
D2C-Marktübersicht Bau dir deine Küche - aber nur im D2C-Modus!
In der Datenbank unseres D2C-Radar greifen wir aktuell auf die Datenpunkte von über 80 D2C-Marken zurück, die hierzulande im Segment Küche und Haushalt aktiv sind. Reicht das, um eine komplett neue Küche nur über D2C-Kanäle auszustatten? Ein Experiment.
Von Stefan Hövel und Ralph Hübner
Fangen wir einfach bei der Basis an: Wo kaufen wir die Küche? Wir haben uns für Ikea entschieden, aber mit einem coolen Upgrade. Wir veredeln die Basiselemente einfach mit den Oberflächen von Cubrodesign. So bauen wir uns eine individuelle Küche und sparen gleichzeitig eine Menge für Ausstattung und Zubehör. Bei den Einbaugeräten müssen wir tatsächlich auf etablierte Hersteller zurückgreifen, können uns aber bei den meisten Herstellern über den D2C-Vertriebsweg bedienen. Das kostet zwar vereinzelt zehn bis 20 Prozent mehr als im Laden, dafür sind Garantie und Service direkt vom Hersteller.
Bei den multifunktionalen Küchenmaschinen fällt die Entscheidung aus unserer Sicht zwischen dem Platzhirsch Thermomix und dem Herausforderer Cookit von Bosch. Interessanterweise gibt es in diesem Segment (noch) keine unabhängigen D2C-Marken, dafür scheinen die technischen Anforderungen einfach zu hoch zu sein. Beide Produkte liegen preislich im vierstelligen Bereich und beide Marken achten sehr streng auf die Distributionshoheit, nicht zuletzt um das entsprechende Beratungsniveau vor und nach dem Kauf bei diesen durchaus komplexen Produkten abzusichern.
Die "perfekte Customer Journey" ist hier nicht nur aus Markensicht, sondern auch aus Rentabilitäts-Perspektive elementar. Retournierte gebrauchte Küchengeräte sind hier nämlich wirklich ein wirtschaftlicher (Total)schaden, da der Gesetzgeber in Deutschland hier sehr strenge Vorgaben macht. Aus Hygienegründen dürfen Küchengeräte, die bereits mit Lebensmitteln in Kontakt waren, nicht einfach wieder in den Markt gebracht werden. Stattdessen müssen zumeist die Kontaktbauteile getauscht werden.
D2C-Pfannenmarken strukturieren Informationen besser als die etablierten Hersteller
Bei den Pfannen und Töpfen betreten wir D2C-Marken-Neuland und können uns bei Myolav.com, Onyxcookware.de und Madeincookware.com bedienen. Was im Vergleich zu den etablierten Marken auffällt: Informationen werden besser strukturiert und vielfach mit Ratgebern gearbeitet. Preislich liegen diese D2C-Marken kontinuierlich oberhalb der etablierten Marken, was sich aber - unter anderem durch Circular Economy inside - bei einer langen Lebensdauer relativiert. So lassen sich die Pfannen von Olav neu beschichten. Bei den etablierten Herstellern bietet lediglich Hoffmann einen solchen Service an. Ein sinnvolles Accessoire, damit Pfannen erst gar nicht verkratzen, sind übrigens Pfannenschoner, etwa von LoFelt. Diese junge Accessoire-Marke findet man auf Amazon.
Damit wären wir auch schon beim nächsten Thema - wie geht eigentlich Pizza heute? Immer noch auf dem Backblech wie früher oder schon besser? Wer’s günstig mag, kauft sich den Pizzastein von Esprevo.de, wer aber dem Italiener Konkurrenz machen will, der braucht die Pizzaöfen von Ooni oder Gozney, um für Gesprächsstoff für die nächste Party oder ein Add-on zum Barbecue auf der Terrasse zu sorgen (und kostenlose Mund-zu-Mund-Propaganda für die Brands zu machen).
Kooperationen als Growth Hack
Bei den neuen Marken wie Ooni fällt auf, dass diese nicht nur mit sehr gutem SEO/SEA-Marketing out-performen, sondern auch viel auf Kooperationen mit anderen Marken setzen. Ein Growth Hack, der in der letzten Phase des immensen Klickpreis-Anstiegs immer mehr in Mode kommt. Schließlich gibt es auch in vielen anderen Branchen oder auch branchenübergreifend Komplementär-Ansätze, wo "Investitionsgut und Verbrauchsmaterial" elegant in der Zielgruppenansprache gepaart werden können. Der Case aus Kochutensil + Lebensmittel + Rezept ist hier sicherlich einer der trivialeren Gedanken.
Alles entscheidend ist jedoch die tägliche Execution in der Kooperation und hier können etablierte Marken sicherlich noch einiges von D2C-Brands lernen. (Spoiler: Dieses Thema werden wir in einem der kommenden Newsletter noch vertiefen, denn eine spannende Frage ist, welche Plattform oder welche Service-Provider hier das Match-Making übernehmen können.)
