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Interview "New Normal" Peter Henssen: "Wachstum darf nicht die oberste Maxime sein"

Peter Henssen, Geschäftsführer Pacemaker Digital Ventures

Pacemaker Digital Ventures

Peter Henssen, Geschäftsführer Pacemaker Digital Ventures

Pacemaker Digital Ventures

Wie plant man ein unplanbares Jahr 2021? Peter Henssen, Geschäftsführer des Company Builders Pacemaker Digital Ventures, empfiehlt: Unternehmen sollten nicht auf Wachstum um jeden Preis, sondern auf gesundes, nachhaltiges Wachstum setzen.

Wie würden Sie aus Ihrer Sicht die Lage beschreiben, in der Handel und Industrie in das Jahr 2021 starten?

Peter Henssen:
Covid-19 hat dem stationären Handel enorm zugesetzt und diese Situation wird im ersten Quartal 2021 sicherlich noch nicht besser werden. Die Kassen sind leer und die auslaufenden Lockerungen beim Insolvenzrecht werden zu vielen Pleiten führen, auch in der Industrie. Vor allem die Innenstädte werden anders aussehen als vor der Krise, soviel ist sicher. Zudem wird die gesunkene Nachfrage aus dem Ausland zu einem weiteren Rückgang von Exporten führen. Auch neue Vertriebswege können im Pandemie-Jahr schwerlich aufgetan werden, da Direktvertrieb und Messebesuche entfallen - das wird man auch 2021 noch spüren. Fraglich ist nun, wie schnell die Nachfrage im kommenden Jahr wieder anziehen wird. Ich denke jedoch, dass der Handel unter dem Strich in 2021 wachsen wird. Denn es gibt neben den gut aufgestellten Unternehmen im Online- und Versandhandel durchaus auch Profiteure der Corona-Pandemie, wie etwa Baumärkte oder Unternehmen rund um Home & Living. Covid-19 hat ja quasi einen unfreiwilligen Cocooning-Boom ausgelöst.

Was sind die größten Unsicherheiten und Herausforderungen aus der Perspektive von Handel und Herstellern?

Henssen:
Die Konsumenten haben ihre Gewohnheiten nach so vielen Monaten Krise nachhaltig verändert, der Handel muss dies jetzt antizipieren und verstärkt auf digitale Geschäftsmodelle und E-Commerce setzen. Durch Covid-19 wurde der notwendige Strukturwandel im Schnelldurchlauf vollzogen. Dies bringt natürlich gleichzeitig viel Unsicherheit mit sich und die Herausforderung, sich damit zu beschäftigen und die notwendigen Schritte einzuleiten. Hersteller werden Anfang 2021 viel Zeit damit verbringen ihre Lieferketten zu "flicken". Viele Unternehmen mussten in der Pandemie ihre Beschaffungsstrategie vollständig überdenken, nachdem ihnen im Lockdown die etablierten Lieferketten weggebrochen sind. Die Tendenz im Beschaffungsmarkt geht daher verstärkt in Richtung lokale und nationale Lieferketten mit kürzeren Lieferwegen. Diese Entwicklung wird sich sicherlich auch in den nächsten Jahren auf die Sourcing-Strategie von Unternehmen auswirken - was nun natürlich erstmal eine große Herausforderung für die Unternehmen sein wird. Gleichzeitig hat die Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen auf Konsumentenseite durch die Pandemie signifikant dazu gewonnen, sodass Hersteller auf diese Veränderung reagieren müssen.

Was würden Sie Unternehmen in Bezug auf Ziele und Strategie empfehlen?

Henssen:
 Unternehmensstrategie galt bisher als möglichst genaue Vorausplanung für die Zukunft, ab 2021 wird die strategische Planung in diesen von hoher Komplexität, Dynamik und Unsicherheit geprägten Zeiten eine völlig neuartige Funktion übernehmen müssen. Strategie muss zukünftig als das systematische Aufstellen von plausiblen Hypothesen über verschiedenste zukünftige Entwicklungen verstanden werden, zu denen man jeweils Handlungsprogramme entwirft und entsprechend schnell und gezielt handelt. Dabei geht es jedoch nicht darum die strategische Ausrichtung andauernd zu ändern und permanent situativ zu handeln, sondern um die kontinuierliche Überprüfung und Justierung der richtigen und anfänglich definierten strategischen Ausrichtung. Die Lean Startup Methode ist somit auch in der Strategieplanung angekommen.

Und wie sieht es mit der Budgetplanung und dem Controlling aus?

Henssen: 
Es werden in 2021 sicherlich alle Maßnahmen mit dem Fokus Digitalisierung priorisiert behandelt - das sollte bei den Unternehmen inzwischen angekommen sein. Wer die digitale Transformation bisher noch nicht auf der Agenda hatte oder stiefmütterlich behandelte - der wird dies spätestens jetzt tun müssen. Budgets in diesem Zusammenhang sollten auch nicht gestrichen werden, um ggf. Ausfälle durch Corona zu kompensieren, sondern ganz im Gegenteil: Es muss nun in Digitalisierung, E-Commerce, Innovation und in den Aufbau von neuen, zukunftsgerichteten Geschäftsmodellen investiert werden. Was das Controlling angeht, wird Covid-19 sicherlich viele Abläufe grundlegend verändern. Die Planung wird zukünftig sicherlich schwieriger und aufwendiger. Statt länger im Voraus werden Unternehmen eher einen rollierenden Forecast machen, bei dem das Controlling immer periodenweise Planungen anpasst. Damit können Unternehmen deutlich schneller auf Marktveränderungen reagieren als mit einer statischen Planung, allerdings ist der Aufwand natürlich deutlich höher. Gleichzeitig werden unterschiedliche Szenarien-Planungen in das Controlling einfließen, in der unterschiedliche Risikofaktoren berücksichtigt werden. Und nicht zuletzt wird eine Kennzahl wieder priorisiert behandelt und über einem ROI stehen: der Cashflow.

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