
Fehlerhafte Software Anforderungen an eine Mängelrüge
Es kommt nicht selten vor, dass eine Software nicht den Vorstellungen ihres Auftraggebers entspricht. Wie konkret muss in diesem Fall eine Mängelrüge sein?
Dass eine auf die individuellen Bedürfnisse des Auftraggebers entwickelte Software nicht nach den Vorstellungen des Auftraggebers funktioniert, ist eher die Regel als die Ausnahme. Treten Fehlfunktionen auf, so stellt sich die Frage, wie konkret die Mängelrüge des Auftraggebers sein muss, um seine Rechte zu wahren. Reicht es aus, die Auswirkung der Fehlfunktion - die Mangelerscheinung - zu bezeichnen oder muss der Auftraggeber/Besteller auch Ausführungen zu den Ursachen der Mangelerscheinung machen?
Mit dieser Frage hatte sich vor kurzem der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu befassen. Mit Urteil vom 05.06.2014 (VII ZR 276/13) hob er ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle mit ungewöhnlich scharfer Kritik auf und er verwies die Sache zur neuen Verhandlung zurück an das Oberlandesgericht Celle, allerdings an einen anderen Senat. Was war vorgefallen?
Die Klägerin handelt mit Möbeln und Möbelzubehör. Sie bietet ihre Waren auch über verschiedene Online-Shops an. Die Beklagte ist ein EDV-Handels- und Softwareentwicklungsunternehmen, welches sich auf den Einbau und die kundenspezifische Anpassung eines Warenwirtschaftssystems spezialisiert hat. Die Parteien einigten sich im Juni 2008 über das "Installations- & Einrichtungsvolumen 'First Step'". Damit verpflichtete sich die Beklagte, gegen Zahlung von 22.141,00 Euro netto, ihr Warenwirtschaftssystem zu installieren und einzurichten, insbesondere eine Anbindung ihrer Software an die von der Klägerin betriebenen Online-Shops herbeizuführen. Die Beklagte lieferte ihre Software am 08. August 2008 an die Klägerin aus. Diese erklärte gegenüber ihrer Leasinggesellschaft, die den Kaufpreis finanzierte, am selben Tag, dass sie - die Klägerin - die Leistungen der Beklagten "fabrikneu, vollständig, ordnungsgemäß, funktionsfähig und der Beschreibung im Vertrag gemäß, sowie … allen getroffenen Vereinbarungen entsprechend übernommen" habe.
Tatsächlich war die von der Beklagten gelieferte Software zu diesem Zeitpunkt nicht beziehungsweise nicht vollständig funktionstüchtig, was den Parteien auch bekannt war. Am 14. August 2008 übersandte die Leasinggesellschaft der Beklagten einen Scheck über die Rechnungssumme, den die Beklagte einlöste. In der Folgezeit stritten die Parteien darüber, ob die Beklagte ihren Pflichten vollständig nachgekommen war, insbesondere die Schnittstellen zu den Online-Portalen funktionierten. Mit Schreiben vom 07. August 2009 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag. Mit ihrer Klage macht sie die Rückabwicklung des Vertrages, das heißt Zahlung von 26.347,79 Euro nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe der implementierten Software geltend. Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass der Klägerin kein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages zustehe, da sie ihrer Darlegungslast hinsichtlich des Mangels nicht nachgekommen sei. Für das Vorliegen eines Mangels sei die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig, da sie die von der Beklagten erbrachten Leistungen abgenommen habe. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, die Leistung der Beklagten ordnungsgemäß zu überprüfen. Diese Pflicht habe sie verletzt, indem sie trotz der nicht vollständigen Funktionstauglichkeit der Software ihrer Leasinggesellschaft gegenüber die Ordnungsgemäßheit der Leistung mitgeteilt habe. Da die Leasinggesellschaft sich das Verhalten der Klägerin zurechnen lassen müsse, sei in der Zahlung des Preises in Verbindung mit der uneingeschränkten Übernahmebestätigung der Klägerin die Abnahmeerklärung zu sehen.
Auf dieser Grundlage habe die Klägerin im Einzelnen vortragen müssen, was zwischen den Parteien hinsichtlich der zu erbringenden Software vereinbart worden sei und welche vereinbarte Funktion nicht habe durchgeführt werden können. Änderungswünsche während des Gebrauchs der Software hätten kenntlich gemacht werden müssen. Dem sei die Klägerin nicht nachgekommen. Es fehle an der Darlegung des Vertragsinhalts, einer Abgrenzung zu Anpassungsarbeiten und zu den Auswirkungen eines Providerwechsels.
Der Bundesgerichtshof ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Das Berufungsgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Vertrag der Parteien als Werkvertrag einzuordnen sei. Gegenstand des Vertrages sei die Anpassung der Software der Beklagten an die Bedürfnisse der Klägerin und die Schaffung von Schnittstellen zu den Online-Shops gewesen. Damit habe die Beklagte die Herbeiführung des vertraglich vereinbarten Erfolgs als Ergebnis einer individuellen Tätigkeit für die Klägerin geschuldet. Das Berufungsgericht habe aber die Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels nach Abnahme der Werkleistung überspannt.
