Von Competence bis Culture 8 Erfolgsfaktoren für die eigene Omnichannel-Strategie
Mühsam ist der Weg zur eigenen Omnichannel-Strategie: Die Unternehmensberatung Roland Berger hat acht Punkte zusammengefasst, die Händler auf dem Weg zum Omnichannel-Erlebnis beachten sollten.
Von Dunja Koelwel
Vor 15 Jahren etablierte der US-Elektronikhändler Best Buy einen neuen Begriff, mit dem er seine Kundenzentrierung ausdrücken und der Elektronikabteilung von Walmart Konkurrenz machen wollte: Omnichannel - ein kanalübergreifendes Geschäftsmodell für Unternehmen zur Verbesserung des Kundenerfahrungsmanagements.
Heute hadern viele Händler immer noch damit, die Kundenzentrierung effektiv umzusetzen und etliche Beratungsunternehmen schlagen in dieselbe Kerbe, indem sie die Schwachstellen bei den Omnichannel-Strategien aufzeigen.
So hat beispielsweise PWC in seinem Global Omnichannel Retail Index im Frühjahr 2017 festgestellt, dass die englischsprachigen Länder bei der Umsetzung von Omnichannel vorne liegen und beispielsweise die USA, UK, Australien und Canada alle zu den Top 5 zählen - Deutschland hingegen platziert sich abgeschlagen auf Rang 17.
Eines der größten Probleme scheint dabei zu sein, die Omnichannel-Erfahrung aus Kundensicht leichtfüßig umzusetzen. Denn wie die PWC-Studie weiter herausgefunden hat, sollten aus Kundensicht Omnichannel-Erfahrungen nahtlos über Offline und Online Shops gehen und auch mobile Plattformen mühelos einbinden - eben alle Orte, an denen ein Kunde zu shoppen wünscht.
"Omnichannel ist das, was die Konsumenten erwarten, was aber kaum jemand reibungslos anbietet. Wem dies als erstem gelingt, dem wird die Zukunft gehören", meint auch Achim Himmelreich, Director Digital Transformation bei Capgemini und Vizepräsident BVDW. Doch aus Sicht der Unternehmen ist dies ein fast kaum umzusetzendes Unterfangen, da es eine Koordination und Integration über das ganze Ökosystem der Händler erfordert.
Die "Omnichannel-Lüge"
Kaum verwunderlich also, dass eine Umfrage von Roland Berger zum Thema Omnichannel im Februar 2018 zu dem Ergebnis kam, dass 80 Prozent der deutschen Händler auch gar keine echte Kanalstrategie besitzen. "Der Großteil der Händler ist aktuell Mitläufer und Nachzügler, die grundsätzliche Omnichannel-Fitness hierzulande ist gering", resümiert Tobias Göbbel, Leiter Global Practise Group Sales und Marketing bei Roland Berger. "Welche Differenzierung, welche zusätzlichen Services und strategischen Allianzen sind also notwendig, damit 'Shopping' tatsächlich zum Einkaufserlebnis für den Konsumenten im Sinn von Omnichannel wird? Für diese und andere Fragen gilt es innovative Antworten zu finden, die im Rahmen von Design Thinking Workshops und Hackathons agil entwickelt werden", meint dazu Michael Renz, Partner bei E&Y.
Einen anderen Weg geht die Unternehmensberatung Roland Berger, die ein Konzept entwickelt hat, bei dem Händler anhand von acht Erfolgsfaktoren ihre Omnichannel-Fitness bewerten und verbessern können. Der so genannte 8C-Omnichannel-Ansatz: Competence, Category, Channel, Customer Data, Code, Chain, Cost, Culture und Competence.
