
Stille Nacht, eilige Nacht Online-Handel: Die Vorbereitungen für Weihnachten beginnen
Wer im Weihnachtsgeschäft punkten will, startet am besten früh mit den Vorbereitungen. Denn bald kommen die ersten Geschenkbestellungen und bis dahin gibt es viel zu tun.
Geht es um das Jahresendgeschäft, klingt Andreas Müller wie ein Fußballtrainer: "Nach dem Weihnachtsgeschäft ist vor dem Weihnachtsgeschäft", erklärt der Geschäftsführer des Elektronikversenders Deltatecc. "Gleich nach Jahresanfang, wenn man operativ nicht mehr am Limit ist, geht es daran, das vergangene Weihnachtsgeschäft aufzuarbeiten. Schon im Februar setzen wir uns auf die Liste, was es für das nächste Weihnachtsgeschäft zu tun gibt."
Damit ist der mittelständische Elektronikversender Deltatecc bei Weitem kein Ausnahmefall. Auch MyToys-Chef Oliver Lederle betongt die Wichtigkeit der Vorbereitung auf die Einkäufe fürs Fest: "An unserem Gesamtumsatz macht das kaufstarke Weihnachtsgeschäft einen wesentlichen Teil aus - mehr als 25 Prozent entfallen bei uns auf das Weihnachtsgeschäft."
Die Wichtigkeit des Jahresendgeschäfts bekräftigt auch Frank Surholt, Pressesprecher beim Versandhaus Otto: "Für unseren Jahresumsatz spielt das Weihnachtsgeschäft eine große Rolle. Der Anteil liegt je nach Kategorie zwischen zehn und 50 Prozent."
Black Friday nimmt das Weihnachtsgeschäft vorweg
Wie Surholt erzählt, gebe es aber auch Kategorien, in denen eine derartig lange Vorlaufzeit nicht nötig oder auch gar kontraproduktiv sei. "Im Technikbereich mit seinen schnellen Zyklen muss man beispielsweise flexibler sein." Doch auch hier gilt es, die ruhigeren Phasen in der Mitte des Jahres zur Planung für den großen Ansturm zu nutzen: "Durch die hohe Frequenz der Aktionen im vierten Quartal ist es ratsam, sich genügend Zeit für die Vorbereitung zu nehmen", erklärt Martin Schwager, Chief Operating Officer beim umsatzstärksten deutschen Elektronik-Online-Händler Notebooksbilliger.de.
Der Verantwortliche für das operative Geschäft des Elektronikversenders berichtet, dass das auch am immer früheren Beginn des Weihnachtsgeschäfts liege. "Gerade das Black Weekend gewinnt in Deutschland immer mehr an Bedeutung. Häufig beginnt dann schon der Weihnachtseinkauf", so Schwager.
Das bestätigt auch Deltatecc-Chef Müller. "In den letzten zwei Jahren hat es durch die Black Week eine Vorverlagerung des Weihnachtsgeschäfts gegeben. Das war vorher deutlich anders." Von Händler zu Händler gibt es aber auch eine recht große Spannweite, wann die heiße Phase für die Weihnachtseinkäufe beginnt.
So berichtet Otto-Sprecher Surholt, dass für den Versandhandelsriesen das eigentliche Weihnachtsgeschäft von Oktober bis Dezember stattfinde. "Es gibt jedoch einen Trend, dass der Anfang immer weiter nach vorne rückt und inzwischen zum Teil schon im September liegt." Mytoys-Geschäftsführer Lederle hat demgegenüber eine etwas andere Erfahrung gemacht: "Seit ein paar Jahren lässt sich beobachten, dass unsere Kunden ihre Weihnachtseinkäufe immer später erledigen."
Das werde begünstigt durch immer schnellere Lieferzeiten und die im November und Dezember stattfindenden Aktionstage. Lederle spricht hier von der aus den USA stammenden und inzwischen auch bei deutschen Konsumenten gut etablierten Shopping-Hochphase rund um Black Friday und Cyber Monday. "Unsere langjährige große Verbraucherstudie 'Interaktiver Handel in Deutschland' zeigt, dass im vierten Quartal 2018 online Waren für 19,7 Milliarden Euro gekauft wurden. 2015, vor Etablierung der 'Cyber-Verkaufstage', waren das noch fünf Milliarden Euro weniger", berichtet Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH), und unterstreicht damit ebenfalls die Bedeutung der Aktionstage.
