
Verbraucherschutz Kein zusätzliches Entgelt für Papierrechnung
Darf ein Unternehmen für Papierrechnungen eine Gebühr erheben, wenn die Rechnungen auch online zur Verfügung stehen? Das hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden.
Stefan Michel
Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Mobilfunkanbieters, nach der für die Zusendung einer Rechnung in Papierform (zusätzlich zur Bereitstellung in einem Internetkundenportal) ein gesondertes Entgelt anfällt, ist unwirksam, wenn der Anbieter sein Produkt nicht allein über das Internet vertreibt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 09.10.2014 - Aktenzeichen III ZR 32/14 - entschieden.
Die Beklagte - ein Telekommunikationsunternehmen - stellt ihren Privatkunden die Rechnungen in einem über das Internet erreichbaren Teilnehmerportal zur Verfügung und hält dort die Daten eine bestimmte Zeitlang zum Abruf bereit. In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist geregelt, dass die Bereitstellung einer Rechnung in Papierform nur erfolgt, soweit der Kunde dies ausdrücklich wünscht und dass hierfür Gebühren gemäß der Preisliste anfallen. Nach der Preisliste beläuft sich die Gebühr auf monatlich 1,50 Euro.
Der klagende Verbraucherschutzverein hält diese Klausel für unwirksam. Er begehrt, der Beklagten die Verwendung dieser Klausel zu verbieten. Der Bundesgerichtshof hat der Klage mit folgender Begründung stattgegeben:
Die in dem Preisverzeichnis enthaltene Regelung über ein gesondertes Entgelt für die Übersendung einer Rechnung in Papierform von 1,50 Euro weiche von den gesetzlichen Regeln ab und sei mit deren Grundgedanken unvereinbar (Paragraph 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehöre, dass jeder Rechtsunterworfene seine Verpflichtungen zu erfüllen habe, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können.
Ein Anspruch auf Ersatz anfallender Kosten bestehe nur, wenn dies im Gesetz vorgesehen sei. Fehle eine solche Regelung, könnten entstandene Kosten nicht auf Dritte abgewälzt werden, indem Pflichten in AGB zu individuellen Dienstleistungen gegenüber Vertragspartnern erklärt werden. Jede Entgeltregelung in AGB, die sich nicht auf eine auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbrachte (Haupt- oder Neben-)Leistung stütze, sondern Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten oder für Zwecke des Verwenders abzuwälzen versuche, verstoße gegen Paragraph 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Entscheidung von großer Tragweite
Darüber hinaus indiziere die Unvereinbarkeit einer Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners gemäß Paragraph 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Diese Voraussetzungen seien im konkreten Fall erfüllt. Die Beklagte wende sich mit ihrem Angebot nicht ausschließlich an Kunden, die mit ihr die Verträge auf elektronischem Weg über das Internet abschließen. Nur wenn dies der Fall wäre, könnte die Beklagte davon ausgehen, die gegenüber allen ihren Vertragspartnern bestehende Pflicht zur Rechnungserteilung vollständig und umfassend durch Bereitstellung der Rechnung in ihrem Internetkundenportal zu erfüllen. Da die Beklagte aber nicht allein diesen Kundenkreis bediene, könne sie ihrem Geschäftsbetrieb nicht die Erwartung zugrunde legen, dass ihre Vertragspartner praktisch ausnahmslos über einen Internetzugang verfügten und in der Lage seien, die ihnen erteilten Rechnungen elektronisch aufzurufen.
Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die allgemeine Verbreitung der Internetnutzung weiter zugenommen habe, könne noch nicht davon ausgegangen werden, dass die Abwicklung des privaten Rechtsverkehrs über dieses Medium bereits zum allgemeinen Standard erstarkt sei. Angesichts dessen sei die Erteilung einer Rechnung in Papierform weiterhin eine Vertragspflicht der Beklagten, für die sie kein gesondertes Entgelt verlangen dürfe.
Unser Tipp:
Die Entscheidung des BGH ist von großer Tragweite. Telekommunikationsunternehmen, die ihre Produkte nicht allein über das Internet vertreiben, können für den Versand von Papierrechnungen auch dann kein gesondertes Entgelt verlangen, wenn die AGB dies vorsehen. Entsprechende Klauseln sind unwirksam. Sie sind zur Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen aus AGB zu streichen und in bestehenden Vertragsbeziehungen ist den Kunden mitzuteilen, dass die Klausel nicht mehr angewendet wird. Gebühren für Papierrechnungen dürfen nicht mehr erhoben und zu Unrecht erhobene Gebühren müssen zurückerstattet werden, soweit die Ansprüche noch nicht verjährt sind. Das kann teuer werden.
Stefan Michel
KLEINER Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
Büro Stuttgart