Die acht Faktoren im Überblick
1. Competence
Viele Händler tun sich schwer, die richtigen Fähigkeiten, Personen und Teams aufzubauen und zu integrieren - das Thema Competence ist für viele ein harter Brocken. Um im Vorfeld zu überprüfen, ob das eigene Unternehmen bereit ist für eine Omnichannel-Strategie, rät Tobias Göbbel von Roland Berger dazu, abzufragen, ob beispielsweise bereits die Zusammenführung, die Auswertung und das Clustern der über verschiedene Kanäle gewonnenen Kundendaten möglich ist.
Außerdem sollte die IT-Infrastruktur so ausgelegt sein, dass diese verschiedene Kanäle im Tagesgeschäft optimal unterstützt. Und nicht zuletzt sollte eine kanalübergreifende Zusammenarbeit der Organisation unter anderem von Marketing und Category Management oder den Märkten möglich sein.
Kurz gesagt: Die grundsätzlichen Herausforderungen für eine funktionierende Omnichannel-Strategie sind der hohe Abstimmungsaufwand, das (nicht) vorhandene Change Management und die neuen Anforderungen an die Kompetenzprofile der Mitarbeiter.
Diese Herausforderungen lassen sich am besten mit diesen Erfolgsfaktoren meistern: Die Integration und Zusammenarbeit aller involvierten Abteilungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens sowie eine Systemunterstützung, die eine schnelle Reaktion auf Veränderungen ermöglich.
2. Category
Unterschiedliche Sortimentsbereiche erfordern unterschiedliche Kanal- und Kundenstrategien. Wer hier abfragen will, ob die eigene Omnichannel-Strategie auf das bestehende Unternehmenssegment ausgerichtet ist, sollte die Kanalpräferenzen der Kunden im eigenen Produkt- und Servicesegment bestimmen sowie die Entwicklung der Kanalpräferenzen seiner Kunden prognostizieren können. Außerdem schadet ein Vergleich der eigenen Präsenz in verfügbaren Kanälen im Vergleich zu Mitbewerbern nicht.
Die Herausforderung ist also die starke Verschmelzung der Kanäle. Zu den Erfolgsfaktoren gehört ein Zugang zu externen Daten zur Kanalentwicklung in den Produktkategorien sowie ein interne Analyse der Produkt-Performance pro Kanal.
3. Channel
Eine weitere Frage, die sich Unternehmen beim Abklopfen ihrer Omnichannel-Strategie stellen sollten, ist, ob sie auf die richtigen Kanäle setzen. Der Begriff "Kanal" ist dabei durchaus weit gefasst und könnte etwa Apps, Click & Collect, In-Store-Pickup, Chatbots, QR-Cods, Beacons, Virtual Fitting Rooms und so fort beinhalten.
Wichtig ist hier auch, eine kanalübergreifende Customer Journey für sich zu definieren und im Anschluss die verschiedenen Kanäle zu verknüpfen, um Cross-Selling zu ermöglichen. Last but not least bedeutet die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Kanälen auch eine Auseinandersetzung mit den entsprechenden Pricing-Strategien.
Die Herausforderung, mit denen Unternehmen also hier umgehen müssen, ist damit die mögliche Kannibalisierung der Kanäle. Als Erfolgsfaktor kann eine konstante Analyse der Kanäle inklusive derer Stärken und Schwächen gelten.
4. Customer Data
Kundendaten müssen an Kontaktpunkten erfasst, kombiniert und zur Angebotsentwicklung genutzt werden. Doch werden die Kundendaten systematisch analysiert? Das geschieht, wenn beispielsweise eine kanalübergreifende Zusammenführung und Auswertung der Kundedaten stattfindet und Kunden anhand der Nutzung der verschiedenen Kanäle klassifiziert werden. Auch die Definition von Customer Journeys für verschiedene Kundensegmente oder eine zielgerichtete Ansprache verschiedener Kundensegmente über den von ihnen bevorzugten Kanal trägt dazu bei.
Die Herausforderungen sind damit der Zugang zu den Kundendaten und die eventuellen rechtlichen Beschränkungen bei personenbezogenen Daten. Die Erfolgsfaktoren bei Customer Data sind die Definition der Customer Journey sowie eine gelungene Segmentierung der Zielgruppen pro Kanal.
