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Hundefutter

Heimtierbedarf im Web Warum der Online-Handel mit Tierbedarf nicht in Fahrt kommt

shutterstock.com/Matthew Benoit
shutterstock.com/Matthew Benoit

Der Online-Handel mit Tierbedarf kommt nicht so recht in Fahrt. Ein Anstoß könnte jetzt durch Amazon kommen, ein anderer durch die Online-Anbieter von neuem Futter.

Mit dem Tierfutter ist es im E-Commerce wie mit den Lebensmitteln: Der Online-Handel will bei allen Bemühungen nicht so recht in Fahrt kommen. Von den geschätzt neun Milliarden Euro, die Halter pro Jahr für Heimtierbedarf und Futter in Deutschland ausgeben, werden erst rund 500 Millionen Euro online erwirtschaftet - gerade mal knapp sechs Prozent.

Kaufgewohnheiten und die Macht der Filialketten

"Menschen hängen an ihren Kaufgewohnheiten und brauchen oft mehr als einen Anstoß, um sie zu ändern", sagt Andreas Grandinger, Vorstand von Zooplus. "Tierfutter wird oft im Lebensmittelhandel und in Droge­rien eingekauft." In Deutschland sind die Filialnetze so eng geknüpft, dass der Einkauf im Internet für die menschliche wie für die tierische Ernährung wenig ­Erleichterung bringt - selbst wenn Kunden Tierfutter gleich säckeweise oder dutzendfach in Dosen kaufen.

Das aber könnte sich jetzt ändern. Amazon will mit eigenen Angeboten die Macht von Supermarkt- und Drogerieketten brechen. Die Futterhändler im Internet wittern Morgenluft: "Amazon Fresh", hofft beispielsweise Grandinger, "wird dazu führen, dass mehr Kunden die Vorteile des Online Shoppings erkennen."

Noch ein Markttrend spielt den Online-Anbietern von Heimtierbedarf in die ­Hände: die Vermenschlichung der Tiere. Halter betrachten ihre tierischen Mitbewohner als Freunde, als Familienmitglieder, machen ihnen Geschenke und suchen auch für sie möglichste gesunde, nachhaltige, oft sogar vegane Nahrung. Auch das lässt Online-Kassen klingeln.

BARF, kurz für biologisch, artgerechtes Rohfutter oder für Bones and Raw Food, heißt ein Trend beim Futter, den Anbieter befriedigen, die bevorzugt auf Online-Vertrieb setzen. Marken wie ­Zwergnase, Terra Canis, Gringo-Tierkost oder Wildes Land wurden zuerst online verkauft: "Durch unsere digitale DNA, durch Kundenfragen und Nutzer­daten erkennen wir schnell Bedürfnisse und Trends in unserem Markt", erklärt Marco Hierling, Geschäftsführer von Alpha Pet, dem Anbieter von Marken wie Wildes Land oder Wildcraft. "Wir haben diese Marken exklusiv über unsere Online Shops verkauft, wurden aber bald vom Fachhandel angesprochen, weil Kunden zunehmend dort danach suchten."

Die Entwicklung von Alpha Pet ist ­typisch für den stark fragmentierten Markt, in dem reine E-Commerce-Start-ups wenig Chancen hatten: Alpha Pet entstand 2016 nach dem Zusammenschluss der Online Shops Pets Premium und ­E-Pets-World, dem Betreiber von Katzen- und Hundeland sowie Leinentausch. ­Beide Unternehmen wurden um 2009 gegründet - zehn Jahre nach dem Start von Zooplus. Der Online-Pionier setzte damals schon mehr als 100 Millionen Euro im Jahr um und zeigte damit Chancen auf, die andere Gründer und Investoren wie ­Rocket Internet oder Pro7 Sat1 anlockten.