Logistik-Kapazitäten spielen eine große Rolle

Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer BEVH
BEVH
Um sich auf die Umsatzschlacht am Ende des Jahres vorzubereiten, müssen sich Online-Händler mit sämtlichen Bereichen ihres Geschäfts auseinandersetzen. Eine herausgehobene Rolle kam dabei in den letzten Jahren vermehrt dem Thema Logistik zu. Das im Zuge des Online Booms steil zunehmende Paketaufkommen bringt die Logistikdienste während der Spitzen im Weihnachtsgeschäft an ihre Belastungsgrenzen.
Wie groß der daraus resultierende Leidensdruck ist, variiert von Händler zu Händler erheblich, und vor allem die Größe des Anbieters spielt dabei eine wichtige Rolle. So begegnet der Milliardenkonzern Otto dem Thema Logistik mit einem gelassenen Achselzucken - schließlich ist der zweitgrößte deutsche Versanddienstleister Hermes eine Tochter des Unternehmens. Auch der zur Otto-Gruppe gehörende Spezialversender Mytoys nimmt das Thema eher sportlich: "Wir stellen uns den logistischen Herausforderungen, um dem immer größer werdenden Bestellvolumen gerecht zu werden, weshalb wir in den Ausbau unserer Lagertechnologie und -kapazitäten investieren", erklärt Geschäftsführer Oliver Lederle.
Ein bekanntes Problem
Deutlich weniger entspannt sieht das Thema der Mittelständler Deltatecc. "Die Logistik-Carrier stellen für uns im Weihnachtsgeschäft ein bekanntes Problem dar", berichtet Firmenchef Müller. Um sicherzustellen, dass die bei Deltatecc bestellten Weihnachtsgeschenke wie gewünscht auf die Reise Richtung Kunde gehen, will sich das Unternehmen nicht mehr ausschließlich auf DHL verlassen und hat für das diesjährige Jahresendgeschäft auch DPD als zweiten Carrier angeschlossen.
"Ein weiteres Problem ist, dass man als mittelständischer Online-Händler merkt, dass man bei den Logistikern in der Kette nicht ganz vorne dabei ist", erzählt Müller. "Gerade zum Ende des Weihnachtsgeschäfts hin ist das ärgerlich, wenn eine Lieferung später als versprochen beim Kunden eintrifft. Und am Ende gewinnt Amazon deshalb bei den Kunden an Vertrauen dazu." Müller wirft die Frage in den Raum, ob es sich bei der mangelnden logistischen Netzneutralität nicht um einen Sachverhalt handelt, der eigentlich regulatorisch gelöst werden sollte.
Darauf, dass es beim Thema Logistik nicht nur darum geht, Ware zum Kunden zu bringen, weist Notebooksbilliger.de-COO Schwager hin. "Rund um Weihnachten sind wir im engen Austausch mit unseren Logistikdienstleistern, um unseren Kunden eine schnelle und pünktliche Lieferung zum Fest zu gewährleisten. Jedoch sind auch wir dem Risiko von zeitlichen Verzügen durch unsere Lieferanten ausgesetzt. Leider oft zulasten des Endkunden."
Die Logistikengpässe im Weihnachtsgeschäft klingen eigentlich nach einem Thema für den Versandhandelsverband BEVH. Doch Verbandschef Wenk-Fischer vertritt eine eher gelassene Sichtweise: "Wir gehen davon aus, dass sich die Logistikdienstleister, mit denen wir ja im engen Austausch stehen, wieder sorgfältig auf die Wochen vor Weihnachten vorbereiten - so wie es unsere Branche natürlich auch tut. Logistik ist planbar und für die stationäre wie auch die Online-Versorgung unabdingbar."
Gerade für die Versandhandelsbranche sei der Zusteller auch die "Visitenkarte". Deshalb werde es in Hinblick auf die Infrastruktur der "Letzten Meile" immer wichtiger, dass koordinierend und kooperierend sowie unternehmensübergreifend zusammengearbeitet wird. "Wenn dann noch besondere Wetterkapriolen ausbleiben, gehen wir davon aus, dass der Weihnachtsmann auch dieses Jahr wieder pünktlich zum Fest kommt", so Wenk-Fischer. Außerdem wirkten sich auch die Aktionstage der Black Week entlastend aus: "Wir finden die Idee dieser Aktionstage auch deshalb gut, da sie für eine Entzerrung in der Logistik sorgen. Die Kollegen der KEP-Branche können sich dann sozusagen schon 'warmlaufen'."