Wer beim Thema "Barbecue" immer noch glaubt, dass sich Steaks und Würstchen nur auf einem US-Kugelgrill wohlfühlen, den müssen wir dringend auf den neuesten Stand bringen. Man sagt nicht mehr "Grill", sondern mittlerweile "Outdoor-Küche", gute Beispiele finden sich bei Otto Wilde, Flammkraft.de, Burnhard, Schickling Grill oder Atoll. Den Kredit für die "echte Grillstation" gibt’s übrigens dann bei smava ;)
Einige Innovationen haben wir nebenbei auch noch gefunden, beispielweise den Komposter für die Küche von Mykalea (ein Kärcher-Zögling), das Vakuumiergerät von Heysilo, den induktiven Tauchsieder von Heatle, den Lichtofen von Brava oder die Wassergeräte von Mitte. Was uns hierbei gefällt: Hier wird durch absolute Fokussierung auf den einzelnen Anwendungsbereich über die gesamte Website hinweg viel besser kommuniziert, was ein Produkt wirklich kann. Corporate Brands hingegen vertrauen immer noch auf die Stärke ihrer Dachmarke (über breiten und tiefen Sortimenten thronend) und setzen separate Landingpages für Produkte nur sporadisch ein - was nicht selten auch an den (internen) Restriktionen der verwendeten CMS oder Shopsystemen liegen dürfte.
Redaktionelle Herausforderungen lassen sich mit wenig Produkten leichter beherrschen
Neben den systemischen Hürden ist es aber vor allem die redaktionelle Herausforderung, sowohl was den zeitlichen Aufwand angeht, aber insbesondere die Beherrschung der Komplexität. Noch immer ist es einer der dezentralen Erfolgsfaktoren der D2C-Brands (im Suchmaschinenmarketing), dass sie sich nur auf ein oder sehr wenige Produkte fokussieren und deshalb auch das "iterative Vorwärts-Scheitern" beherrschen können. A/B-Tests bei Sortimenten von mehr als 100 Produkten geraten nun mal schnell zur höheren Mathematikaufgabe (und sind, nebenbei bemerkt, ein Grund, warum der Marketingleiter einer Corporate Brand inständig hofft, dass das KI-Versprechen seines neuen Software-Anbieters sein strategisches Problem löst….)
Ganz wichtig und fast schon ein Status-Symbol ist für viele Köche natürlich das Messer. Feinste Ware gibt es von Black Chili Messer oder Stallion und geschärft wird mit dem Schleifer von Horl. Was dann an Utensilien noch fehlt, haben wir bei Heynna gefunden und den Sushi-Fans unter euch wird ganz sicher Black-Glass.de gefallen.
Smart wird’s dann beim Thema Kräuter und Gewürze. App-gesteuert wächst das Basilikum oder die Petersilie wohl schneller und besser als je zuvor, das versprechen zumindest folgende Marken: Clickandgrow.com, Ogarden.org, Berlingreen oder Plantui (das übrigens auch von Bosch unter dem Namen SmartGrow vertrieben wird). Wer’s bei den Gewürzen lieber klassisch und getrocknet mag, der greift zum Sortiment von Pfeffersack und Söhne inklusive Zubehör wie Mühlen und Mörser, wenn einem Ankerkraut oder Just Spices nach dem Verkauf an klassische Corporates zu traditionell sind. Fehlt eigentlich nur noch eine Prise Salz von Flor de Sal.
Wenn lang gediente Corporate-Manager eigene D2C-Brands starten
Am Ende braucht's natürlich noch einen Kaffee: Neben vielen etablierten Herstellern und ambitionierten Start-up-Projekten ist uns Zuriga Coffee aufgefallen, allerdings muss man hier dann wohl das Geld investieren, dass man vorher bei der Küche gespart hat. Wer’s lange heiß mag, sollte in einen Cup von Ember investieren.
Wir sparen uns die lange Liste der D2C Kaffee- und Teemarken, aber eine kleine Anekdote muss sein: Da hat doch tatsächlich der Global-Head-of-Brand von Philips mit Marzano Caffee seine eigene D2C-Marke gestartet. Kurz darauf hat er Philips nach fast 25 Jahren verlassen - vielleicht war es einfach Zeit für einen guten Espresso?
Das Fazit unseres Experiments zur D2C-Küchenausstattung fällt äußerst positiv aus: Man kann - wenn man will - fast alle Marken aus Mamas Küche ersetzen durch neue, frische D2C Brands. Das macht nicht nur Spaß, sondern liefert auch Gesprächsstoff beim nächsten Lunch oder Dinner. Und man unterstützt damit eine neue Generation von Gründern, die sich viele Gedanken machen, wie Kochen schneller, nachhaltiger und auch digitaler funktioniert.
Last but not least noch ein Tipp für alle, die sich wenig Aufwand machen wollen: Leckere Kochboxen mit Rezept bieten neben dem Platzhirsch Hellofresh.de auch die Marke Prepmymeal.de, Juit.com, Marleyspoon, Dinnerly, Easy Cook Asia, Dinnerly.de oder Wyldr-Bio.de.
PS: Kennt ihr auch noch D2C Marken aus dem Umfeld Küche, Rochen und Rezepte? Lasst es uns wissen, wir nehmen sie gerne in unsere Datenbank auf.