
Fusion der Elektronikversender Notebooksbilliger.de und Medimax: Ran an den stationären Handel
Notebooksbilliger.de fusioniert mit der Elektronikkette Medimax. Damit entscheidet sich der Online-Vorreiter für den stationären Handel als Wachstumsstrategie.
Gut zehn Jahre ist es her, dass zwei Start-ups im deutschen Elektronikhandel für Aufsehen sorgten: Quartal für Quartal versuchten Notebooksbilliger.de und Home of Hardware sich mit immer höheren Wachstumsraten gegenseitig zu übertrumpfen. Die Umsatzzahlen bewegten sich zwar gerade erst an der 100-Millionen-Euro-Grenze, doch den Start-ups fehlte es nicht an Ambitionen und es begann sich abzuzeichnen, dass der E-Commerce die Elektronikbranche tiefgreifend verändern würde. Je mehr sich die Online-Händler der Umsatzmarke von 500 Millionen Euro näherten, umso schwerer wurde es, die hohe Dynamik der Anfangszeit aufrechtzuerhalten. Home-of-Hardware-Gründer Martin Wild entschied sich daraufhin für den Verkauf seines Unternehmens und fungiert heute als Chief Innovation Officer von Media Markt Saturn. Notebooksbilliger.de-Chef Arnd von Wedemeyer richtete sein Unternehmen auf Profitabilität aus und nahm die Verbundgruppe Electronic Partner (EP) als Minderheitsgesellschafter an Bord. Mit jährlichen Wachstumsraten rund um zehn Prozent näherte sich Notebooksbilliger.de seitdem stetig der Umsatzmilliarde.
Ende September sorgte nun die Bekanntgabe der geplanten Fusion von Notebooksbilliger.de und der EP-Tochter Medimax für Aufsehen. Das Joint Venture aus dem größten deutschen Elektronikversender und der Fachmarktkette mit bundesweit 130 Standorten soll bereits im nächsten Jahr einen Umsatz in Höhe von zwei Milliarden Euro erwirtschaften. Notebooksbilliger.de-Gründer Wedemeyer, der die Führung seines Unternehmens im vergangenen Jahr abgab, kehrt dafür ins operative Geschäft zurück und wird das Joint Venture zusammen mit EP-Vorstand Michael Haubrich leiten. Doch bedeutet das auch eine Rückkehr zur Dynamik der Anfangstage?
Online-Wachstum stößt an Grenzen

"Wir sehen, dass es einfach Menschen gibt, die weiterhin offline kaufen wollen": Arnd von Wedemeyer, Gründer und Vorstand Notebooksbilliger.de
"Das klare Ziel beider Eigentümer ist Wachstum", erklärt Wedemeyer zu dem geplanten Unternehmenszusammenschluss. "Ich glaube fest daran, dass wir gemeinsam Gas geben und erfolgreich sein werden." Medimax bringe seine Stärke in Sortimentsbereichen wie Haushaltskleingeräte und Weiße Ware in das Joint Venture ein. Und Notebooksbilliger.de werde helfen, frequenzstarke Bereiche wie IT, Multimedia und Telekommunikation in den Medimax-Märkten massiv auszubauen. "Der Begriff Fusion ist dafür vielleicht etwas unglücklich gewählt", räumt Wedemeyer ein. "Wir haben nicht vor, die Unternehmen zu verschmelzen, sondern wollen in beiden Unternehmen die jeweiligen Handelsformen sinnvoll nutzen und natürlich im Einkauf und vor allem im Marketing effizient zusammenarbeiten."
Ein Wachstum um jeden Preis strebe man nicht an. Neben dem Kundennutzen und Mehrwerten für die Industrie sei Profitabilität das große Ziel des Joint Ventures. Darin, dass der Online-Vorreiter Notebooksbilliger.de ausgerechnet die Fusion mit einer stationären Kette als Wachstumsstrategie wählt, will Wedemeyer keinen Widerspruch erkennen: "Der Online-Anteil ist im Elektronikhandel in den letzten Jahren nicht mehr dramatisch gewachsen. Es bewegen sich derzeit nur die Anteile der einzelnen Anbieter am Online-Umsatz. Wir sehen, dass es einfach Menschen gibt, die weiterhin offline kaufen wollen." Damit Notebooksbilliger.de auch in Zukunft in der Spitzengruppe bleibe, sei die Fusion mit Medimax der richtige Schritt.
