
Gastkommentar Transparenzstandards für Vergleichsportale: Übers Ziel hinausgeschossen
Klaus Hufnagel, Geschäftsführer Verivox
Klaus Hufnagel, Geschäftsführer Verivox
Der geplante Koalitionsvertrag wurde von der Digitalwirtschaft nicht einhellig begrüßt. Klaus Hufnagel, Geschäftsführer Verivox, fühlt sich dazu als Vertreter deutscher Vergleichsportale diskriminiert. Im Kommentar erklärt er, warum.
Von Klaus Hufnagel, Geschäftsführer Verivox
Am 7. Februar war es geschafft. Nach zähem Ringen hatten sich CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Ein Vertrag, der in der Digitalwirtschaft nicht einhellig begrüßt wurde. Vor allem die Ausführungen zur Datenpolitik stießen auf Kritik. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen zur geplanten ePrivacy-Verordnung der EU mahnte BVDW-Präsident Matthias Wahl zu Recht: "Es wird dringend Zeit, dass unsere Entscheider den Wert einer zukunftsgewandten Datenpolitik für unser Land erkennen."
Gerade jetzt gilt es, die richtigen Weichen zu stellen. Dazu brauchen wir auch eine zukunftsgewandte digitale Wirtschaftspolitik. Allerdings findet sich - von der Öffentlichkeit bisher unbeachtet - folgender Passus in dem Vertragswerk:
"Auf Vermittlungs-, Buchungs- und Vergleichsplattformen wollen wir die Transparenz hinsichtlich ihrer Bewertungssysteme, der Gewichtung ihrer Ergebnisse, der Provisionen und Marktabdeckung sowie der Zusammenhänge zwischen Portalen und wirtschaftliche Verflechtungen erhöhen. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen besser vor gefälschten Bewertungen, Datenmissbrauch und elementaren Risiken abgesichert werden."
Diskriminierung in zweifacher Hinsicht
Für die deutschen Vergleichsportale bedeutet dies eine Diskriminierung in zweifacher Hinsicht: gegenüber den Offline-Märkten und gegenüber den internationalen Digital Giants. Ob Versicherungsmakler, Reisebüro oder Elektronikfachgeschäft - keiner dieser Vertreter aus der analogen Welt ist gesetzlich verpflichtet, seine Vermittlungsgebühren oder Provisionen offenzulegen. Darüber hinaus würde eine derartige Verpflichtung schwerwiegende Benachteiligungen der deutschen Unternehmen gegenüber dem internationalen Wettbewerb bedeuten, der sich - wie beim Datenschutz - der Regulierung durch die deutschen Aufsichtsbehörden erwartungsgemäß gewohnt unbeeindruckt entziehen würde.
Nach 20 Jahren haben sich Vergleichsportale als relevantes Segment der deutschen Digitalwirtschaft etabliert - ein Segment, das jährlich laut Wik Consult 2017 einen Umsatz von 3,4 Milliarden Euro erwirtschaftet und damit 6.500 Arbeitsplätze schafft. Sie haben die Liberalisierung ganzer Marktsegmente wie etwa bei Energie oder Telekommunikation massiv vorangetrieben, wovon die Verbraucher durch neue Preismodelle und eine ungleich höhere Tariftransparenz spürbar profitiert haben. Eine Offenlegung der Provisionsmodelle kann über die dann drohende Monopolisierung der Märkte diese Effekte ins Gegenteil verkehren. Und das ginge klar zu Ungunsten der Verbraucher.
Unverhältnismäßige Transparenzstandards
Verloren ginge auch der Innovationsschub durch die Vergleichsportale. Sie bilden eine wichtige Enabler-Plattform, auf der sich neue digitale Angebote und Dienstleistungen - beispielsweise aus dem Fintech- und Versicherungsbereich - austesten können. Ein Sprungbrett für lokale Start-ups, ihre Geschäftsideen bei überschaubaren Risiken einem realen Markttest zu unterziehen und über das direkte Verbraucher-Feedback zur Marktreife zu optimieren.
Die Koalitionäre in spe erklären: "Wir wollen den Verbraucherschutz auch in der digitalen Welt sicherstellen." Das ist richtig und begrüßenswert und sollte eigentlich selbstverständlich sein, denn von einem seriösen Geschäftsgebaren profitieren nicht zuletzt die Anbieter selbst. Schwarze Schafe beschädigen erfahrungsgemäß immer die gesamte Branche.
Selbstverständlich sollte aber auch sein, dass die Diskriminierungsverbote der analogen Welt auch in der digitalen Welt der Algorithmen gelten müssen. Schließlich findet sich in dem Vertragswerk auch die Absichtserklärung für eine "erfolgreiche Wirtschaft für den Wohlstand von morgen". In diesem Sinne wäre die geplante Überregulierung mit unverhältnismäßigen Transparenzstandards für Vergleichsportale alles andere als die richtige Weichenstellung.
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