Erfolg baut auf Produkte, Prozesse und Positionierung

Doch bis zu 30 Euro Investition pro Neukunde bei Bestellungen für im Schnitt 50 bis 60 Euro überfordern das Budget selbst gut finanzierter Unternehmen. Der Katzenjammer folgte. Ob Canimix, Zoo24, Futtercoach, Hundewunder, Petobel, ob auf ein Tier spezialisiert oder generalistisch aufgestellt: Von dem guten Dutzend Shops für Tierbedarf hat sich nur eine Handvoll im Schatten von Online-Marktführer Zooplus (Jahresumsatz 2016: 908 Millionen Euro), Amazon und der stationären Konkurrenz behauptet. "Vor 2015 konntest du als kleiner oder mittelgroßer Player mit guten Prozessen und den richtigen Produkten erfolgreich sein", begründet Hierling die Fusion von Pets Premium und E-Pets-World. "Heute gewinnen ­Größe und Positionierung an Bedeutung."

Der Online-Markt war so in Bewegung, dass sich Marktführer Fressnapf einen Fehlstart im Internet leisten und 2011 erneut anlaufen konnte. Trotzdem erzielt die Franchise-Kette heute erst 59 Millionen oder drei Prozent ihrer 1,8 Milliarden Euro Umsatz online. Sie hält an ihrer Flächenexpansion fest und will das Netz aus 1.378 Filialen in Europa um weitere 800 ergänzen. Sicher ist aber: Die angestrebte Marktführerschaft im Internet wird nicht nur durch die Verzahnung von Online und Offline zu schaffen sein.

Shops, die sich durchgesetzt haben, ernten jetzt: "Der Markt mit Futter und ­Accessoires wächst online sehr stark, jedes Jahr wird deutlich mehr umgeschichtet und kaufen mehr Tierhalter online", beobachtet Zooplus-Vorstand Grandinger. Zooplus steigert ­seine Erlöse mit Raten um 20 Prozent und will 2017 die Milliardenmarke reißen. Zweistelligen Zuwachs melden auch andere Tier- und Futterhändler.

"Nach unserer Einschätzung brauchen Online-Fachhändler aber eine weitere Differenzierung von Amazon oder Zooplus", ­erklärt Hierling. Alpha Pet will sich daher nicht mehr nur als Fachhändler, sondern viel mehr als Trendsetter im Markt etablieren. Mit den Erkenntnissen aus den Kundendaten sollen mehr Marken entwickelt werden. "Im BARF-Bereich liegen noch viele Chancen, hier haben sich in den letzten Jahren einige Unternehmen mit guten Produkten profiliert", so Hierling. "Nur ein gutes Produkt reicht aber nicht aus für eine Marke, sie muss ausreichend ausdifferenziert sein und auf Vertriebspartner treffen, um bekannt zu werden."

Mit Wildes Land scheint das den Münchnern gelungen zu sein. Immerhin 500 Fachhändler verkaufen Futtersorten wie Wild mit Kürbis, Preiselbeeren und Kräutern oder Ente mit Biokartoffeln, die deutlich teurer als andere Marken sind.

Alpha Pet öffnen sich so weitere Vertriebswege. Die suchen auch andere Tier-Spezialisten, die eigenes Futter produzieren lassen. Doch wie schon im Handel liegen auch in dieser Nische Chancen und Fehlschläge nahe beieinander: 13 Jahre nach Einführung der Marke hat sich ­Nestlé im Frühjahr die Biofutter-Marke Terra Canis gesichert. Das schmeckte zwar nicht allen Hundehaltern, aber mit der Macht des Lebensmittelmultis im Rücken soll Terra Canis international wachsen. Anders indes Pets Deli: Dieses mit Millionen finanzierte Start-up setzte ebenfalls auf Biofutter, gewann die DM- und Edeka-Märkte als Handelspartner - und schlitterte in die Insolvenz, weil die Prozesse nicht stimmten, die Expansion schlecht organisiert war und Investoren den Gründer unzureichend durchleuchtet hatten.

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