Die Fusionspläne von Notebooksbilliger.de und Medimax kommen nur wenige Monate, nachdem auch der andere große deutsche Elektronikversender eine stationäre Kooperation auf den Weg gebracht hat: Cyberport eröffnet seit Juli erste Shop-in-Shop-Flächen bei Galeria Kaufhof und will das Konzept gegebenenfalls bundesweit umsetzen. "Es ging uns dabei um die Frage, wohin sich der Retail entwickelt. Und hier beobachten wir, dass die Innenstädte weiter im Trend sind - sogar ein Handelsriese wie Ikea will verstärkt kleinere Flächen in Innenstadtlage eröffnen", erklärt Cyberport-Geschäftsführer Helmar Hipp. "Wir standen vor der Frage, ob wir selbst nach entsprechenden kleinen Flächen in Innenstadtlagen suchen oder uns einen Partner suchen, mit dem wir das Konzept skalieren können, und haben uns für letztere Variante entschieden."
Notebooksbilliger.de-Gründer Wedemeyer zeigt sich von der Kooperation zwischen Cyberport und Kaufhof wenig beeindruckt: "Ich finde das abwegig - gerade in der Situation, in der sich Kaufhof befindet. Aber ich freue mich, dass man sich bei den Kollegen in Dresden mit so etwas befasst. Das bindet ja Ressourcen ohne Ende." Aller Stichelei zum Trotz haben sich dennoch Cyberport und Notebooksbilliger.de gleichermaßen als Wachstumsstrategie für die stationäre Option entschieden.
Erfolgsbeispiele aus dem Ausland
"Auch wir beobachten, dass die Innenstädte weiter im Trend sind": Helmar Hipp, Geschäftsführer Cyberport
Dass sich für Online-Elektronikhändler auch Alternativen zur Offline-Expansion bieten, zeigt der Blick ins europäische Ausland - zum Beispiel auf den niederländischen Online-Händler Coolblue. Zu Beginn des Jahrzehnts lag der 1999 gegründete Shop noch unter 200 Millionen Euro. Seitdem legte Coolblue allerdings ein Wachstum ganz nach Hockey-Stick-Szenario hin und kommt inzwischen auf 1,2 Milliarden Euro. Beigetragen haben dazu die Expansion ins benachbarte Belgien, eine eigene Lieferflotte für Haushaltsgeräte sowie eine starke Serviceorientierung. Bemerkenswert bei dem starken Wachstum: Coolblue, das sich noch immer zu 70 Prozent in Gründerhand befindet, wirtschaftet durchgängig profitabel.
Das gilt auch für den Schweizer Elektronikversender Digitec Galaxus. 2001 gegründet, gehört das Unternehmen seit 2015 mehrheitlich zum führenden Schweizer Einzelhändler Migros. Sowohl der Elektronik-Shop Digitec wie auch das Online-Kaufhaus Galaxus zeichnen sich durch ein sorgfältig ausgewähltes Warensortiment, eine starke Community-Einbindung sowie durch Kunden-Features wie den bestechend gut gestalteten Weiterverkaufsservice aus. Im 8-Millionen-Einwohner-Land Schweiz kommt Digitec Galaxus damit inzwischen auf einen Umsatz von mehr als 800 Millionen Franken. Noch in diesem Jahr will das Unternehmen nach Deutschland expandieren.
Der dritte Große unter den europäischen Elektronikversendern ist AO.com. Der 2000 gegründete Haushaltsgeräte-Spezialist aus Großbritannien besorgte sich mit dem Börsengang 2014 das nötige Wachstumskapital und konnte seinen damaligen Umsatz von 400 Millionen Britischen Pfund inzwischen verdoppeln. Auch bei AO.com sind die eigene Lieferflotte und die Expansion nach Deutschland und Holland wesentliche Kriterien für den Erfolg. Allerdings geht das Wachstum von AO.com bislang auf Kosten des Geschäftsergebnisses, was auch die Anleger kritisch beobachten.