Der Besteller genüge seiner Darlegungslast, wenn er Mangelerscheinungen, die er der fehlerhaften Leistung des Unternehmers zuordne, genau bezeichne. Zu den Ursachen der Mangelerscheinung müsse der Besteller nicht vortragen. Ob die Ursachen der Mangelerscheinung tatsächlich in einer vertragswidrigen Beschaffenheit der Leistung des Unternehmers zu suchen sind, sei Gegenstand des Beweises und nicht des Sachvortrags. Diesen Anforderungen entspreche aber der Sachvortrag der Klägerin. Die Klägerin habe von Beginn des Rechtsstreits an vorgetragen, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Schnittstellen zu den Online-Portalen herzustellen und diese Schnittstellen hätten nicht funktioniert, das heißt, ein automatischer Datenaustausch habe nicht stattgefunden. Diese Probleme hätten auch nicht auf eigenmächtigen Änderungen des von der Beklagten installierten Systems durch die Klägerin beruht. Das System sei vielmehr durchgehend nicht funktionsfähig gewesen.
Wenn das Berufungsgericht auf dieser Grundlage ausführt, die Klägerin habe bereits nicht dargelegt, was Inhalt des ursprünglichen Vertrages gewesen sei, so sei das nicht nachvollziehbar. Soweit das Berufungsgericht Vermutungen darüber anstellt, ob der Vortrag der Klägerin zu Eingriffen in das installierte System zutreffend ist, vermische es in unzulässiger Weise die Darlegungs- und Beweisebene.
Bedenkliche Entscheidung
Besonders bemerkenswert sind die Hinweise, die der Bundesgerichtshof dem Oberlandesgericht Celle für die neue Verhandlung erteilt hat. Die Auffassung des Berufungsgerichts, mit der vorbehaltlosen Zahlung der Rechnung in Verbindung mit der Übernahmeerklärung habe die Klägerin beziehungsweise die Leasinggesellschaft der Klägerin das Werk der Beklagten abgenommen, sei von Rechtsfehlern beeinflusst. Abnahme im Sinne von paragraph 640 Abs. 1 Satz 1 BGB bedeute die körperliche Entgegennahme des Werks durch den Besteller verbunden mit dessen Billigung des Werks als im Wesentlichen vertragsgerecht.
Nach den bisherigen Feststellungen könne weder von einer ausdrücklichen, noch von einer konkludenten Abnahme des Werks der Beklagten ausgegangen werden. Denn zum Zeitpunkt der Übernahmeerklärung sei das Werk nicht beziehungsweise nicht vollständig funktionstüchtig gewesen, weil insbesondere Schnittstellen zu den Online-Portalen noch funktionsfähig hergestellt werden mussten. Angesichts der Bedeutung dieser Schnittstellen habe die Beklagte trotz der eindeutigen Übernahmeerklärung der Klägerin nicht davon ausgehen können, dass in dem Verhalten der Klägerin eine Billigung ihres Werks als im Wesentlichen vertragsgerecht zu sehen sei. Unter diesen Umständen habe die Übernahmeerklärung der Klägerin vielmehr allein den Zweck gehabt, die körperliche Übergabe der Software im einwandfreien Zustand zu dokumentieren.
Ich halte die Entscheidung des Bundesgerichtshofs für höchst bedenklich. Zutreffend ist allerdings die rechtliche Einordnung eines Softwareerstellungsvertrags, der Anpassungen an die Bedürfnisse des Auftraggebers vorsieht, als Werkvertrag. Dies bedeutet, dass die Vergütungsforderung des Softwarelieferanten erst mit der Abnahme fällig wird und dass der Auftraggeber, wenn er die Abnahme erklärt hat, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein von Mängeln trägt. Die Klägerin hat ausdrücklich erklärt, die von der Beklagten gelieferte Software fabrikneu, vollständig, ordnungsgemäß, funktionsfähig und der Beschreibung im Vertrag entsprechend übernommen zu haben, obwohl ihr die Probleme mit den Schnittstellen bekannt waren.
Es ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar, eine derartige Erklärung nicht als Abnahme im Rechtssinne, also als körperliche Entgegennahme des Werks verbunden mit dessen Billigung als im Wesentlichen vertragsgerecht einzustufen. Aus meiner Sicht kann eine Abnahme kaum deutlicher erklärt werden. Erfreulich ist allerdings, dass der Bundesgerichtshof eine funktionale Beschreibung der Mangelerscheinung als ausreichend für eine ordnungsgemäße Mängelrüge gelten lässt.
Unser Tipp:
Als Besteller von Software sollten Sie auf gar keinen Fall vorschnell die Übernahme der Software in ordnungsgemäßem Zustand bestätigen, insbesondere dann, wenn Ihnen bereits Fehlfunktionen bekannt sind. Fehlfunktionen müssen nur funktional im Hinblick auf ihre Auswirkung und ihr Erscheinungsbild, dagegen nicht im Hinblick auf ihre Ursachen beschrieben werden.
Stefan Michel
KLEINER Rechtsanwälte
Partnerschaftsgesellschaft Büro Stuttgart
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