Flugbuchungsportale Abmahnrisiko Unübersichtlichkeit
Rechtsanwalt Andreas Brommer
Rechtsanwalt Andreas Brommer
Manche Buchungsportale scheinen bewusst unübersichtlich gestaltet zu sein - damit Kunden ungewollt Versicherungen abschließen. Über einen solchen Fall hatte das OLG Frankfurt/Main zu entscheiden.
Andreas Brommer
Manche Flugbuchungsportale scheinen bewusst unübersichtlich gestaltet zu sein, damit ihre Kunden neben dem eigentlichen Flug ungewollt auch noch eine kostenpflichtige Reiserücktrittsversicherung erwerben. Über eine neue Spielart dieser schon seit Längerem geübten Praxis hatte kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main zu entscheiden (Urteil vom 09.10.2014, Az. 6 U 148/13).
Stein des Anstoßes war die Website von Ryanair. Bei der Buchung eines Flugtickets über diese Seite wurde die Überschrift "Kaufen Sie Ihre Reiseversicherung aus" eingeblendet. Darunter öffnete sich eine Dropdown-Liste mit der Überschrift "Wählen Sie ein Wohnsitzland", außerdem wurden die beiden Versicherungsvarianten "Reiseversicherung" und "Reiseversicherung plus" vorgestellt.
Nach Auffassung des OLG Frankfurt/Main leicht zu übersehen war der kleingedruckte und unauffällige Hinweis "Wenn Sie schon versichert sind, bitte 'Nicht versichern' in der Drop down box wählen". Tatsächlich fügte nur derjenige, der als Wohnsitzland die Option "Nicht versichern" anklickte, seiner Flugbuchung keine Reiserücktrittsversicherung hinzu. Die Auswahlmöglichkeit "Nicht versichern" war zwischen den Ländernamen "Latvia" und "Lithuania" eingeordnet.
Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.09.2008 müssen fakultative Zusatzkosten zum eigentlichen Flug "auf klare, transparente und eindeutige Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitgeteilt" werden. Weiter ist erforderlich, dass der Kunde eine Zusatzleistung mit einem "opt-in" aktiv auswählt, sie darf nicht voreingestellt sein (siehe dazu die Rechtstipps vom 24.06.2011 und vom 30.08.2012).
Wohnsitz im Land "Nicht versichern"?
Das "opt-in"-Erfordernis erfüllte die Ryanair-Website nach Auffassung des OLG Frankfurt/Main nur pro forma. Dabei orientierte sich das Gericht am Sinn und Zweck der "opt-in"-Lösung: Mit ihr soll jeder Verbraucher eine bewusste und informierte Entscheidung darüber treffen können, ob er eine kostenpflichtige Zusatzleistung hinzubuchen will oder nicht. So war es grundsätzlich auch bei der Ryanair-Website, bei der die Buchung ohne die Auswahl eines Wohnsitzlandes nicht fortgesetzt werden konnte.
Doch das "opt-in", so die Frankfurter Richter weiter, soll gerade auch den Verbraucher schützen, der sich nicht die Zeit nimmt, die Buchungsseite sorgfältig und in allen Einzelheiten zu betrachten. Deshalb muss der Verbraucher ohne Weiteres erkennen können, welche Entscheidungsalternativen ihm zur Auswahl stehen. Das traf auf die Buchungsseite von Ryanair nicht zu. Die Möglichkeit, einen Flug auch ohne kostenpflichtige Rücktrittsversicherung zu buchen, war hier kaum zu finden. Welcher Kunde hat seinen Wohnsitz schon im Land "Nicht versichern"?
Unser Tipp:
Die Spezialnorm des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 gebietet allein die Transparenz von Flugpreisen und Luftfrachtraten. Wer andere Waren oder Dienstleistungen über seine Website anbietet, darf das Urteil des OLG Frankfurt/Main deshalb aber nicht ignorieren. Klare und verständliche Informationen verlangt Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB nämlich von jedem Unternehmer, der über seine Website Fernabsatzverträge über beliebige Waren und Dienstleistungen mit Verbrauchern schließt. Versucht ein Unternehmer, wichtige Informationen zu verstecken, riskiert er nicht nur einen Vertrauensverlust bei seinen Kunden, sondern außerdem wettbewerbsrechtliche Abmahnungen.
Andreas Brommer
KLEINER Rechtsanwälte in Stuttgart
Partnerschaftsgesellschaft mbB
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