt-Feedback, um die Kundenkommunikation zu verbessern und die Produkte zu optimieren.