5. Code
Omnichannel-Exzellenz erfordert den schnellen und konsequenten Einsatz neuer digitaler Technologien. Unternehmen sollten sich also fragen, ob sie digitale Technologien optimal einsetzen. Das erfordert beispielsweise ein institutionalisiertes und regelmäßiges Screening aller Backend- und Frontend-Prozesse. Aber auch eine strukturierte Auswahl potenzieller Partner mit entsprechendem Know-how kann unterstützen.
Die Herausforderung ist also die Prognose der Kundenakzeptanz bei neuen Technologien. Als Erfolgsautoren lassen sich eine "Try-and-Error-Kultur" ausmachen, die Definition fester Verantwortlichkeiten und Prozesse sowie der Ausbau weitreichender digitaler Kompetenzen.
6. Chain
Ein überzeugender Omnichannel-Umsatz ist mit einer flexiblen, transparenten und komplexen Supply Chain verbunden. Unternehmen müssen sich daher fragen, ob ihre bestehende Supply Chain diesen Anforderungen gewachsen ist. Andernfalls ist der Ausbau einer Supply Chain erforderlich, die den gestiegenen Anforderungen durch die Omnichannel-Strategie gerecht wird, etwa durch Echtzeitanzeige der Warenverfügbarkeit oder einem dezentralen Retourenmanagement. Wichtig ist in diesem Kontext auch die Entscheidung, ob das Know-how dazu intern aufgebaut werden soll oder ob man sich externe Unterstützung holt.
Die Herausforderung besteht damit erneut in der höheren Komplexität. Die Erfolgsfaktoren sind die technische Unterstützung der Supply Chain, die Auswahl der richtigen Partner sowie die Steuerung der Supply Chain.
7. Cost
Mögliche Einspareffekte und Kosten durch eine Omnichannel-Strategie müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Denn das Ziel ist es schließlich, Einspareffekte anstelle von Zusatzkosten zu generieren.
Unternehmen sollten dafür mögliche Einspareffekte durch die gezielte Incentivierung von Kanälen mit besserer Kostenstruktur erreichen. Aber auch eine Kostenzunahme in Folge von Omnichannel-Retourenmanagement oder im Bereich Logistik und Lagerhaltung durch komplexe Supply Chains sind zu berücksichtigen.
Die Herausforderungen sind also hier die erschwerte Messbarkeit der Kosten durch die Verschmelzung der Kanäle. Als Erfolgsfaktoren sind eine transparentere Kosten- und Potenzialanalyse und vereinfachte Maßnahmenplanung zu nennen.
8. Culture
Erfolgreiches Omnichannel setzt eine Unternehmenskultur voraus, die Innovation begrüßt und Silodenken überwindet. Unterstützt also die eigene Unternehmenskultur eine solche Omnichannel-Strategie? Wenn diese Unternehmenskultur Veränderungen und Innovationen begrüßt und Scheitern akzeptiert, Silodenken abnimmt und abteilungsübergreifende Prozesse ermöglicht, dann ist eine solche Kultur vorhanden.
Die Herausforderungen sind dabei jedoch die erschwerte Messbarkeit individueller Leistungen und die Akzeptanz kollektiver Leistungsvorgaben. Die Erfolgsfaktoren sind Pilotprojekte um "Try und Error" auszuprobieren sowie cross-funktionale Teams. Aber auch eine klare Kommunikation der Omnichannel-Strategie sowie der Omnichannel KPI sind Teil des Erfolges.
Ihr wollt mehr zum Thema erfahren? Achim Himmelreich (Cap Gemini), Michael Renz (E&Y) sowie Tobias Göbbel (Roland Berger) werden auf dem diesjährigen INTERNET WORLD CONGRESS am 9. und 10. Oktober zum Thema Omnichannel sprechen. Meldet euch gleich an!