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Wettbewerbsrecht Werbung mit Lockangeboten im Internet

Lockangebote können irreführende Werbung sein und sind im stationären Handel unzulässig. Aber gilt dies auch für den Online-Handel?

Wer kennt es nicht? Das Supersonderangebot, das viele Kunden in den Laden lockt. Zwar ist das Supersonderangebot meistens schnell ausverkauft, aber die Kunden widmen sich dann sogleich dem restlichen Warensortiment. Das freut den Händler. Allerdings kann das Supersonderangebot für Händler schnell zur Stolperfalle werden, denn Lockangebote können unzulässige, irreführende Werbung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sein. Aber gilt dies auch für den Online-Handel? Damit hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einer aktuellen Entscheidung beschäftigt.
 
Der Entscheidung  des OLG Hamm (Urteil vom 11. August 2015, Az. 4 U 69/15) lag folgender Sachverhalt zugrunde. Ein Händler vertrieb sowohl im stationären Handel als auch über seinen Onlineshop Elektrofahrräder. Dabei bot er im Dezember 2014 in seinem Onlineshop Elektrofahrräder des Modells "XY 2014" an. Bei der Zahl 2014 handelt es sich um das Herstellungs-/Modelljahr des Fahrrads. Die Angebotsseite enthielt den Hinweis "Nur noch wenige Exemplare auf Lager, Lieferzeit zwei bis vier Werktage" sowie eine Drop-Down-Liste, über die der Kaufinteressent im Fall einer Bestellung die Rahmengröße des zu liefernden Fahrrads wählen konnte.

Konkurrent tätigte Testkauf

Ein Konkurrent beauftragte seinen Rechtsanwalt mit einem Testkauf. Dieser bestellte ein Fahrrad mit der Rahmengröße 54 und erhielt auch umgehend eine Eingangsbestätigung mit der Bitte, den Kaufpreis in Höhe von etwa 2.800,00 Euro im Wege der Vorauskasse auf ein Girokonto des Shopbetreibers zu überweisen. Tatsächlich verfügte der Shopbetreiber zu diesem Zeitpunkt über kein Elektrofahrrad des in Rede stehenden Modells mit der Rahmengröße "54" mehr.

Das letzte Fahrrad des Modells mit dieser Rahmengröße hatte er bereits am 29.11.2014 an einen Kunden verkauft. Einen Hinweis darauf, dass der Shopbetreiber über ein Fahrrad des bestellten Modells mit der bestellten Rahmengröße überhaupt nicht mehr verfügte, enthielt die Eingangsbestätigungs-E-Mail nicht.

Ungefähr eine Stunde später erhielt der Testkäufer eine erneute E-Mail eines Mitarbeiters des Shopbetreibers mit dem Wortlaut: "Guten Tag Herr C, das bestellte Rad haben wir aktuell nicht auf Lager. Wir bekommen im Januar das 2015er Modell. Wie sollen wir verfahren?".

Die Konkurrentin mahnte daraufhin den Shopbetreiber mit der Begründung ab, es habe sich bei dem Angebot für die Elektrofahrräder um eine unlautere Lockwerbung gehandelt. Nachdem der Shopbetreiber die Vorwürfe in der Abmahnung zurückwies, erließ das Landgericht Bochum für den Konkurrenten eine entsprechende einstweilige Verfügung, welche auf Widerspruch des Shopbetreibers vom Landgericht bestätigt wurde. Gegen das Urteil legte der Shopbetreiber Berufung ein - ohne Erfolg.

Angebot stellt unlauteres Lockangebot dar

Das OLG Hamm entschied, dass das vorliegende Angebot ein unlauteres Lockangebot im Sinne des Nr. 5 Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG sei. Nach dieser Vorschrift sind Waren- und Dienstleistungsangebote zu einem bestimmten Preis unzulässig, wenn der Unternehmer nicht darüber aufklärt, dass er hinreichende Gründe für die Annahme hat, er werde nicht in der Lage sein, diese oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen für einen angemessenen Zeitraum in angemessener Menge zum genannten Preis bereitzustellen oder bereitstellen zu lassen. Das Angebot im Online-Shop sei ein solches Warenangebot.
 
Der Vorwurf nach UWG sei nicht die mangelnde Vorratshaltung durch den Shopbetreiber, sondern die mangelnde Aufklärung des Kunden über die Produktverfügbarkeit. Zwar handele es sich um eine Regelung, die ursprünglich für den stationären Handel und die klassische Prospekt- oder Katalogwerbung konzipiert worden sei, sie gelte aber gleichfalls für Angebote im Internet.

Der Shopbetreiber versuchte noch das OLG mit einer Entscheidung des BGH umzustimmen, in der der BGH entschieden hatte, dass die Irreführungsverbote des UWG für die Internetwerbung "in modifizierter Weise" gälten. Daraus ergebe sich, dass die Vorschrift nicht auf Internetangebote anwendbar sei. Dem trat das OLG entgegen und erklärte, dass gerade die ständige Aktualisierbarkeit von Angeboten im Internet besonders hohe Erwartungen der Verbraucher an die inhaltliche Richtigkeit von Internetangeboten im Hinblick auf die Warenverfügbarkeit begründen würde.

Der Shopbetreiber führte noch an, dass die Vorschrift deshalb nicht auf Internetangebote anwendbar sei, da es nicht die gleiche Hemmschwelle wie im stationären Handel gebe, ein Ladenlokal zu betreten und wieder zu verlassen, ohne etwas zu kaufen. Im Internethandel könne der Kunde einfach aufhören zu surfen. Auch dieser Argumentation folgte das OLG nicht. Internetkäufer seien gerade im besonderen Maße dazu geneigt, zum Beispiel auf den Vorschlag einer ersatzweisen Lieferung einzugehen, um eine aus Sicht der Verbraucher oftmals mühevolle Auseinandersetzung mit dem Internetversandhändler über die Rückzahlung des vorab gezahlten Geldbetrags zu vermeiden.

Gerade wegen der ständigen Aktualisierbarkeit sei es unzulässig, ein Angebot für eine nicht mehr lieferbare Ware im Internet zu belassen. Der Hinweis "Nur noch wenige Exemplare auf Lager" genüge zur Aufklärung des Kunden über das Fehlen eines entsprechenden Warenvorrates nicht. Der Verkehr verstehe diesen Hinweis im Gegenteil gerade dahingehend, dass der Anbieter tatsächlich noch über entsprechende Ware verfüge.

Das Anbieten eines Ersatzmodells könne zwar zur Entlastung des Online-Shopbetreibers beitragen, jedoch nur dann, wenn es sofort hätte geliefert werden können, was nicht der Fall gewesen sei. Der Shopbetreiber habe daher wettbewerbswidrig gehandelt.

Unser Tipp

Das OLG Hamm hat nochmals den Grundsatz bestätigt: "Was offline gilt, gilt auch online". Was im stationären Handel verboten ist, ist auch im Online-Shop nicht erlaubt. Ganz im Gegenteil treffen den Online-Shopbetreiber oft weitaus strengere Pflichten. An die Aufklärungspflicht des Shopbetreibers stellen die Gerichte hohe Anforderungen. Das beliebte "Nur solange der Vorrat reicht" kann eine Irreführung nicht ausschließen.

Rebekka Stumpfrock
Kleiner Rechtsanwälte

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