
Werbung und Jugendliche Kein Wettbewerbsverstoß
Junge Konsumenten können von Werbung besonders leicht beeinflusst werden, daher sind die Regeln für die Ansprache von Jugendlichen streng. Allerdings wurden die Hürden herabgesetzt. Von Stefan Michel.
Kinder und Jugendliche stellen für die werbende Wirtschaft eine nicht mehr hinwegzudenkende Zielgruppe dar. Die Herausforderungen an die werbliche Ansprache sind groß, denn für die Werbung gegenüber Kindern und Jugendlichen gelten strengere Regeln als gegenüber Erwachsenen. So ist nach Nummer 28 des Anhangs zu Paragraph 3 Abs. 3 UWG die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder die beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu veranlassen, stets unlauter.
Nach Paragraph 4 Nummer 1 und 2 UWG handelt unlauter, wer die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern unangemessen unsachlich beeinflusst oder geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit oder die Leichtgläubigkeit von Verbrauchern auszunutzen. Kinder und Jugendliche unterliegen somit einem besonderen gesetzlichen Schutz vor bestimmten Formen der Werbung und zwar unabhängig von dem gewählten Medium, also Print, TV oder Internet.
In der letzten Woche hatte der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs über die Rechtmäßigkeit einer vom Media-Markt veranstalteten und an Kinder gerichteten "Zeugnisaktion" zu entscheiden (Urteil vom 03.04.2014 – I ZR 96/13 – Zeugnisaktion). Der Media-Markt hatte in einer Zeitungsanzeige mit einer Werbeaktion geworben, bei der Schüler eine Kaufpreisermäßigung von 2,00 Euro für jede 1 im Zeugnis erhielten. In der Anzeige wurde darauf hingewiesen, dass die Ermäßigung für alle angebotenen Warenbereiche gelten sollte.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hielt diese Werbung für unlauter, da sie die angesprochenen Schüler in unzulässiger Weise zum Kauf auffordere und deren geschäftliche Unerfahrenheit ausnutze.
Das Landgericht Passau hat die auf Unterlassung gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Verbraucherzentrale hatte vor dem Oberlandesgericht München keinen Erfolg. Nach Ansicht des Berufungsgerichts enthält die Werbung zwar eine an Kinder gerichtete Aufforderung zum Kauf. Sie verstoße aber nicht gegen die Verbotsnorm der Nummer 28 des Anhangs zu Paragraph 3 Abs. 3 UWG, weil sich der allgemeine Kaufappell nicht auf konkrete Produkte, sondern auf das gesamte Sortiment beziehe.
Die Werbung übe auch keinen unangemessenen unsachlichen Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Schulkinder aus und sie nutze auch nicht deren geschäftliche Unerfahrenheit aus. Gegen diese Beurteilung wandte sich die Verbraucherzentrale mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Revision zurückgewiesen
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Verbraucherzentrale zurückgewiesen. Er hat angenommen, dass es an einem hinreichenden Produktbezug im Sinne von Nummer 28 des Anhangs zu Paragraph 3 Abs. 3 UWG fehlt. Diese Bestimmung setze voraus, dass ein auf bestimmte Produkte gerichteter Kaufappell vorliege. Eine allgemein auf das gesamte Warensortiment bezogene Kaufaufforderung genüge nicht.
Einen Wettbewerbsverstoß gemäß Paragraph 4 Nr. 1 und 2 UWG hat der Bundesgerichtshof ebenfalls verneint. Bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung dieser Vorschriften im Lichte von Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken könne weder ein unangemessener unsachlicher Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit noch eine Ausnutzung der Unerfahrenheit der von der Werbung angesprochenen Schulkinder angenommen werden.
Unser Tipp:
Der Bundesgerichtshof hat die Hürden für eine wettbewerbsrechtlich zulässige Werbung gegenüber Kindern und Jugendlichen deutlich herabgesetzt. Wird die Werbung allgemein gehalten, bezieht sie sich also nicht auf ein konkretes Produkt, sondern auf das gesamte Sortiment, sind bestimmte Lockmittel erlaubt. Durch das Inaussichtstellen einer Kaufpreisermäßigung in Höhe von 2,00 Euro, die für jede 1 im Zeugnis in Bezug auf alle Waren des Sortiments in Anspruch genommen werden kann, sind die Grenzen zur Unlauterkeit noch nicht überschritten.
Stefan Michel
KLEINER Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft Büro Stuttgart
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