Notebooksbilliger.de-Gründer Wedemeyer hat die europäischen Wettbewerber genau beobachtet und bleibt skeptisch: "Dass AO.com so gehypt wird, verstehe ich nicht ganz - die Umsatzgrößen in Deutschland sind ganz nett, aber der Verlust ist unfassbar hoch." Coolblue hält Wedemeyer für ein "tolles Geschäftsmodell, das in einem kleinen, dicht besiedelten Land offensichtlich sehr gut funktioniert". Und Digitec Galaxus mache in der Schweiz einen guten Job, werde sich mit Sortiment und Logistik in Deutschland aber vermutlich schwertun. Die europäische Konkurrenz bereitet Wedemeyer also keine Angst. Bietet die Fusion mit Medimax für Notebooksbilliger.de da nicht eine gute Möglichkeit, um selbst ins Ausland zu expandieren? "Mich persönlich interessieren die Märkte in Osteuropa. Da sind sehr gute Kollegen unterwegs, vielleicht muss man sich da mal zusammensetzen. Aber mein persönlicher Fokus ist: Hausaufgaben in Deutschland machen."
Interview: "Vielleicht ist das ja typisch deutsch"
Jochen Krisch beobachtet mit seinem Blog Exciting Commerce seit vielen Jahren die Online-Elektrobranch
Lange sah Berater Jochen Krisch in den Elektronikversendern die Vorreiter der Online-Entwicklung. Heute blickt er kritisch auf die Branche.
Sind die Elektronikversender noch die Avantgarde der Online-Entwicklung?
Jochen Krisch: Die Vorreiterrolle haben mittlerweile andere übernommen, allen voran Modeversender wie Zalando oder About You. Aber Digitec Galaxus, Coolblue oder auch AO zeigen, wie sich Elektronikversender strategisch geschickt aufstellen und so weiter vorne mitmischen können. Nur hierzulande fehlte zuletzt etwas der Schwung.
Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Krisch: Der deutsche Markt ist in einer besonderen Situation mit einem recht dominanten Amazon und einer Media-Saturn, die online in den Angriffsmodus geschaltet hat. Keiner der bestehenden Anbieter wollte das nötige Geld in die Hand nehmen, um in Wachstum zu investieren oder sich strategisch weiterzuentwickeln. So bleiben Notebooksbilliger.de und Cyberport im Rahmen ihrer Möglichkeiten und legen - vielleicht ja typisch deutsch - eher Wert auf ein solides Geschäft als auf große Wachstumsziele.
Welchen Sinn ergibt in dieser Situation die Fusion von Notebooksbilliger.de und Medimax?
Krisch: Ich sehe in dem Zusammenschluss eher eine Notgemeinschaft, die kurzfristig mehr Umsatz und damit mehr Marktmacht und bessere Konditionen bringt. Die Fusion dürfte allerdings weniger kunden- als gesellschaftergetrieben sein. Schließlich ist an beiden Unternehmen Electronic Partner beteiligt.
Hätte es alternative strategische Optionen gegeben, die für Notebooksbilliger sinnvoller gewesen wären?
Krisch: Definitiv. Notebooksbilliger.de hat ja sein Potenzial längst nicht ausgeschöpft und hätte sich online gut mit AO ergänzt. Ebenso hätte das Unternehmen als unabhängiger Anbieter an die Börse gehen können, um sich das nötige Wachstumskapital zu besorgen.
Gibt es im Elektronikbereich noch Chancen für Neueinsteiger?
Krisch: Mobile wird den Markt noch mal komplett umwälzen. Hier werden vor allem serviceorientierte Anbieter punkten. Aber auch Digitec Galaxus halte ich für so stark, um in fünf bis zehn Jahren ein relevanter Player zu sein. Die entscheidende Frage ist, ob sich Galaxus hierzulande als weitere Marke etablieren lässt.
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