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Online-Handel

Google, Facebook und Co Wie deutsche Händler von der Anti-Amazon-Allianz profitieren

shutterstock.com/NicoElNino
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Amazon zielt immer mehr auf die Werbebudgets, Google und Facebook wiederum auf den Handel. Doch wer profitiert im Konkurrenzkampf? Die umworbenen E-Commerce-Händler selbst. Denn: Mehr Wettbewerb heißt mehr Innovation heißt mehr Produkte und Service.

Von Marcel Hollerbach, CMO von Productsup

Wenn zwei sich streiten, freut sich bekanntlich der Dritte. Aber was passiert eigentlich, wenn drei sich streiten? Vor allem, wenn es sich dabei um die weltweit mächtigsten Internet-Konzerne handelt? Fakt ist: Die Klassifizierung von Facebook gleich Social Network, Google gleich Suchmaschine, Amazon gleich E-Commerce verliert immer mehr an Gültigkeit - weil alle drei für ihr Wachstum die gleichen Budgettöpfe angraben und damit stärker denn je in Konkurrenz zueinander gehen. Amazon zielt immer mehr auf die  Werbebudgets, Google und Facebook wiederum auf den Handel. Doch wer profitiert? Die umworbenen E-Commerce-Händler selbst. Denn: Mehr Wettbewerb heißt mehr Innovation heißt mehr Produkte und Service. Und das zeichnet sich schon jetzt deutlich ab.

Rund zwei Milliarden US-Dollar nahm Amazon allein im abgelaufenen Quartal an Werbung ein. Das Wachstum hier entspricht atemlosen 132 Prozent. Grund für den Sprung: Schon jede dritte Produktsuche beginnt direkt auf Amazon, die Jeff Bezos-Company ist damit idealer Startpunkt für E-Commerce-Werbung aller Art. Entsprechend prognostizieren die Marktforscher von E-Marketer, dass Amazon schon bis 2020 in Sachen Werbeeinnahmen an Verizon, Oath und Microsoft vorbezieht und sich mit einem Marktanteil von 4,5 Prozent hinter Google und Facebook platziert. Mit neuen Retargeting-Tools, einer Programmatic-Einkaufslösung und neuen Premium-Angeboten für Top-Brands und -Händler kurbelt Amazon das Wachstum weiter an. Schon jetzt, meinen die Consultants von Forrester, sei Amazon in Sachen Einkaufs- und Verhaltensdaten der User weiter als jeder andere Anbieter.

Facebook und Google machen Amazon das Geschäft mit dem Handel streitig

Doch die Anti-Amazon-Allianz aus Facebook und Google keilt zurück und dringt ihrerseits immer stärker in Amazons Kerngeschäft ein: den Handel. Beide setzen dabei auf ähnliche Strategien. Beispiel Werbung: Speziell für Händler, die sowohl on- wie offline ihre Produkte vertreiben, bieten Google und Facebook Dynamic Ads for Retail bzw. Local Invetory Ads. Beide Werbeformen setzen dabei Artikel in Szene, die in einem nahe liegenden Ladengeschäft verfügbar sind. Damit stärken Facebook und Google also den Offline-Handel und schwächen im Gegenzug Amazons immer größere Marktmacht. Der Vorteil bei Google: Angesichts des User-Suchverhaltens liegt eine tatsächliche Kaufabsicht viel stärker auf der Hand. Dagegen punktet Facebook mit einem deutlich aufmerksamkeitsstärkeren Design.

Beispiel Marktplätze: In den USA schon gesetzt - in Deutschland noch Zukunftsmusik. Mit Google Express zielt der Konzern voll auf Amazon Marketplace. Das Shopping-Portal ermöglicht es Kunden, Waren bei einer Reihe an Einzelhändlern zu bestellen und sich direkt nach Hause liefern zu lassen. Zu den bisherigen Partnern zählen unter anderem die großen Ketten Costco, Toys’R‘Us, Target, Whole Foods, Staples und Walgreens. Im September vergangenen Jahres ist der in den USA dominierende Einzelhandelskonzern Walmart dazugekommen.

Für den Handelsriesen eine echte Zäsur: Es ist das erste Mal, dass Walmart seine Produkte in den USA außerhalb der eigenen Website anbietet. Das zeigt auch, wie groß bei Handelsketten die Angst vor Amazon in den USA bereits ist. Facebook Marketplace präsentiert sich dagegen eher wie ein Flohmarkt - und damit auf den ersten Blick als Mitbewerber zu eBay. Seit vergangenem Jahr können auch User in Deutschland ihre Sachen hier kostenlos verkaufen. Noch ist das Ganze also eher als eine Art Community-Tool organisiert. Noch. Denn aus meiner Sicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis Facebook seinen Marketplace für den kommerziellen Bereich - also für Marken und professionelle Händler - öffnet. Dass hier schon jetzt Werbebuchungen möglich sind, ist ein sichtbares Indiz dafür, dass Facebook seinen Kleinanzeigenmarkt öffnet.

Gestiegene Anforderungen an die Multichannel-Strategie

Für die deutschen Händler ist das eine riesen Chance - nicht nur wegen des Wettrüstens der drei Großen, sondern auch, weil heimische Player wie Zalando kräftig investieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Doch neue Absatzkanäle und Werbemöglichkeiten stellen auch höhere Anforderungen an die Multichannel-Strategie, die technische Infrastruktur und das Data-Management. Produktdaten müssen für jeden einzelnen Kanal optimiert, Budgets in Abhängigkeit von Zielgruppe und Kanal definiert und Kundendatenbanken nach Vertriebswegen neu strukturiert werden.

Zentraler Erfolgsfaktor ist hierbei, die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Kanälen zu verstehen, zu analysieren und entsprechend zu nutzen. Wer ist wann wo auf welchem Kanal? Das ist hier die zentrale Frage, um Budgets effizient einzusetzen, das Pricing richtig zu taxieren und das Produktangebot kanalspezifisch zu optimieren. Auf der anderen Seite heißt das natürlich auch: Ganz ohne Investitionen wird kein Händler von der neuen Dynamik im Markt profitieren können.

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