Eine Herausforderung für das Marketing
Nicht nur bei den Logistikpartnern, auch bei den Händlern müssen alle Prozesse wie am Schnürchen laufen, damit im Weihnachtsstress nichts schiefgeht. "Wir stocken unser Personal deshalb regelmäßig zum Weihnachtsgeschäft auf und versuchen inzwischen, das möglichst frühzeitig zu regeln", berichtet Deltatecc-Geschäftsführer Müller. Das Unternehmen hat mit seinen Mitarbeitern Zeitkonten vereinbart, die es ermöglichen, im Weihnachtsgeschäft flexibel zu agieren. "Im Sommer arbeiten viele kürzer, im Winter dann entsprechend mehr", erklärt Müller.

"Im Weihnachtsgeschäft ist es wichtig, die Customer Experience im Blick zu behalten": Oliver Lederle, Geschäftsführer Mytoys
Mytoys
Zu den kritischen Stellschrauben im Weihnachtsgeschäft gehören jedoch nicht nur die durch offensichtliche Belastungsspitzen herausgeforderten Logistik- und IT-Prozesse. Auch das Marketing muss passgenau auf die weihnachtliche Einkaufslaune der Konsumenten ausgerichtet werden. "Marketing und Werbung zählen zu den Bereichen, die mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft am schwersten zu kalkulieren sind", erklärt Frank Surholt. "Unser Jahres-Spot soll immer den Zeitgeist zu Weihnachten treffen. Das ist auch deshalb eine Kunst, weil der Spot im Spätsommer produziert wird, wenn noch keine weihnachtlichen Gefühle da sind." Für einen Händler mit einer Größenordnung wie Otto liege die Messlatte zudem besonders hoch: "So ein Spot darf auch durch aktuelle Ereignisse nicht kaputtgehen und muss zur Befindlichkeit der Deutschen passen", so Unternehmenssprecher Surholt.
Damit die Kunden im Weihnachtsgeschäft nach Lust und Laune ihre Konsumbedürfnissen nachgehen können, ist das Funktionieren der Prozesse im Shop das A und O. "Gerade in der oftmals stressigen Vorweihnachtszeit sind Kunden schnell verloren, wenn das Online Shoppen durch lange Ladezeiten, komplizierte Produktsuchen oder andere Störungen des Einkaufserlebnisses beeinträchtigt wird. Deshalb ist es wichtig, die Customer Experience im Blick zu behalten", erklärt dazu Mytoys-Geschäftsführer Lederle.
Online-Marktplätze als Chance für KMU
Was schließlich beim Herausputzen der Online Shops oft in den Hintergrund gerät: Das Weihnachtsgeschäft findet für viele Händler nicht nur auf der eigenen Webseite, sondern auch auf Online-Marktplätzen statt. "Es ist schwierig, als Mittelständler im Weihnachtsgeschäft gegen Amazon eigene Akzente zu setzen. Auch führt die Cyber Week bei vielen Konsumenten zu einer regelrechten Überforderung. Deshalb ist es gut, die Effekte eines Online-Marktplatzes zu nutzen", erklärt Deltatecc-Chef Müller, der im Elektronikbereich einer der erfahrensten und umsatzstärksten eBay-Händler ist.
Dass Online-Marktplätze im Weihnachtsgeschäft eine wichtige Rolle spielen, erkennt auch BEVH-Geschäftsführer Wenk-Fischer an: "Sie bieten eine wichtige Infrastruktur, die es niedrigschwellig ermöglicht, in den Online-Handel einzusteigen." Die Plattformen könnten eine Konkurrenz, aber auch eine Chance darstellen: "Wichtig ist, dass jeder sich nicht nur im Wettbewerb mit den großen Markplatzbetreibern sieht, sondern dass er sich auf seine Stärken konzentriert und mit ihnen oder trotz ihnen seine Positionierung findet."