
Vorsicht bei der Versteigerung von Markenartikel-Replikas auf eBay Niedriger Startpreis deutet nicht auf Fälschung hin
Die Versteigerung von Markenartikel-Replikas auf der Internetplattform eBay ist gerade für Privatpersonen ein beliebtes Instrument, Überflüssiges loszuwerden. Hier ist aber äußerste Vorsicht geboten. Geht aus dem Angebot nicht deutlich hervor, dass es sich nicht um ein Original, sondern um eine billige Nachahmung handelt, läuft der Anbieter Gefahr, auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.
Dies hat nun der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 28.03.2012 - VIII ZR 244/10 - entschieden, wie der Pressemitteilung 40/2012 des Bundesgerichtshofs entnommen werden kann. Was war geschehen?
Die Beklagte bot auf der Internetplattform eBay im Rahmen einer Auktion unter Hinzufügung eines Fotos ein Handy zum Verkauf unter der Bezeichnung "Vertu Weiss Gold" ohne Festlegung eines Mindestpreises zu einem Startpreis von 1 Euro an. Zur Beschreibung heißt es in dem Angebot, dass der Zustand gebraucht sei. Außerdem teilte die Beklagte dazu Folgendes mit:
„Hallo an alle Liebhaber von Vertu,
Ihr bietet auf ein fast neues Handy (wurde nur zum ausprobieren ausgepackt). Weist aber ein paar leichte Gebrauchsspuren auf (erwähne ich ehrlichkeit halber). Hatte 2 ersteigert und mich für das gelb goldene entschieden. Gebrauchsanweisung (englisch) lege ich von dem gelb goldene bei, das andere habe ich auch nicht bekommen. Dazu bekommt ihr ein Etui, Kopfhörer und Ersatzakku. Privatverkauf, daher keine Rücknahme. Viel Spaß beim Bieten.“
Der Kläger gab ein Maximalgebot von 1.999,- Euro ab und erhielt für 782,- Euro den Zuschlag. Die Annahme des seitens der Beklagten angebotenen Handys verweigerte er mit der Begründung, dass es sich um ein Plagiat handele, was zutreffend war.
Der Kläger hat behauptet, dass ein Original des von der Beklagten angebotenen Handys 24.000 Euro koste. Die auf Zahlung von 23.218 Euro Schadensersatz (24.000 Euro abzüglich des Kaufpreises von 782 Euro) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Die dagegen gerichtete Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Berufungsurteils.
BGH: Internetauktionen sind anders
Die Beklagte hatte sich gegen die Klage unter anderem mit dem Einwand der Nichtigkeit des Kaufvertrages unter dem Gesichtspunkt eines wucherähnlichen Rechtsgeschäftes gemäß § 138 Abs. 1 BGB verteidigt. Diesen Einwand haben die Vorinstanzen durchgreifen lassen.
Der BGH hat nun entschieden, dass es zwar der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspreche, dass Rechtsgeschäfte, bei denen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe, dann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig seien, wenn weitere Umstände, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung hinzutreten.
Auf eine derartige Gesinnung könne beim Verkauf von Grundstücken und anderen hochwertigen Sachen regelmäßig geschlossen, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch sei wie der der Gegenleistung. Von einem solchen Beweisanzeichen könne aber bei einer Onlineauktion nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Denn die Situation einer Internetversteigerung unterscheide sich grundlegend von den bisher entschiedenen Fällen, in denen sich in den Vertragsverhandlungen jeweils nur die Vertragsparteien gegenüberstanden.
1 Euro Startpreis spricht nicht gegen die Echtheit
Nach Auffassung des BGH könne auch eine Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts, dass es sich bei dem angebotenen Mobiltelefon um ein Originalexemplar der Marke Vertu handele, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht verneint werden.
Die Begründung, die das Berufungsgericht insoweit gegeben habe, der zufolge gegen die Annahme einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung – Echtheit des angebotenen Mobiltelefons – vor allem der von der Beklagten gewählte Startpreis der Aktion von 1 Euro spreche, trage nicht. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass dem Startpreis angesichts der Besonderheiten einer Internetauktion im Hinblick auf den Wert des angebotenen Gegenstandes grundsätzlich kein Aussagegehalt zu entnehmen sei.
Denn der bei Internetauktionen erzielbare Preis sei von dem Startpreis völlig unabhängig, da er aus den Maximalgeboten der Interessenten gebildet werde, sodass auch Artikel mit einem sehr geringen Startpreis einen hohen Endpreis erzielen können, wenn mehrere Bieter bereit sind, entsprechende Beträge für den Artikel zu zahlen.
Aus diesen Gründen könne dem Berufungsgericht schließlich auch insoweit nicht gefolgt werden, als es den geltend gemachten Schadensersatzanspruch mit der Hilfsbegründung verneint habe, dem Kläger sei der Mangel der Unechtheit des von der Beklagten angebotenen Mobiltelefons infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, weil es erfahrungswidrig sei, dass ein Mobiltelefon mit dem von dem Kläger behaupteten Wert zu einem Startpreis von 1 Euro auf einer Internetplattform angeboten werde.
Die Sache wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann, auf deren Grundlage das Berufungsgericht in umfassender Würdigung der gesamten Umständen zu beurteilen haben wird, ob das Angebot der Beklagten aus der Sicht eines verständigen Empfängers ein Originalgerät der Marke Vertu zum Gegenstand hatte.
Unser Tipp:
Wer Replikas von Markenartikeln auf der Internetplattform eBay im Rahmen einer Auktion anbietet, muss zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen ausdrücklich klarstellen, dass es sich um eine Fälschung handelt. Damit ist jedoch nicht jedem Ärger vorgebeugt. Es besteht die Gefahr, vom Markeninhaber wegen Markenverletzung in Anspruch genommen zu werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich nicht um ein rein privates Angebot handelt. Diese Frage beurteilt sich nach der Anzahl der von dem Anbieter bei eBay abgewickelten Verkäufe.
Ihr
Stefan Michel